Autor Thema: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer  (Gelesen 20471 mal)

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60er

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[PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« am: 05. April 2012, 13:54:58 »
Zitat
Vom Aussterben bedrohter Aufzug
Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer

Der Umlauf-Aufzug im Haus der Industrie ist ein wahres Urgestein und kann immer noch 26 Personen gleichzeitig bewegen

Als Johann Zolles den Paternosteraufzug 1979 erstmals wartete, war er ein junger Mann. Schon seit 1911 fährt der Paternoster im Haus der Industrie unermüdlich. Ein hundertjähriges Auf und Ab. Nächstes Jahr geht Aufzugstechniker Zolles, 59, in Pension. Der Paternoster im Palais am Schwarzenbergplatz wird auch danach weiter laufen.

Heute steht der Paternoster wie jedes Jahr einmal still. Zolles prüft die Sicherheit, tauscht alte Teile aus. Dieses Jahr durchleuchtet er mit einem Ultraschallgerät auch jeden der 600 Bolzen, an denen die 13 Kabinen rauf- und runter gezogen werden. Zwei Leute pro Kabine, steht auf Schildern. "Die Schilder haben sie mir zuerst gefladert, jetzt hab ich sie mit Torbandschrauben befestigt", erzählt Zolles. Die Erhaltung des Paternosters ist für ihn nicht bloß ein Job, auch ein Anliegen. "Ich bin ein Patznfreund vom Paternoster", sagt er.

Mit 20 Zentimetern pro Sekunde in der Endlosschleife

Der Umlauf-Aufzug, wie Bürokraten den Paternoster nennen, ist nach vorne offen und bleibt nie stehen. Für den Benützer heißt das: Den gewöhnlichen Aufzug kann man rufen, den Paternoster muss man erwischen. 1950 Kilogramm oder 26 Personen kann der älteste Paternoster Wiens gleichzeitig befördern.

Obwohl der Fahrstuhl sich mit 20 Zentimetern pro Sekunde bewegt (das sind gerade einmal 0,72 km/h), sorgte das Einsteigen seit jeher für Nervosität: Man ergreife die angebrachten Handgriffe "mit mäßig gebeugten Armen bei gerader Körperhaltung" und richte "seine Aufmerksamkeit auf den herannahenden Fahrstuhl", lautete zu Kaiserzeiten die Vorschrift im Palais der Industriellenvereinigung.

Was passiert oben?

Auch die größte Angst vor dem Paternoster hat 100 Jahre überdauert und treibt manche immer noch um: Was passiert oben? Im Haus der Industrie führen zwei große Ketten die Fahrkörbe durch einen 20 Meter hohen Schacht. Ein Elektromotor treibt die Ketten an. Beim Hochfahren hängt die Kabine, diagonal eingespannt, an der jeweils rechten Seite der beiden Ketten, beim Heruntergleiten an der jeweils linken. "Die Kabine fädelt aus einer Führungsschiene aus und in die andere ein", erläutert Aufzugstechniker Zolles. "Die Kabine hängt bei jeder Kette nur an einer Seite."

Kurzum: Die Kabinen rattern am oberen und unteren Wendepunkt über große Räder in den anderen Schacht hinüber, ohne dabei umgedreht zu werden. "Eine simple Konstruktion, aber sehr wirkungsvoll", lobt Zolles den alten Erfindergeist. Den Auftrag erteilte die Industriellenvereinigung damals Anton Freissler, einem Aufzug-Pionier der Monarchie.

Seit den 1960er-Jahren dürfen in Österreich keine Paternoster mehr gebaut werden. Im ganzen Land gibt es heute kaum mehr als 20, schätzen die Aufzugsprüfer von TÜV Österreich. Der Paternoster ist unter den Fahrstühlen eine bedrohte Art. Im Vergleich zum gebräuchlichen Aufzug birgt der Paternoster, der nur in den Nachtstunden ruht, zumindest theoretische Gefahren, obwohl so gut wie nie etwas passiert.

Bedrohte Bauart

Wenn man sich in den Aufzugkabinen im Haus der Industrie zu knapp zum Ausgang stellt, hebt sich eine Klappe am Boden. Dem Zehenbruch ist damit vorgebeugt. Außerdem verbietet ein Schild Kindern und Gebrechlichen den Einstieg. Gepäck ist unerlaubt, Kinderwägen sowieso. "Wenn einer mit der Leiter einsteigen will, gäb's Brösel", warnt Zolles.

Sollte trotzdem einmal Gefahr entstehen, kann in jedem Stock ein Notstopp-Knopf gedrückt werden. Wobei es auch schon vorgekommen ist, dass Besucher die Nottaste drücken, weil sie dachten, so den Aufzug rufen zu können. Weil es immer weniger Paternoster gibt, können auch immer weniger Leute damit umgehen. Der Paternoster im Neuen Institutsgebäude der Uni Wien wurde fiel vor ein paar Jahren der Bürokratie zum Opfer -  er wurde "wegen Allgemeingefährdung" aufgegeben.

Die ersten Stockwerke schneller

Die Industriellenvereinigung versichert aber, ihren Paternoster noch möglichst lange fahren lassen zu wollen, viele Mitarbeiter haben ihn liebgewonnen. Herr Zolles hat seinen Nachfolger schon eingeschult. Der Paternoster, sagt Zolles, sei auch schnell. Keine Wartezeiten, kein Türöffnen. "Die ersten vier Stockwerke muss der Aufzug schon anzah'n, damit er gleich schnell ist." (Lukas Kapeller, 5.4.2012)
Quelle: http://derstandard.at/1333528395490/Vom-Aussterben-bedrohter-Aufzug-Paternoster-Ein-hundertjaehriger-Dauerlaeufer

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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #1 am: 05. April 2012, 14:49:59 »
Danke für diese sehr interessante Nachricht über ein früher weit verbreitetes, öffentliches "Nah"verkehrsmittel.

Erinnere mich noch an solche Aufzüge bei der Gebietskrankenkasse in der Mariahilfer Straße und in der Nationalbank.

Neben dem Haus der Industrie gibt es ein Pater-Noster-Paar heute jedenfalls noch im Bundesrechenzentrum.

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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #2 am: 05. April 2012, 16:40:13 »
Das würde doch gut in den Aufzugsthread passen, wo ich auch eine Auflistung einiger Paternoster in Wien gepostet habe.

Ferry

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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #3 am: 06. April 2012, 13:35:12 »
Neben dem Haus der Industrie gibt es ein Pater-Noster-Paar heute jedenfalls noch im Bundesrechenzentrum.
Und einen im Rathaus!
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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #4 am: 06. April 2012, 13:58:32 »
Uh-oh, dass es immer noch Patresnostri gibt, ist ja sensationell :o

Neben all diesen alterwürdigen gab es bekanntlich noch den angemessen-abgefuckten im NIG, bevor es reserviert wurde. Vorher lief der «Fahrgastbetrieb» reibungslos und ohne Wartezeiten, seit dem Lifteinbau latscht man besser zu Fuß. Auch ein Beitrag zur Gesundheit ;)

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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #5 am: 06. April 2012, 14:10:12 »
...und weil ich auch hier nicht schaffe, nicht in mein Archiv zu sehen: Der Paternoster im Gebäude der ehemaligen ABB auf der Gudrunstraße, irgendwann in den 1980er-Jahren!
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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #9 am: 01. Februar 2016, 08:42:29 »
http://wien.orf.at/news/stories/2754900/

Ja, dieser Bericht war sehr interessant. Es gibt da etwas, was ich schon als Kind und später als HTL-Absolvent noch viel lieber gesehen hätte: das obere und untere "Ende" eines Paternosters, also die Maschinenräume mit den Schwungrädern, wo die Kabinen von einem Schacht in den anderen wandern. Ich habe es einmal im Rathaus probiert, dort war aber niemand zu finden, der dafür zuständig gewesen wäre bzw. hat man mir allen Ernstes versichert, man wüsste gar nicht, wo genau sich diese Räume befinden und wie man hin- bzw. hineinkommt.

Angesichts der Tatsache, dass der Aufzug zumindest einmal jährlich gewartet wird, wenig glaubhaft, aber was will man machen?  ::)
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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #10 am: 01. Februar 2016, 09:45:57 »
Ich habe es einmal im Rathaus probiert, dort war aber niemand zu finden, der dafür zuständig gewesen wäre bzw. hat mir allen Ernstes versichert, man wüsste gar nicht, wo genau sich diese Räume befinden und wie man hin- bzw. hineinkommt.

Hean S', do kunnt a jeda kumman!
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hema

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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #11 am: 01. Februar 2016, 14:24:58 »
Mit einem Paternoster kann/konnte man je eh ganz einfach "im Kreis"fahren!  ;)
Niemand ist gezwungen meine Meinung zu teilen!

moszkva tér

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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #12 am: 01. Februar 2016, 16:17:46 »
Mit einem Paternoster kann/konnte man je eh ganz einfach "im Kreis"fahren!  ;)
Musst aber aufpassen, dass es dich bei der Wendefahrt nicht auf den Kopf haut  :P

95B

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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #13 am: 01. Februar 2016, 16:24:34 »
Mit einem Paternoster kann/konnte man je eh ganz einfach "im Kreis"fahren!  ;)
Musst aber aufpassen, dass es dich bei der Wendefahrt nicht auf den Kopf haut  :P

Da gab es einmal einen Streich mit der versteckten Kamera: Der abwärtsführende Einstieg war gesperrt, die Leute wurden angewiesen, hinaufzufahren, oben herum und wieder hinunter. In den abwärtsfahrenden Kabinen waren lauter kopfstehende Schauspieler zu sehen. :)
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normalbuerger

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Re: [PM] Paternoster: Ein hundertjähriger Dauerläufer
« Antwort #14 am: 02. Februar 2016, 08:54:32 »
http://wien.orf.at/news/stories/2754900/

Ja, dieser Bericht war sehr interessant. Es gibt da etwas, was ich schon als Kind und später als HTL-Absolvent noch viel lieber gesehen hätte: das obere und untere "Ende" eines Paternosters, also die Maschinenräume mit den Schwungrädern, wo die Kabinen von einem Schacht in den anderen wandern. Ich habe es einmal im Rathaus probiert, dort war aber niemand zu finden, der dafür zuständig gewesen wäre bzw. hat man mir allen Ernstes versichert, man wüsste gar nicht, wo genau sich diese Räume befinden und wie man hin- bzw. hineinkommt.

Angesichts der Tatsache, dass der Aufzug zumindest einmal jährlich gewartet wird, wenig glaubhaft, aber was will man machen?  ::)

Ich kann dir versichern, im Rathaus ist der Ort des Triebwerkraums sehr wohl bekannt, der befindet sich ganz klassisch im Dachgeschoss. Dieser Bereich ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Ich kenne diesen Triebwerkraums ganz gut und bin jedesmal sehr fasziniert wie lange es diesen Aufzug schon gibt und er noch immer tagtäglich reibungslos seinen Dienst versieht.
Das einzige was zu Störungen führt sind die Nothalt Knöpfe, aber da handelt es sich immer um menschliches Versagen;)