Autor Thema: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern  (Gelesen 22627 mal)

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haidi

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #15 am: 15. Februar 2011, 14:20:57 »
In Frankreich, noch dazu nahe am Meer, ist die Kultur anders, dort zieht es die Menschen viel mehr in den Straßenraum als bei uns - da mag auch das Klima seinen Beitrag dazu leisten. Bei uns darf man eben keine Plätze bauen und darauf hoffen, dass sie sich von selber beleben werden. Das findet nämlich nicht statt. Wo es bei uns funktioniert (Yppenplatz, Gaußplatz), da war erstens schon vorher Leben im Straßenraum vorhanden und zweitens herrscht dort - durch die Zuwanderer - teilweise eben eine Kultur, bei der der Straßenraum ins Leben mit einbezogen wird.

Uns mitteleuropäischen Stadtbewohnern hat man halt blöderweise schon im Kindesalter beigebracht, dass die (von Haus aus gefährliche!) Straße nur dazu da ist, Autos abzustellen. Das wird zumindest noch eine Generation dauern, bis man davon wieder weit genug weg kommt.

Das sind noch die direkten und indirekten Nachwirkungen vom Metternicht - Stichwort Biedermeier, in dem das Leben von der Straße verschwand. Die Monarchie war später auch nicht besonders einladend, ebenso die 1. Republik und der WK II. Und dann kam schon die Leistungsgesellschaft, Ausflüge, Urlaubsreisen, Wochenendhaus... Und Fernsehen kann man am Platz draußen auch schwer, aber so eine große Videowand  könnte Plätze durchaus beleben. :)

Hannes
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moszkva tér

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #16 am: 15. Februar 2011, 14:38:30 »
Und Fernsehen kann man am Platz draußen auch schwer, aber so eine große Videowand  könnte Plätze durchaus beleben. :)
Fernsehen geht schon. Ein Freund von mir ist in einem alpinen Tal aufgewachsen, wo FS2 nicht empfangbar war. Immer am Sonntag ein paar km gefahren, haben den Fernseher an die Autobatterie angeschlossen und Formel 1 geschaut.  :)

Videowände beleben zwar den öffentlichen Raum, sind aber eher unkommunikativ. Man geht ja auch nicht beim ersten Rendezvous ins Kino, wo man sich nicht unterhalten kann.
Veranstaltungen sind aber fürs Beleben des öffentlichen Raumes nicht schlecht.
Übrigens, weil alle vom Wetter reden. Skandinavien hat ein ziemlich pulsierendes Leben auf den Straßen. Der Sommer ist zwar nur sehr kurz, aber wenns einmal schön ist, treffen sich alle im Park und auf den Plätzen.

W_E_St

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #17 am: 15. Februar 2011, 15:11:22 »
Wirklicher Einheitsbrei ist meiner Meinung nach erst nach dem 1. Weltkrieg eingezogen, als plötzlich ganze Siedlungen nach dem selben Bauplan errichtet wurden, ein Haus wie das andere, besonders dann nach dem 2. Weltkrieg.
Das würde ich nicht bedingungslos unterschreiben. Die klassischen Gemeindebauten mit ihren großen, begrünten Höfen haben schon was tolles.
Die neuen Siedlungen ab den 1990ern sind auch tlw. nicht so schlecht, weil die Bauprojekte wieder kleinteiliger wurden, somit wirkt alles besser gegliedert.
Da muß ich präzisieren, die Teil-Aussage mit dem 1. Weltkrieg war nicht auf die große Masse Gemeindebauten bezogen, sondern eher auf die ersten Reihenhaussiedlungen, zum Beispiel auch die reichlich gesichtslose Reihen-Gemeindebausiedlung in der Wolkersbergenstraße (die kann ich leider nicht datieren, könnte auch frühe 50er sein). Bei den frühen Gemeindebauten waren auch wirklich gute Projekte dabei, auch schöne (der Engerthhof gefällt mir z.B. sehr, optisch macht auch Weimarerstr. 8-10 sehr viel her). In den neueren Sieldungen stören mich die zum Teil sehr langen Fußwege im Vergleich zu klassisch erschlossenen Altsiedlungen entlang der großen Radialachsen (mein Lieblingsbeispiel ist da der Bereich zwischen etwa verlängerter Seligmanngasse - Anton-Ochsenhofer-Gasse, Inzersdorfer Friedhof und Traviatagasse - die Verbauung ist kleinteilig und mit viel Grün, aber irgendwie irritieren mich die endlosen Fußwege innerhalb der Siedlungen immer). Der beste Beweis dafür, daß man auch kleinteilige Verbauung eintönig und sinnlos gestalten kann ist Gerasdorferstraße 55 - eine Hausnummer mit jenseits der 200 Stiegen, jeweils kleine zweistöckige Häuser, bei denen man sich sobald die Vorgartenbegrünung die Stiegennummer verdeckt beim besten Willen nicht mehr orientieren kann.

Wirklich katastrophal finde ich nur die Bauten aus den 1960ern bis 1980ern, die waren wirklich einfallslos, sowohl architektonisch als auch von der Bausubstanz her.
In den 50ern gab es auch schon genug Kisten mit 4 rechtwinklig zueinander stehenden Wänden, schuhschachtelartigen Wohnungen und von außen als einziger Konzession an frühere Geschmäcker einem Satteldach. Zweckbauten (und das waren meiner Meinung nach alle Wohnbauten der 50er mit Ausnahme von Luxusvillen, vom Gemeindebau bis zu Eigentumswohnungen im 1. Bezirk, der größte Unterschied ist die Größe der einzelnen Wohnungen, und im Gemeindebau liegt Fichten-Schiffboden, in den Eigentumswohnungen Fischgrätparkett) der 50er sehen alle gleich aus, auffallende Gestaltung gab es eigenlich nur bei öffentlichen Bauten und Geschäftsfronten.

Die Bausubstanz hat sich auch erst Ende der 60er. Anfang der 70er wieder grundlegend verändert, Häuser aus den 50ern und 60ern unterscheiden sich nicht so grundlegend - tragende Wände aus Hohlziegeln oder Beton-Hohlblocksteinen, nichttragende aus den heute gar nicht mehr erhältlichen extradünnen 7cm-Hohlziegeln. Nachdem ich einmal beim Abstemmen der Fliesen in der Küche plötzlich die Steckdosen vom Nachbarn von hinten gesehen habe, hält sich meine Begeisterung für solche Bauten noch mehr in Grenzen.

In den 90ern kamen dann papierdünne Betonmauern auf, die Ende der 90er schon wieder mit Styropor verkleidet wurden um mangelnde Wärmedämmung auszugleichen, Innenwände aus Pappendeckel... pardon Gipskarton. Wenn da eine etwas schwergewichtigere Person stolpert, landet sie im Nebenzimmer. Im Winter sind solche Bauten leicht zu heizen, dafür passen sie sich im Sommer binnen Stunden der Außentemperatur an (mangels thermischer Speichermasse) und sind kaum kühl zu halten, im Gegensatz zum halben bis Dreiviertelmeter Ziegeln bei Bauten von vor 1945.
Im Endeffekt hat man meiner Meinung nach die Wahl zwischen Heizen im Winter und Kühlen im Sommer, wobei ersteres deutlich einfacher zu bewerkstelligen ist - das eierlegende Wollmilchhaus gibt es für mich nicht.

Ich denke ja, dass die Seestadt nicht unbedingt ein Misserfolg sein muss. Das Problem wird sicher nicht sein, dort genügend Bewohner hinzubringen. Das Problem wird eher sein, einen entsprechenden Nutzungsmix herzustellen, damit sie nicht reine Schlafstadt wird.
Genau das ist aber die Gefahr. Außerdem ist die Seestadt meiner Meinung nach zu weit draußen um wirklich als Stadterweiterung wahrgenommen zu werden, sie müßte sich eher als eigenes Zentrum etablieren, was wieder zu Abkapselung führt.
"Sollte dies jedoch der Parteilinie entsprechen, werden wir uns selbstverständlich bemühen, in Zukunft kleiner und viereckiger zu werden!"

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moszkva tér

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #18 am: 15. Februar 2011, 15:21:59 »
Mit "kleinteilig" meinte ich nicht kleinere Gebäude, sondern, dass nicht mehr ganze Siedlungen als Einheitsbrei gebaut wurden. Eher meine ich sowas wie den Leberberg, der zwar innerhalb kurzer Zeit bebaut wurde, aber es waren meherere Bauträger involviert und auch unterschiedliche Architekten, die alle "ihre" Häuser bauen durften.
Im Gegensatz dazu steht z.B. der Rennbahnweg, der eine riesige, uniforme Siedlung ist. Hier ist ohne Hausnummern die Orientierung tatsächlich mühsam.
Inzersdorf und Gerasdorfer Straße ist für mich nicht kleinteilig.

Die Seestadt sollte ja diesbezüglich auch etwas besser sein.

Die Seestadt als Zentrum definieren: Ja, warum nicht. Ein Revival der Bezirks- und Subzentren tut eh not. Nur sollte man nicht vergessen, solche Zentren gäbe es schon in der Nähe (Stadlau, Aspern, Hirschstetten z.B.). Baut man nun ein neues Zentrum, besteht die Gefahr, dass die alten Zentren sterben.

Noch eine Anekdote zur Rigipswand: Ein Freund von mir hat einmal aus Wut gegen die Wand geschlagen und war plötzlich mit seiner Faust im Aufzugsschacht  :D Poster drüber, niemand hats gemerkt.


158er

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #19 am: 15. Februar 2011, 15:35:42 »
Da muß ich präzisieren, die Teil-Aussage mit dem 1. Weltkrieg war nicht auf die große Masse Gemeindebauten bezogen, sondern eher auf die ersten Reihenhaussiedlungen, zum Beispiel auch die reichlich gesichtslose Reihen-Gemeindebausiedlung in der Wolkersbergenstraße (die kann ich leider nicht datieren, könnte auch frühe 50er sein)
Nein, nein, Zwischenkriegszeit paßt schon: Die Siedlung Lockerwiese, wie das Ensemble heißt, wurde von 1928-1932 errichtet und von 1938-1939 erweitert. Kurzfristig hatte die Gemeinde Wien ein großes Interesse an Reihenhaussiedlungen à la "Gartenstadt" (auch die Siedlungen "Am Freihof" im 22. Bezirk oder "Am Rosenhügel" im 13. Bezirk sind da gute Beispiele).  Die Wohnungen werden übrigens noch immer von der Gemeinde Wien vergeben und weisen die längsten Wartelisten für Gemeindewohnungen in Wien auf.

Bei den frühen Gemeindebauten waren auch wirklich gute Projekte dabei, auch schöne (der Engerthhof gefällt mir z.B. sehr, optisch macht auch Weimarerstr. 8-10 sehr viel her).
Ja, Weimarer Straße 8-10 ist ganz toll! Auch manche Gürtel-Gemeindebauten aus den Zwanzigern sind recht gut gelungen!

moszkva tér

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #20 am: 15. Februar 2011, 17:45:11 »
Übrigens, einige der erwähnten Reihenhaussiedlungen aus der Zwischenkriegszeit sind architektonische Kleinode. Die Werkbundsiedlung ist diesbezüglich immer wieder in den Medien.

158er

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #21 am: 15. Februar 2011, 17:50:17 »
Die Werkbundsiedlung würde ich aber nicht als Reihenhaussiedlung bezeichnen, charakterisiert sie sich doch eben nicht dadurch, daß äußerlich idente Häuschen nebeneinander hingeklotzt wurden, sondern im Gegenteil dadurch, daß hier namhafte Architekten der Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts zeigten, wie sie Einfamilienhäuser mit beschränktem Raum beplanen würden - eine klassische Modellhaussiedlung eben. Architektonisch äußerst wertvoll und umso bedauerlicher, daß es um den Erhaltungszustand der allermeisten Häuser gar nicht gut bestellt ist.

haidi

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #22 am: 15. Februar 2011, 19:53:03 »
Vor Jahren habe ich eine Ausstellung gesehen (wars irgendwo in den Ubahn-Katakomben am Westbahnhof?) über die Nachkriegszeit WK I. Da gabs auch einige Tafeln über den Bau solcher Siedlungen in Wien, einige wurden mit Hilfe der Mormonen und mit Selbsthilfe der späteren Bewohner gebaut.

Hannes
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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #23 am: 15. Februar 2011, 20:34:56 »
Wo glaubst du, fließt ein Großteil der Arbeit der Stadtplanung hinein? In die Planung, oder ins Vermarkten?  ;)
Ich verstehe Deine Frage eher als rhetorische Frage, möchte aber dennoch eine Antwort darauf geben: Ich nehme an, Du wird das Vermarkten im Visier gehabt haben. Ich glaube aber nicht, daß zum Zusammensetzen dieser blumenreichen, wiederverwendbaren Textblöcke und inhaltsleeren Sprachfüllsel, wie man sie in den offiziellen Publikationen findet, wirklich viel Arbeit erforderlich ist. Geeignete Profis und "Konsulenten" haben so etwas in kürzester Zeit aus ihrer Mottenkiste ausgegraben und für das jeweilige Projekt zusammengesetzt. Das geht fast so einfach wie das Bestellen von einer Speisekarte, wenn man mit der Materie vertraut ist. Viel reden, aber kaum etwas sagen, ist die Devise.

Ich glaube schon, daß ein Großteil der Arbeit in die Planung hineinfließt. Nur sagt die Quantität nichts über die Qualität aus. Es ist heute leider üblich, die direkt mit einer Sache befaßten und erfahrenen Personen zu umgehen und nicht in die Planung mit einzubinden, sondern diese vollständig externen sogenannten "Experten" zu übertragen, die möglichst keinen Kontakt mit den Betreffenen haben sollen.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand wirklich gerne in Megawohnblöcke ähnlich Brünner Straße, Leberberg etc. einziehen möchte, es sei denn, daß er keine besseren Alternativen hat. In Wien gibt es leider im Gegensatz zu anderen Städten wirklich nicht viele Alternativen. Die Freiheit, sein Heim selbst zu gestalten, wird vermutlich sehr eingeschränkt bleiben. Ich würde mich freuen, einmal vom Gegenteil überzeugt zu werden.

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #24 am: 15. Februar 2011, 20:48:37 »
Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand wirklich gerne in Megawohnblöcke ähnlich Brünner Straße, Leberberg etc. einziehen möchte, es sei denn, daß er keine besseren Alternativen hat. In Wien gibt es leider im Gegensatz zu anderen Städten wirklich nicht viele Alternativen. Die Freiheit, sein Heim selbst zu gestalten, wird vermutlich sehr eingeschränkt bleiben. Ich würde mich freuen, einmal vom Gegenteil überzeugt zu werden.

Wer es sich leisten kann, wohnt eben "individuell" in einer der sich wie Krebsgeschwür ausbreitenden Siedlungen an den Stadträndern im Wienerwald oder im Marchfeld.

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #25 am: 15. Februar 2011, 21:13:52 »
Zitat
Mit "kleinteilig" meinte ich nicht kleinere Gebäude, sondern, dass nicht mehr ganze Siedlungen als Einheitsbrei gebaut wurden.
Gut, da haben wir aneinander vorbeigeredet. Für mich sind beide Komponenten wichtig, Hochhaustürme tragen (salopp gesagt) auch nicht unbedingt dazu bei, die Bodenhaftung der Bewohner sicherzustellen (mein Vater hat mir einmal von einer Studie erzählt, nach der durchschnittlich ab dem 8. Stockwerk bei den meisten Bewohnern ein massiver Realitätsverlust eintritt, verbunden mit dem Unwillen die Wohnung zu verlassen und sich "auf den Boden der Realität" zu begeben). Dem sozialen Zusammenhalt tun riesige Häuser (egal ob in die Horizontale oder die Vertikale gebaut) auch nicht unbedingt gut.

Zitat
Ja, Weimarer Straße 8-10 ist ganz toll! Auch manche Gürtel-Gemeindebauten aus den Zwanzigern sind recht gut gelungen!
Stimmt!
Was mich bei den Zwischenkriegs-Gemeindebauten aus heutiger Sicht zum Teil irritiert sind die kleinen Zimmer mit extrem niedrigen Decken (z.B. der Sandleitenhof wirkt geradezu klaustrophobisch, ich kann mir nicht vorstellen, daß die Deckenhöhe die heute mindestens vorgeschriebenen 2,5m erreicht). Natürlich waren sie zur Bauzeit viel besser als die Zinskasernen, aber nur in der pro Bewohner verfügbaren Fläche. Als Wohnungen an sich wirken die Zimmer-Küche-Wohnungen der Gründerzeit viel großzügiger als alles was später gebaut wurde (wobei teilweise durchaus die nutzbare Fläche bombastischen Gestaltungsdetails untergeordnet wurde, wie etwa 2,5m hohen Flügeltüren zwischen Zimmer und Küche, wo eine 90cm breite Tür auch gereicht hätte).

Einer meiner persönlichen Favoriten der Zwischenkriegszeit, nämlcih sowohl von der Außengestaltung als auch vom Inneren ist die Siedlung Schmelz von Hugo Mayer.

Zitat
Wer es sich leisten kann, wohnt eben "individuell" in einer der sich wie Krebsgeschwür ausbreitenden Siedlungen an den Stadträndern im Wienerwald oder im Marchfeld.
Oder wer es sich nur halb leisten kann in einer der Kleingartensiedlungen an jedem Stadtrand. Was da unter maximaler Ausnutzung der Baukubatur in den letzten 10 Jahren in die Gegend geklatscht wird geht auf keine Kuhhaut. Das Wohnen in so einer Siedlung hat für mich allerdings mit Individualität herzlich wenig zu tun (vom Grundriß des Hauses einmal abgesehen) - auf einem handtuchschmalen Grundstück in direkter Tuchfühlung mit den Nachbarn, geknebelt von den Regeln des Kleingartenvereins (Kindergeschrei verboten, Musikinstrumente im garten verboten, usw. usw.) und den Vorstellungen der Nachbarn, die bei der kleinsten "Verfehlung" gleich einen Aufstand machen als ob man den Untergang des Abendlandes herbeiführen wolle.
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coolharry

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #26 am: 16. Februar 2011, 08:32:17 »
Wer es sich leisten kann, wohnt eben "individuell" in einer der sich wie Krebsgeschwür ausbreitenden Siedlungen an den Stadträndern im Wienerwald oder im Marchfeld.

Wenn dort eben die Wohnung sind die früher in den "Arbeiter Bezirken" waren. Sprich günstige und leistbare Wohnung für die Mittelschicht. Nicht umsonst schauen die Häuser aus wie Zinskasernen. Sie sind welche. Nur halt eben moderne.

Was mich bei den Zwischenkriegs-Gemeindebauten aus heutiger Sicht zum Teil irritiert sind die kleinen Zimmer mit extrem niedrigen Decken (z.B. der Sandleitenhof wirkt geradezu klaustrophobisch, ich kann mir nicht vorstellen, daß die Deckenhöhe die heute mindestens vorgeschriebenen 2,5m erreicht). Natürlich waren sie zur Bauzeit viel besser als die Zinskasernen, aber nur in der pro Bewohner verfügbaren Fläche. Als Wohnungen an sich wirken die Zimmer-Küche-Wohnungen der Gründerzeit viel großzügiger als alles was später gebaut wurde (wobei teilweise durchaus die nutzbare Fläche bombastischen Gestaltungsdetails untergeordnet wurde, wie etwa 2,5m hohen Flügeltüren zwischen Zimmer und Küche, wo eine 90cm breite Tür auch gereicht hätte).

Bau normen waren damals eben Quasi nicht vorhanden. Die einzige, an welche ich mich jetzt erinnern kann, ist das man nur ein paar Stockwerke bauen durfte und deswegen gibts halt ein Erdgeschoss, ein Hochparterre und ein Mezzanin und dann erst den ersten Stock.

Oder wer es sich nur halb leisten kann in einer der Kleingartensiedlungen an jedem Stadtrand. Was da unter maximaler Ausnutzung der Baukubatur in den letzten 10 Jahren in die Gegend geklatscht wird geht auf keine Kuhhaut. Das Wohnen in so einer Siedlung hat für mich allerdings mit Individualität herzlich wenig zu tun (vom Grundriß des Hauses einmal abgesehen) - auf einem handtuchschmalen Grundstück in direkter Tuchfühlung mit den Nachbarn, geknebelt von den Regeln des Kleingartenvereins (Kindergeschrei verboten, Musikinstrumente im garten verboten, usw. usw.) und den Vorstellungen der Nachbarn, die bei der kleinsten "Verfehlung" gleich einen Aufstand machen als ob man den Untergang des Abendlandes herbeiführen wolle.

Entweder hast einen Kleingarten oder du bist neidisch. Und in eiener Wohnung derf ich auch nicht am Sonntag morgen um sechs Tuba spielen üben, warum also in ner Siedlung. Regelwerk hat jetzt nichts mit Kleingartensiedlungen zu tun. Normale Siedlungen in Niederösterreich haben auch so ein Regelwerk. Und da "pickt" der Nachbar nicht unbedingt auf dem anderen drauf.
Ausserdem gilt immer die Regele: Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es zurück! Sprich wenn du deienen Nachbarn nicht blöd kommst werden sie auch dir nicht blöd kommen. Und bei Kindergeschrei können sie sich beim Salzamt beschweren.

Grüße

Harald
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #27 am: 16. Februar 2011, 08:49:55 »
Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand wirklich gerne in Megawohnblöcke ähnlich Brünner Straße, Leberberg etc. einziehen möchte, es sei denn, daß er keine besseren Alternativen hat.
Ich kann mir gut vorstellen, dass viele der dortigen Bewohner am Anfang ganz begeistert waren: Neubauten, "Grünruhelage", geräumiges Umfeld etc. Die Ernüchterung kam erst, als die Leute einige Zeit dort wohnten und draufkamen, dass sie in ihrer "Grünruhelage" massiv auf den Pkw angewiesen sind und die Nachbarn dank der dünnen Wände die "Ruhelage" bisweilen massiv beeinträchtigen...
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
Entklumpertung des Referats West am 02.02.2024 um 19.45 Uhr planmäßig abgeschlossen!

moszkva tér

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #28 am: 16. Februar 2011, 08:59:24 »
Ich kann mir gut vorstellen, dass viele der dortigen Bewohner am Anfang ganz begeistert waren: Neubauten, "Grünruhelage", geräumiges Umfeld etc. Die Ernüchterung kam erst, als die Leute einige Zeit dort wohnten und draufkamen, dass sie in ihrer "Grünruhelage" massiv auf den Pkw angewiesen sind und die Nachbarn dank der dünnen Wände die "Ruhelage" bisweilen massiv beeinträchtigen...
... und wenn am Anfang Grünruhelage, die ist spätestens passé, wenn weitere Häuser rundherum gebaut werden.

coolharry

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Re: Vom Flugfeld zur Seestadt: das Stadterweiterungsgebiet Aspern
« Antwort #29 am: 16. Februar 2011, 10:39:11 »
... und wenn am Anfang Grünruhelage, die ist spätestens passé, wenn weitere Häuser rundherum gebaut werden.

Hatte mal einen Arbeitskollegen, der an die Donaufelderstrasse gezogen ist, mit der Begründung "Weil er beim Kuchlfenster auf a Feld schaut". Keine drei Jahre nach seinem Einzug wurde besagtes Feld mit einem anderen Wohnblock verbaut und er hatte freie sicht auf eine graue Wand + kein natürliches Licht mehr in der Küche und Wohnzimmer. Sein Schluss daraus war, dass er ins Burgenland zurück gezogen ist und seitdem aus Oberwart TÄGLICH mit dem Bus nach Wien fährt.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand wirklich gerne in Megawohnblöcke ähnlich Brünner Straße, Leberberg etc. einziehen möchte, es sei denn, daß er keine besseren Alternativen hat.

Wieso nicht? Als ich am Leberberg gezogen bin (Block entlang der Etrichstrasse), war die Gegend rund um meine Wohnung fertig entwickelt. Kaum mehr Platz für neue Bauten und somit waren auch keine leeren versprechen getroffen worden. Ausserdem sind einige Stadtentwicklungsgebiete gar nicht mal schlecht entwickelt. Ich hab alles was ich brauche rundherum. Okay ich hab bei der Wohnungssuche damals drauf geachtet das zumindest ein Supermarkt zu Fuss zu erreichen war. Es waren aus der Wohnung sogar dann etliches mehr. Gut wenn ich jatzt am Leberberg bei der Simmeringer Hptstr. wohnen täte wären die Fusswege um ein etliches länger und die Auswahl nicht nmehr so gross. Aber es kann auch im dichter Besiedelten bereichen nicht an jeder Ecke ein Geschäft sein. Wenn ich an den 20. denke wo ich früher gewohnt hab, war die Auswahl auch nicht größer aber die Wege etwas kürzer. Kommt halt drauf an wo man hin wollte.

Was mich aber bei solchen Wohnkartons mehr stöhrt, ist die meist irreführende Werbung mit Öffentlichen Verkehrsmitteln die dort gar nicht existieren.
Ein Beispiel: Bei der Dreherstrasse wurde ein Passivhaus errichtet und in der Broschüre stand geschrieben: Öffentliche Verkehrsanbindung: 73,171, U3
kleine Anmerkung für Leute die Gegend nicht gut kennen: die U3 ist von der Anlage etwa 20 Minuten mit dem 71 entfernt (Distanz etwa 4km).

Ein anderes Beispiel: http://www.gesiba.at/web/guest/angebote#more&45&11.,%20Simmeringer%20Hauptstr.%20459-461

Grüße

Harald
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