Autor Thema: Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse  (Gelesen 4606 mal)

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Rodauner

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Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse
« am: 15. Februar 2017, 21:42:34 »
http://www.pressreader.com/austria/die-presse/20170207/281646779877567

EDIT: Der Link scheint inzwischen abgelaufen zu sein, daher hier der volle Artikel:

Hierzulande ist die Verkehrspolitik der Wiener Stadtregierung nicht immer unumstritten. Autofeindlich, ideologiegetrieben oder weltfremd: So lauten vielfach die Vorwürfe.

Jenseits der österreichischen oder europäischen Realität hört sich das jedoch ganz anders an. In den USA haben die drei Wissenschaftler Ralph Buehler, John Pucher und Alan Altshuler in einer Studie für die Harvard University und die Volvo-Stiftung nach Vorbildern gesucht, wie man den enormen Kfz-Anteil in vielen amerikanischen Städten reduzieren könnte. In ihrem Projekt, das nun veröffentlicht wurde, nennen sie Wien als Musterbeispiel.

Warum nicht die hierzulande so gern genannten Städte wie Stockholm, Kopenhagen oder Amsterdam? Weil Österreichs Hauptstadt bei der Zurückdrängung des Kfz-Verkehrs im Lauf der vergangenen 25 Jahre so erfolgreich war wie keine andere hoch entwickelte Metropole. Und weil der Radverkehr in Wien – genauso wie in den USA – bis heute nur eine untergeordnete Rolle im Vergleich zum Gesamtverkehrsaufkommen spielt. 13 Prozentpunkte Rückgang beim Kfz-Anteil seit 1993 (siehe Grafik) haben die Autoren aus ihrer Perspektive beeindruckt. Während damit in Wien „nur“ noch ein Viertel aller Wege mit dem Auto zurückgelegt wird, sind es in San Franciso 46 Prozent, in Seattle 63 und in Las Vegas gar 89.

Evolution statt Revolution

Bei der Suche nach den Gründen haben die Studienautoren im Sommer 2015 Wien besucht, hier recherchiert, mit zahlreichen Entscheidungsträgern und Experten gesprochen. Ihr Fazit ist aus österreichischer Sicht zwar insgesamt nicht überraschend, eröffnet aber in den Details so manch interessante Perspektive von außen. Hauptverantwortlich für den Bedeutungsverlust des Autos ist nach Ansicht von Buehler, Pucher und Altshuler die scheibchenweise betriebene Verkomplizierung und Verteuerung des Individualverkehrs – bei zeitgleichem Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes.

Auch wenn das viele betroffene Wiener womöglich anders sehen: Die Studienautoren bescheinigen der Stadtpolitik dabei durchaus ein Vorgehen mit Gespür und Augenmaß. Verkehrsberuhigung, Parkraumverknappung und Verteuerungen seien nämlich nur langfristig, Stück für Stück, mit zahlreichen Kompromissen und Verhandlungen und damit keineswegs radikal umgesetzt worden. Und genau das, so eine zentrale Erkenntnis der im Fachmagazin „Sustainable Transportation“ (Nachhaltiger Verkehr) erschienenen Arbeit, sei auch der Schlüssel für Erfolg und Akzeptanz der hiesigen Verkehrspolitik.

Demnach waren andere Städte in Deutschland, der Schweiz oder den Niederlanden mit der Einführung von kostenpflichtigen Kurzparkzonen schneller. Keine andere jedoch hätte ihr Projekt so gut überlegt und geplant umgesetzt. Motto: Aus den Fehlern der anderen lernen, mit Pilotprojekten starten, diese anschließend bewerten und erst bei zufriedenstellenden Ergebnissen in den Dauerbetrieb übergehen.
Die gleiche Taktik kam laut Studie beim U-Bahn-Bau zum Einsatz. Auch hier startete Wien „als eine der letzten größeren Städte in Europa“, holte später jedoch mit dem Wissen über die Fehler der anderen deutlich auf.

Bund trug zum Erfolg bei

Dabei begründen die US-Wissenschaftler die Vorbildfunktion Wiens nicht nur mit den Leistungen der Stadtregierung. Sie sagen auch klar, dass der Bau der so wichtigen U-Bahn, und damit der Erfolg der öffentlichen Verkehrsmittel, ohne die 50-Prozent-Beteiligung des Bundes wohl nie möglich gewesen wäre.

Zumindest in Sachen Kostenwahrheit beinhaltet die Studie auch leise Kritik. So habe die verbilligte Wiener-Linien-Jahreskarte (365 Euro) zwar die Zahl der Fahrgäste deutlich gesteigert. Gleichzeitig fiel der Deckungsgrad der Betriebskosten durch Fahrscheineinnahmen dadurch von 60 auf 55 Prozent.

Ebenfalls negativ bewerteten die Studienautoren die Konfliktkultur innerhalb des Rathauses. Zwar sei man dort grundsätzlich bereit gewesen, Auskunft zu geben. Fragen zu kontroversiellen Verkehrsthemen, Fehlern und politischen Tauschgeschäften wollte demnach allerdings niemand beantworten.

4463

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Re: Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse
« Antwort #1 am: 25. Februar 2017, 00:50:53 »
Hahaha, glaube keine Studie, die du nicht selbst gefälscht hast!
Wo ist Wien bitte wirklich autofeindlich? Wien ist im Gegenteil so autogerecht wie es unter den aktuellen Rahmenbedingungen nur geht. Es gibt kaum eine Straße, die nicht zugeparkt ist, es wird - abgesehen vom ruhenden Verkehr - keinerlei ernsthafte Anstrengung unternommen, die Einhaltung der StVO zu kontrollieren. Die Autofahrer können sich gegenüber den Öffis quasi aufführen wie sie wollen, ohne echte Konsequenzen fürchten zu müssen. Die Autos sind gegenüber den Öffis tendenziell bevorrangt.
Et cetera, et cetera, ... ::)
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95B

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Re: Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse
« Antwort #2 am: 25. Februar 2017, 09:32:34 »
Dass in Wien der ÖV-Anteil so hoch ist, liegt am vergleichsweise gut ausgebauten Netz. Und damit meine ich nicht die Bröselgleise und die vollkommen verdreckt-versifft-verwahrlosten Fahrzeuge, sondern die engmaschige Versorgung und die dichten Intervalle. Man vergleiche etwa nur mit anderen, durchaus großen Städten, wo die U-Bahn in der Schwachlastzeit alle 10, die Straßenbahn alle 15-20 und der Bus in der Peripherie alle 20-30 Minuten fährt. Ich behaupte, es liegt hauptsächlich an der Bequemlichkeit, sich für eine ÖV-Tour keine Fahrpläne anschauen zu müssen, weil man nie in Gefahr gerät, längeren fahrplanmäßigen Wartezeiten ausgesetzt zu sein.
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
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Monorail

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Re: Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse
« Antwort #3 am: 25. Februar 2017, 09:50:06 »
Dass in Wien der ÖV-Anteil so hoch ist, liegt am vergleichsweise gut ausgebauten Netz. Und damit meine ich nicht die Bröselgleise und die vollkommen verdreckt-versifft-verwahrlosten Fahrzeuge, sondern die engmaschige Versorgung und die dichten Intervalle. Man vergleiche etwa nur mit anderen, durchaus großen Städten, wo die U-Bahn in der Schwachlastzeit alle 10, die Straßenbahn alle 15-20 und der Bus in der Peripherie alle 20-30 Minuten fährt. Ich behaupte, es liegt hauptsächlich an der Bequemlichkeit, sich für eine ÖV-Tour keine Fahrpläne anschauen zu müssen, weil man nie in Gefahr gerät, längeren fahrplanmäßigen Wartezeiten ausgesetzt zu sein.
Die langen Intervalle entstehen in erster Linie weiter außerhalb, wenn Linien nicht mehr gebündelt fahren. Und längere Wartezeiten hast du bei uns in der Perphiere genauso da und dort, wenn auch nur beim Bus (bestes Beispiel: Transdanubien, Liesing). Uns macht es halt nichts, wenn etliche Straßenbahnlinien im Ferienfahrplan ganztägig 10 Minuten-Takt fahren, wenngleich die Intervalle speziell bei der Straßenbahn in jüngerer Vergangenheit allerorts gedehnt wurden (6' -> 6'40''/7'30'' und 7'30'' -> 10').
Die Haltestellen heißen "Dr.-Karl-Renner-Ring", "Simmering, Grillgasse" und "Kärntner Ring, Oper", Punkt. Stationsnamen haben geographisch korrekt und nicht irreführend zu sein.

95B

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Re: Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse
« Antwort #4 am: 25. Februar 2017, 10:01:19 »
Was bei uns im Ferienfahrplan 10 Minuten sind, sind anderswo eben 15 oder 20.
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moszkva tér

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Re: Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse
« Antwort #5 am: 25. Februar 2017, 10:03:26 »
Wien ist im Gegenteil so autogerecht wie es unter den aktuellen Rahmenbedingungen nur geht.
Es gibt in Wien praktisch auch keine richtigen Staus. Ich meine, so Moskau-mäßig mit einer Stunde pro 500 Meter.
Bei uns spricht man von Stau, wenn man bei einer Ampel drei Phasen verliert oder auf der Tangente in der Kolonne nur 40 fahren kann. Verwöhnt sind sie, die Wiener Autofahrer!

60er

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Re: Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse
« Antwort #6 am: 25. Februar 2017, 10:18:13 »
Dass Las Vegas mit einem Autofahreranteil von 89 Prozent Schlusslicht ist, braucht einen allerdings auch nicht zu wundern. Dort gibt es abgesehen von einigen Buslinien und einer Monorail, die einige Casinos am Strip miteinander verbindet, praktisch keine öffentlichen Verkehrsmittel. Parken ist außerdem immer kostenlos und jedes Casino hat eine riesige Garage.

Das exakte US-amerikanische Gegenteil ist San Francisco. Flächendeckend Kurzparkzonen, Parkplätze sind meist rar bzw. kostenpflichtig, das öffentliche Verkehrsnetz ist sehr dicht und kann durchaus mit jeder europäischen Großstadt mithalten.

Werner1981

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Re: Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse
« Antwort #7 am: 25. Februar 2017, 11:19:14 »
Wo ist Wien bitte wirklich autofeindlich?

Kommst immer auf die Sichtweise an.

Ich kenne einige Leute, die sinngemäß die Meinung vertreten, daß sie NoVA, Versicherung, Autobahnpickerl, Parkpickerl bzw. Parkscheine und was weiß ich noch alles zahlen müssen - die wenigen Parkplätze werden zu Radwegen umgebaut, die grüne Welle ist verschwunden, Radfahrer haben Narrenfreiheit, usw.
Und dann wird die Jahreskarte auch noch vom Steuerzahler subventioniert!

Wattman

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Re: Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse
« Antwort #8 am: 25. Februar 2017, 11:26:22 »
Während damit in Wien „nur“ noch ein Viertel aller Wege mit dem Auto zurückgelegt wird, sind es in San Franciso 46 Prozent, in Seattle 63 und in Las Vegas gar 89.
In den beiden erstgenannten Städten ist der ÖPNV auch - für US-amerikanische Verhältnisse - gut ausgebaut.

Im Übrigen merkt man auch hier wieder das wienerische Sudern & Granteln: da wird der Wiener ÖPNV im Ausland einmal positiv hervorgehoben, und sofort wird der diesbezügliche Artikel angezweifelt. :-\

4463

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Re: Wie die USA Wiens Verkehrspolitik sehen - Die Presse
« Antwort #9 am: 25. Februar 2017, 13:07:38 »
Ich kenne einige Leute, die sinngemäß die Meinung vertreten, daß sie NoVA, Versicherung, Autobahnpickerl, Parkpickerl bzw. Parkscheine und was weiß ich noch alles zahlen müssen - die wenigen Parkplätze werden zu Radwegen umgebaut, die grüne Welle ist verschwunden, Radfahrer haben Narrenfreiheit, usw.
Und dann wird die Jahreskarte auch noch vom Steuerzahler subventioniert!
  • Das einzige, was wirklich komplett lächerlich ist, ist die Abhängigkeit der Steuer von der Motorleistung - insbesondere zumal (leicht) stärkere Autos oft günstiger im Verbrauch (und somit der Umweltbilanz) sind als schwächere.
  • Die Leute sollen froh sein, dass es bei uns die Autobahnvignette gibt. In anderen Ländern blecht man kilometerabhängig - da kann an einem Tag schon mal fast soviel zusammenkommen, wie bei uns die Jahresvignette kostet.
  • Das Parkpickerl ist quasi die Billigversion fürs Dauerparken - auf Privatgrund wäre das Parken nie so günstig (nichtmal am eigenen, wenn man Grundstückspreise und Errichtungskosten des Parkplatzes bzw. der Garage bedenkt).
  • Den Umbau von Parkplätzen in Radwege kann man aber nur aufgrund des wie kritisieren. Die Tatsache, dass Radwege ausgebaut werden liegt klar im öffentlichen Interesse einer Großstadt wie Wien, lediglich die Art der Ausführung ist um nix besser als der Gleisbau der WL. Persönlich würde ich aber auch heute noch nicht in der Stadt radfahren, da dies nach wie vor ein Selbstmordkommando ist, wenn ich mich daran erinnere, wie sich die Autofahrer fast jedesmal verhalten haben, wenn ich in Wien auf Straßen ohne Radweg unterwegs war. :down:
    Aber gut, auch wenn ich mit dem Auto fahre (und mich eben an die StVO halte) werde ich ab und zu mit entsprechendem Verhalten "bedacht" (neulich fuhr ich gegen 20 h die Wattgasse entlang, hinter mir ein BMW. Ich war nach 400 km Autobahn froh, fast daheim zu sein und fuhr gemütlich - d.h. Tacho 45-50 - und blieb bei Ampeln "schon" bei "hellgelb" stehen. Mehr hat der Typ hinter mir nicht "gebraucht": in der Lidlgasse hat er mich in Schlangenlinie rechts überholt und danach geschnitten, missachtete das Stopschild bei der Kreuzung mit der Gersthofer Straße, raste deutlich zu schnell in die 30er-Zone, blieb dort aber recht bald hinter einem anderen - korrekt fahrenden - Auto hängen. Als ich bei der Alsegger Straße war, zuckelte er hinter einem 40er  hinterher und war sichtlich wütend, parkte bei der Messerschmidtgasse mit wilden Lenkbewegungnen rechts ein, nachdem er zuerst blinkend angezeigt hatte, links abbiegen zu wollen - und dies auch schon begonnen hatte). :fp:
  • Die Narrenfreiheit der Radfahrer gehört durch entsprechende Kontrollen und Null-Toleranz ebenso beendet, wie jene der Autofahrer.
  • Die Subvention der Jahreskarte ist ebenso im Interesse der Öffentlichkeit.

Im Übrigen merkt man auch hier wieder das wienerische Sudern & Granteln: da wird der Wiener ÖPNV im Ausland einmal positiv hervorgehoben, und sofort wird der diesbezügliche Artikel angezweifelt. :-\
Was ich getan habe, war hervorzuheben, dass hier eben nicht alles so ist, wie im Artikel behauptet. Wien ist eben alles andere als "autofeindlich". Die Qualität der Öffis ist zu einem Großteil in der Geschichte begründet (enges Netz, später U-Bahn-Bau, dadurch "intaktes" Oberflächennetz). Das aktuelle Management der WL ist eher dabei, die Öffis den Bach runterzuführen - finanziell ebenso wie bezüglich der Infrastruktur. Und daran nimmt sich hoffentlich kein anderer Betrieb ein Beispiel. Vom permanenten Scheitern im Bezug auf technische Einrichtungen und Gestaltung sowie Kommunikation rede ich mal lieber nicht - auch hier gibt es deutlich besser aufgestellte Betriebe.
Zusammenfassend gesagt: mit den Öffis in Wien ist es wie mit dem Tourismus: beide leben vom Erbe früherer Zeiten. ::)
"das korrupteste Nest auf dem weiten Erdenrund"
Mark Twain über die Wienerstadt.