In einer Ostblockstadt wäre das Straßenbahnnetz niemals so kahlgeschlagen worden, schließlich waren ja Arbeitskräfte und elektrische Energie quasi umsonst vorhanden.
Dafür wäre das U-Bahnnetz nicht so dicht.
Naja, Ostblock war nicht Ostblock. In Polen und der Tschechoslowakei hat sich die Straßenbahn recht gut gehalten. Auch in Budapest begann der größere Kahlschlag erst nach 1990. Aber in den sowjetischen Großstädten wurde die Straßenbahn weitgehend dem O-Bus geopfert. Die Linienumstellungen begannen in der Regel im Stadtzentrum (im Gegensatz zu Wien, wo man mit Außenstrecken begonnen hat). Deswegen gibt es in vielen Städten die Straßenbahn nur mehr am Stadtrand, und einige Städte haben sogar zwei unzusammenhängende Subnetze (z.B. Kiew, Moskau).
Du gehst mit der Teilung Wiens von anderen Voraussetzungen aus. Hier geht es um die Hypothese, Wien wäre komplett hinter dem Eisernen Vorhang gewesen.
Wäre Wien geteilt geworden, wären eventuell einige Stadtteile (Favoriten) eigen Städte geworden, da kein Anschluss an den Rest Ost-Wiens vorhanden war. Insofern wäre es interessant gewesen, wie sich das auf den Stadtverkehr ausgewirkt hätte.
Vielleicht hätte sich eine polyzentraler urbaner Raum gebildet, analog zu Oberschlesien, beispielsweise. Ein Verdichtungsraum wäre wohl drüber der Donau entstanden (Floridsdorf-Kagran-Groß Enzersdorf), der andere im Süden (Liesing-Favoriten-Schwechat). Die alten Bezirke Wieden, Leopoldstadt und Brigittenau wären wohl komplett (also noch mehr) abgesandelt und nach der Wende sowas ur trendiges wie der Prenzlberg in Berlin geworden.
Das Stadtzentrum von West-Wien wäre wohl nach Westen gewandert, wahrscheinlich in den Bereich Mariahilfer Straße - Westbahnhof.
Die Fragmentierung von Wien hätte man aber auch durch Gebietstäusche verhindern können. Ich nehme einmal an, dass bei einem echten Bau der Bauer der vierte Bezirk als Faustpfand zu den Briten hätte wandern können, dafür hätten die Sowjets einen Teil von Simmering als Korridor bekommen. Oder man hätte Mesopotamien an den Westen geben können im Tausch gegen Simmering und Landstraße.
Die große Frage wäre wohl gewesen, was mit der gemeinsam verwalteten Zone (1. Bezirk) passiert wäre. Vielleicht wäre sie aufgeteilt worden. Oder es wäre eine verbotene Stadt geworden, die man nur mit Sondergenehmigung (bzw. als geführte Touristengruppe unter strengster Bewachung) hätte betreten können.
Wäre eine Wiener Mauer gebaut worden, würde es wahrscheinlich heute große Teile des 4. Bezirks nicht mehr geben. Denn dann wäre ein guter Teil der alten Bausubstanz abgerissen worden für die Mauer samt Vorfeld. Die Mauer wäre auch direkt über Karlsplatz und Schwarzenbergplatz verlaufen, wo man nach 1990 ein super Entwicklungsgebiet wie am Potsdamer Platz vorgefunden hätte. Die Karlskirche würde heute wohl nicht mehr oder nur mehr als Nachbau existieren. Auch die großen Gemeindebauten am Wienerberg (George Washington-Hof) hätten wahrscheinlich dem Mauerbau weichen müssen. Dafür hätte sich die Lainzer Tiergartenmauer im Bereich des 13. Bezirks perfekt als Bauvorleistung angeboten
Wäre ganz Österreich bzw. ganz Wien in den kommunistischen Einflussbereich gekommen, wäre es auch interessant gewesen, welchen Weg die KPÖ wirklich gegangen wäre. Es wäre nicht unvorstellbar gewesen, in den 1970er-Jahren einen Bruch mit der Sowjetunion durchzuführen, zumal es ja im Süden mit Jugoslawien einen starken Partner gegeben hätte, der das auch gemacht hat. Es wäre auch nicht unvorstellbar gewesen, dass sich eher gemäßigte, aufgeklärte Kommunisten durchgesetzt hätten, die sich an den Prager Frühling angehängt hätten. Vielleicht wäre die Sowjetunion 1969 nicht in der Tschechoslowakei einmarschiert, wenn die Tschechoslowakei in der kommunistischen Welt Verbündete gehabt hätte. Dann hätte sich vielleicht ab 1970 in Mitteleuropa ein demokratisierter Kommunismus unter Führung von Dubcek-Havel-Kreisky durchgesetzt, der auch Reformer in an sich komplett verzopften Staaten wie Polen oder der DDR nach oben spülen hätte können.
Genauso hätte Österreich aber auch eine Kleptokratie werden können wie Rumänien unter Ceaucescu - dann wären wohl die Stadtplanungsphantasien aus Hitlers Zeiten wieder ausgegraben worden. Nicht auszudenken!