Autor Thema: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien  (Gelesen 18210 mal)

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13er

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Eine sehr spannende Bildreportage über einen Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien:

http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/1575118/Jahrhundertprojekt_Hochgeschwindigkeitszug-durch-Kalifornien?gal=1575118&index=1&direct&_vl_backlink=%2Fhome%2Fgalerien%2Findex.do&popup

Abgesehen vom Nordosten (Washington, New York, Boston, ...) gibt es in den USA ja kaum irgendwo eine flotte Eisenbahn für den normalen Fernverkehr und nicht ausschließlich für Bahntouristen...
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

Linie 41

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #1 am: 21. März 2014, 18:55:28 »
Bei den Renderings konnte man sich offensichtlich nicht zwischen TGV, Velaro und Talgo entscheiden. ;D
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

Petersil

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #2 am: 23. März 2014, 20:20:31 »
Schaut spannend aus, aber ich frage mich schon, ob man nicht mehr erreichen würde, wenn man das Geld in den bestehenden Bahnverkehr stecken würde.
Derzeit gibt es z.B. zwischen San Francisco und Los Angeles keinen durchgehenden Zugverkehr. Es gibt einerseits eine Strecke, die durch das Kalifornische Längstal führt, aber leider nur bis Bakersfiel, von wo aus man mit dem Amtrak-Bus weiterfahren muss (2h 20 min), weil die Strecke südlich davon (Tehachapi Loop) nur eingleisig ist und deren Betreiber Union Pacific lieber möglichst viele Güterzüge durchschleusen möchte.
Dann gibt es die Strecke, die die Küste entlang führt, aber zwischen San Jose und San Luis Obispo gibt es nur ein Zugpaar pro Tag - und das ist der Nachtzug aus Seattle (Coast Stalight), der oft verspätet ist (und daher Starlate genannt wird). Ansonsten wird einem ernsthaft vorgeschlagen, die 5,5 h von SF bis San Luis Obispo mit dem Amtrak-Bus zu fahren.
Schließlich ist noch ein Problem, dass die Amtrak-Züge San Francisco gar nicht bedienen, sondern irgendwelche Vorortbahnhöfe östlich der Bucht von San Francisco. Dorthin gelangt man entweder mit einem Amtrak-Bus oder mit der U-Bahn BART, Ausnahme ist der Nachtzug aus Seattle, der bei der Umsteigestation zur U-Bahn durchfährt. Theoretisch könnte man mit einem Caltrain-Regionalzug von San Francisco nach San Jose fahren und dort umsteigen, aber das wird nicht beworben, es gibt auch keine durchgehenden Fahrscheine oder gar Fahrgastrechte wie bei uns in der EU, geschweige denn eine Fahrplanauskunft, in der man all das fände.

coolharry

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #3 am: 24. März 2014, 07:03:16 »
Schließlich ist noch ein Problem, dass die Amtrak-Züge San Francisco gar nicht bedienen, sondern irgendwelche Vorortbahnhöfe östlich der Bucht von San Francisco. Dorthin gelangt man entweder mit einem Amtrak-Bus oder mit der U-Bahn BART, Ausnahme ist der Nachtzug aus Seattle, der bei der Umsteigestation zur U-Bahn durchfährt. Theoretisch könnte man mit einem Caltrain-Regionalzug von San Francisco nach San Jose fahren und dort umsteigen, aber das wird nicht beworben, es gibt auch keine durchgehenden Fahrscheine oder gar Fahrgastrechte wie bei uns in der EU, geschweige denn eine Fahrplanauskunft, in der man all das fände.

Warum San Francisco nicht von Fernzügen angefahren wird ist schnell erklärt. Es ist ein Kopfbahnhof der zu 100% auf die Bedürfnisse der Nahverkehrszüge ausgelegt ist. Aber es bestehen ja Pläne die Bahn bis zum neuen Transbay Terminal zu verlängern.
Das Hauptproblem was in Amerika dem ganzen entgegen steht, ist der Absolute Autowahn. Dafür wurden hunderte Kilometer Gleis rückgebaut, abgebaut und zu Asphaltiert. Somit hat man jetzt quasi nur mehr die "Hauptstrecken" und die sind heillos unter dimensioniert. Man stelle sich den Güterverkehr der Westbahn auf einer eingleisigen nicht elektrifizierten Strecke vor.
Amerika wäre hier gut beraten keine Hochgeschwindigkeitsstrecken zu bauen sondern Hochleistungsstrecken. Dann könnten sie in zeitgemäßen Fahrgasttransport anbieten und zum anderen auch den Güterverkehr beschleunigen und damit die Privaten Bahnfirmen ins Boot holen. Aber ohne Milliarden Investition ins Bahnnetz wird's weder das eine noch das andere spielen.
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

moszkva tér

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #4 am: 24. März 2014, 07:09:54 »
Somit hat man jetzt quasi nur mehr die "Hauptstrecken" und die sind heillos unter dimensioniert. Man stelle sich den Güterverkehr der Westbahn auf einer eingleisigen nicht elektrifizierten Strecke vor.
Im Prinzip fährt man in Amerika - bzw. in weiten Teilen davon - immer noch auf der Infrastruktur von vor 100 Jahren herum. Klar, dass ein Zug da nicht konkurrenzfähig zum Auto, Flugzeug und Fernbus sein kann. Dabei wäre SF-LA eine gute Distanz für den Zug (~500 km glaube ich, also sozusagen Wien-München, nur mit 10 x so vielen Einwohnern.)

schaffnerlos

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #5 am: 24. März 2014, 09:33:02 »
Klar, dass ein Zug da nicht konkurrenzfähig zum Auto, Flugzeug und Fernbus sein kann.

Das gilt für den Personenverkehr, kein Zweifel. Im Güterverkehr sind uns die Amis jedoch haushoch überlegen. Ich müsste jetzt suchen, aber ich glaube, dass in den USA knapp 40 Prozent des Warenverkehrs auf der Schiene laufen und in der EU sind es lediglich an die 10 Prozent.

Linie 41

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #6 am: 24. März 2014, 09:54:22 »
Sowas passiert, wenn man mit automatischen Kupplungen, großem Lichtraumprofil und langen Zügen arbeitet – ist in einer großräumigen Landschaft wie den USA aber auch irgendwie einfacher.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

13er

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #7 am: 25. März 2014, 12:05:04 »
In den USA gibt es aber derzeit immerhin ein großes Umdenken hin zu nachhaltigerem Verkehr. Immer mehr Städte beginnen wieder, Straßenbahnen nach dem großen Vorbild Portland zu errichten, den Radverkehr auszubauen, die Eisenbahn zu stärken und beschleunigen usw. Natürlich wird das noch lange dauern, falls sie überhaupt jemals auf europäisches ÖV-Niveau kommen, aber sie bemühen sich immerhin. Nach vielen Jahrzehnten der reinen Autozentriertheit (sogar die Städte wurden so angelegt, dass der Autoverkehr bestens fließen kann).

Irgendwann ist das Öl aus und dann geht es mit den USA ganz schnell bergab, wenn sie jetzt nicht bereits Vorbereitungen treffen.
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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #8 am: 25. März 2014, 12:54:20 »
In den USA gibt es aber derzeit immerhin ein großes Umdenken hin zu nachhaltigerem Verkehr. Immer mehr Städte beginnen wieder, Straßenbahnen nach dem großen Vorbild Portland zu errichten, den Radverkehr auszubauen, die Eisenbahn zu stärken und beschleunigen usw. Natürlich wird das noch lange dauern, falls sie überhaupt jemals auf europäisches ÖV-Niveau kommen, aber sie bemühen sich immerhin. Nach vielen Jahrzehnten der reinen Autozentriertheit (sogar die Städte wurden so angelegt, dass der Autoverkehr bestens fließen kann).

Irgendwann ist das Öl aus und dann geht es mit den USA ganz schnell bergab, wenn sie jetzt nicht bereits Vorbereitungen treffen.
Umgekehrt habe ich letztens irgendwo gelesen, dass im Falle einer republikanischen Regierung vermutlich als erste Handlung Amtrak abgewürgt wird. Erklärung war leider keine dabei.
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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #9 am: 25. März 2014, 17:09:52 »
Umgekehrt habe ich letztens irgendwo gelesen, dass im Falle einer republikanischen Regierung vermutlich als erste Handlung Amtrak abgewürgt wird. Erklärung war leider keine dabei.

Die Erklärung ist ganz einfach: staatlich geförderte oder sogar staatseigene Sachen sind ganz ganz böser Kommunismus. Den Affordable Care Act (a.k.a. Obamacare) haben sie ja auch monatelang verzögert - so schnell kannst gar nicht schauen, wie der bei einer republikanischen Regierung wieder abgeschafft ist. Und das obwohl der für europäische Verhältnisse immer noch ziemlich mager ist.
Mit Amtrak ist es das selbe: Kostet ja nur Geld und steht den privaten Güterbahnen im Weg herum. Und das Gleisnetz muss man auch noch reparieren, wenn man schneller als 30-50 km/h fahren will - auf einigen Strecken tatsächlich die Höchstgeschwindigkeit; die Bahn kann hier nur durch die enormen Zuglängen und das im Vergleich zur Straße extrem große Lichtraumprofil (Stichwort 'double-stack') punkten - aber halt auch nur bei Gütern, wo die Transportzeit keine Rolle spielt.
Liebe Fahrgäste: Der Zug ist abgefahren.

Petersil

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #10 am: 26. März 2014, 14:45:29 »
Die Erklärung ist ganz einfach: staatlich geförderte oder sogar staatseigene Sachen sind ganz ganz böser Kommunismus.
Außer es handelt sich um das Straßennetz, defizitäre Provinzflughäfen oder das Militär.

Mit Amtrak ist es das selbe: Kostet ja nur Geld und steht den privaten Güterbahnen im Weg herum. Und das Gleisnetz muss man auch noch reparieren, wenn man schneller als 30-50 km/h fahren will - auf einigen Strecken tatsächlich die Höchstgeschwindigkeit; die Bahn kann hier nur durch die enormen Zuglängen und das im Vergleich zur Straße extrem große Lichtraumprofil (Stichwort 'double-stack') punkten - aber halt auch nur bei Gütern, wo die Transportzeit keine Rolle spielt.
Das sind oft die Dinge, die bei uns typischerweise mit dem Schiff (sowohl Binnen- als auch Küstenschiff) transportiert werden.

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #11 am: 26. März 2014, 14:47:17 »
Das sind oft die Dinge, die bei uns typischerweise mit dem Schiff (sowohl Binnen- als auch Küstenschiff) transportiert werden.
Was in Amerika natürlich auf Grund der Geographie oft nicht sinnvoll möglich ist.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

moszkva tér

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #12 am: 27. März 2014, 21:43:26 »
Das sind oft die Dinge, die bei uns typischerweise mit dem Schiff (sowohl Binnen- als auch Küstenschiff) transportiert werden.
Was in Amerika natürlich auf Grund der Geographie oft nicht sinnvoll möglich ist.
Also Mississippi/Missouri bieten keine sooo schlechten Binnenschifffahrtsstraßen  :lamp:

Linie 41

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #13 am: 27. März 2014, 22:56:33 »
Also Mississippi/Missouri bieten keine sooo schlechten Binnenschifffahrtsstraßen  :lamp:
Schon, aber Kontinentalquerung ist per Schiff keine möglich.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

moszkva tér

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Re: Jahrhundertprojekt: Hochgeschwindigkeitszug durch Kalifornien
« Antwort #14 am: 28. März 2014, 08:51:01 »
Also Mississippi/Missouri bieten keine sooo schlechten Binnenschifffahrtsstraßen  :lamp:
Schon, aber Kontinentalquerung ist per Schiff keine möglich.
West-Ost nicht, Nord-Süd schon! Vom Michigansee gibt es eine Kanalverbindung in den Mississippi.