Es ist vielleicht ein wenig unpassend, das ganze ins
Straßenbahnforum zu schreiben, da Rustavi nie eine Straßenbahn hatte, aber ich hoffe, ihr habt dennoch alle eine Freude mit den Impressionen aus der viertgrößten Stadt Georgiens (110.000 EW).
Etwas zur Geschichte: Rustavi, ca. 30 km S der Hauptstadt Tbilisi, wurde ab den 1940er-Jahren rund um das errichtete Stahlwerk, eines der größten der Sowjetunion, komplett neu angelegt. Der Prachtboulevard im alten Teil der Stadt lässt architektonisch und städtebaulich alle Herzen höher schlagen. Ein top-Beispiel für die zeitgenössische Stadtplanung. Der neuere Teil am anderen Ufer des Flusses Mtkvari (Kura) stammt aus den 1970er-1990er Jahren und ist weniger prunkvoll, aber dennoch imposant. Obwohl nach 1990 das Stahlwerk nur mehr ein Schattendasein fristet, hat die Stadt recht viel Geld (weil sich in Rustavi das einzige Zollamt Georgiens befindet, bei dem alle importierten Autos verzollt werden müssen). Daher wurde einiges in die Sanierung gesteckt.
Und nun zum Verkehr: Rustavi hatte ein O-Bus-Netz, das komplett eingestellt wurde. Die Spuren finden sich noch überall in den Straßen in Form von Oberleitungsaufhängungen. Das ehem. Depot wird immer noch von den nun strom- und funktionslosen Trolleys bevölkert, die nur mehr darauf warten, endlich ausgeschlachtet und verschrottet zu werden. Ein trauriger Anblick.
Nun die Fotos, mit Erklärungen:
1) Aus Tiflis längst verschwunden, prägen die Marshrutkas (Sammeltaxis, Minibusse) vom Typ Gazela aus Sowjetproduktion immer noch das Straßenbild in Rustavi.
2) Diese werden sogar mit Flüssiggas betrieben. Das wäre doch was für die Wiener Linien, wenn sie die Kusenitse ausmustern
3) Am wichtigen Verkehrsknotenpunkt vor der Direktion des Stahlwerks geht es aber beschaulich zu, die streunenden Hunde lassen sich jedenfalls nicht stressen.
4) Interessant: Bereits in prähistorischer Zeit wurden analoge DFI aufgestellt, die die Anfahrtszeit der Trolleybusse anzeigen. Wie? Vielleicht wurde erkannt, in welchem Stromblock sich der Bus befindet, und die wahrscheinliche Fahrzeit berechnet?
5) Das ganze gibts auch in einer modernen Fassung. Die Anzeige ist komplett vorhanden, aber meine Kamera hat bei der kurzen Belichtungszeit die Pixel nicht erfasst.
6) Eine Bushaltestelle in Standardausstattung: Modernes Haltestellenschild, altmodisches Haltestellenschild mit Platz für Fahrplanaushang (heute: Kleininserate für hauptsächlich Windows-Kurse), ein Ständer für das analoge DFI ohne selbiges.
7) Ein paar moderne Busse - aber hauptsächlich Marshruktas - haben die Trolleybusse abgelöst ...
... die Aufhängungen für den Fahrdraht sind aber noch überall zu sehen.
9) Die Busse gammeln nun im Depot herum und warten auf Godot.
10) Eine von mir fälschlicherweise für den Bahnhof gehaltene ehemalige Haltestelle an der Bahnlinie Tiflis-Baku strahlt etwas mysthisches aus, fast wie ein griechischer Tempel in einer Ausgrabungsstätte.
11) Aber der richtige Bahnhof schaut auch kaum besser aus.
Jetzt noch ein paar Schmankerln:
12) Es gibt in Rustavi tatsächlich Radwege! Nur das mit den Randsteinen müssen sie noch lernen...
13) Noch was für Autofans: Zwei Wolgas aus unterschiedlichen Generationen. Maximaler Benzinverbrauch für minimale Kraft und Geschwindigkeit, dafür wunderschön anzuschauen
Ich hoffe, es hat euch genauso viel Freude gemacht, die Fotos zu betrachten, wie mir, in der Stadt herumzuspazieren und die Fotos zu machen.