Nicht nur bei uns geht die ÖV-Infrastruktur den Bach runter, auch in Deutschland schaut's nicht gut aus für die Zukunft:
Baufällige Strecken, defekte Bahnen, veraltete Technik - das Straßenbahnnetz in NRW ist in die Jahre gekommen und für die Sanierung fehlt mancherorts das Geld.
Überall in Nordrhein-Westfalen geht den Betreibern von Bus und Bahn das Geld aus. Kommen wir bald nicht mehr mit der Bahn zur Arbeit? Das könnte durchaus passieren, meint Andreas Knebel von den Essener Verkehrsbetrieben (EVAG): „"Wenn wir kein Geld bekommen, dann ist irgendwann ein sicherer und ordnungsgemäßer Betrieb nicht mehr gewährleistet, dann muss hier der Stadtbahnbetrieb eingestellt werden."“
Die U-Bahnstation am Essener Hauptbahnhof an einem ganz normalen Werktag: 330.000 Fahrgäste transportieren die dortigen Verkehrsbetriebe jeden Tag. Im Stellwerk werden die Bahnen noch immer so gesteuert wie vor 40 Jahren. Alte Relais klackern; sie stellen Weichen und steuern Ampeln. Und wenn ein Relais kaputt geht? Noch gibt es Ersatz, aber nicht mehr lange. „"Für diverse Gruppen (…) hat uns der Hersteller schon vor längerer Zeit eine Abkündigung übermittelt, dass dort diese Ersatzteile nicht mehr zur Verfügung stehen"“, sagt Andreas Knebel von der EVAG. Dann muss umgerüstet werden auf eine andere Technik, dann muss ein neues Stellwerk her, Kostenpunkt: 34 Millionen Euro. Die hat dort aber niemand.
Wer aus dem Essener Zentrum an den Stadtrand fährt, glaubt das sofort. An der Haltestelle Eichbaum zeigt uns Hermann Dumke von der EVAG das Ausmaß des Problems: „"Da ist der Bodenbelag, der überarbeitungswürdig ist. Es sind die Bahnsteigkanten, die wir an dieser Stelle auch erneuern müssen. Da sieht man die Wände, die Wandflächen, die abgehängten Decken. Sie sehen die Beleuchtungsanlagen, die mittlerweile auch in die Jahre gekommen sind."“ So macht das Warten noch weniger Spaß.
Investitionsstau
Veraltete Technik, veraltete Stationen – und die Bahnen sind es auch. Hochkonjunktur herrscht in den Werkstätten der Essener Verkehrsbetriebe. Dort gibt es jedes Jahr mehr zu tun, weil die Bahnen immer älter werden und immer reparaturanfälliger. „"Irgendwann ist auch die älteste Technik nicht mehr zu retten. Dann ist es in so großen Metropolen wie Essen, Dortmund, Köln, Düsseldorf auch ganz schnell vorbei mit der Mobilität"“, sagt Olaf Frei von der EVAG voraus.
Wer sich schon mal gefragt hat, warum Busse ausfallen oder Taktzeiten verlängert werden: Auch das kann mit der Finanzmisere zu tun haben. Und es könnte demnächst immer häufiger passieren, schließt der Verkehrswissenschaftler Professor Gerd Aberle nicht aus: „"Die Fahrgäste kriegen das mit, dass möglicherweise in Zukunft eben Baustellen wegen unterlassener Ersatzinvestitionen ewig zunehmen. Das sind Ausfälle, Sperrungen von Strecken und überfüllte Fahrzeuge und ähnliches."“
Nordrhein-Westfalen bekam als eines der ersten Bundesländer U-Bahnen. Rund 90 Prozent der Kosten finanzierten damals Bund und Land. Jetzt müssten sie wieder ran, für Erneuerungsinvestitionen. Einer Studie der Verkehrsunternehmen kommt auf über eine Milliarde Euro für die nächsten vier Jahre. Aber nur knapp ein Drittel davon könnten Betriebe und Kommunen aufbringen.
Und wer zahlt?
Das Land Nordrhein-Westfalen erklärt auf unsere Nachfrage: der Bund. Und der Bund erklärt auf unsere Nachfrage: das Land. Zitat: „"Die Länder wollten die Zuständigkeit für Regionalverkehr und ÖPNV und hatten (...) Zeit, sich auf diese neue Aufgabe – auch finanziell – vorzubereiten."“
Professor Aberle kennt das Problem: „"Im Personennahverkehr sind es im Grunde viele, die dafür mitverantwortlich sind. Aber keiner will im Augenblick was entsprechend zahlen oder ist bereit, die Verbindlichkeit einzugehen, auch in Zukunft zu zahlen."“
Solange aber die finanzielle Verantwortung hin- und hergeschoben wird, wird es im Öffentlichen Personennahverkehr wohl weiterhin Ausfälle und auch Stilllegungen geben.
Quelle:
http://www.wdr.de/tv/markt/sendungsbeitraege/2012/1022/02_nahverkehr.jspVideo sehr empfehlenswert!
Thema: [DE] Nahverkehr: Marodes Netz (Gelesen 1852 mal)