Autor Thema: [FR] Orleans  (Gelesen 34493 mal)

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #15 am: 23. Juli 2012, 21:40:45 »
Da kommt einem bei der Straßengestaltung in Wien echt nur mehr das Kotzen. Im Vergleich zu den französischen Städten wirkt das alles noch 100-mal schlimmer als es eh schon ist.
Das war aber nicht immer so. Zu Zeiten des Kaisers Franz Josef I. und Bürgermeisters Lueger hat Wien noch ein Gesicht gehabt.
Gerade an den Fotos von tramway.at sieht man, dass eine ansprechende Gestaltung des öffentlichen Raumes nichts mit der Zeit oder einer bestimmten politischen Richtung zu tun hat. (Das schwingt für mich bei dem Statement nämlich ein bisschen mit.)
"Der Raum, wo das stattfand, ist ziemlich groß."
Hans Rauscher

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #16 am: 23. Juli 2012, 22:00:27 »
Gerade an den Fotos von tramway.at sieht man, dass eine ansprechende Gestaltung des öffentlichen Raumes nichts mit der Zeit oder einer bestimmten politischen Richtung zu tun hat. (Das schwingt für mich bei dem Statement nämlich ein bisschen mit.)
Tatsache in Wien ist jedenfalls, daß die damals handelnden Personen etwas zustande gebracht haben, die heutigen aber kaum. Mag bei Dir etwas mitschwingen, was Du herauszulesen glaubst. Wie man aber gerade auch an diesem Beispiel sieht, läßt sich vieles einfach nicht so eindimensional in ein Rechts-Links- oder Freund-Feind-Schema einordnen, wie es uns der heutige Zeitgeist einzureden versucht. Es bleibt Dir überlassen die Parameter herauszufinden, die damals solch großartige Entwicklungen ermöglicht haben, und jene, die heute ähnliche Entwicklungen verhindern.

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #17 am: 23. Juli 2012, 22:10:29 »
Gerade an den Fotos von tramway.at sieht man, dass eine ansprechende Gestaltung des öffentlichen Raumes nichts mit der Zeit oder einer bestimmten politischen Richtung zu tun hat. (Das schwingt für mich bei dem Statement nämlich ein bisschen mit.)
Tatsache in Wien ist jedenfalls, daß die damals handelnden Personen etwas zustande gebracht haben, die heutigen aber kaum. Mag bei Dir etwas mitschwingen, was Du herauszulesen glaubst. Wie man aber gerade auch an diesem Beispiel sieht, läßt sich vieles einfach nicht so eindimensional in ein Rechts-Links- oder Freund-Feind-Schema einordnen, wie es uns der heutige Zeitgeist einzureden versucht. Es bleibt Dir überlassen die Parameter herauszufinden, die damals solch großartige Entwicklungen ermöglicht haben, und jene, die heute ähnliche Entwicklungen verhindern.

Das hat weniger mit politischen Richtungen zu tun, sondern damit, dass ein Großteil der Kulturbürgerschicht von den Nazis ausgerottet oder vertrieben wurde. In der Vorkriegszeit hat man in Wien den selben guten Geschmack gehabt wie überall anderswo auch (im Modebereich war Wien sogar mit Paris und - ich glaube - Berlin führend). Der Sieg von Biertisch und Proletentum über Niveau und Kultur ist bis heute nicht überwunden. In jedem Dorf in Italien, Frankreich, Spanien oder sonst wo hat jeder einfache Handwerker mehr Gefühl als die hiesigen Dumpfbacken.
Harald A. Jahn, www.tramway.at

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #18 am: 23. Juli 2012, 22:20:17 »
Das hat weniger mit politischen Richtungen zu tun, sondern damit, dass ein Großteil der Kulturbürgerschicht von den Nazis Nationalsozialisten ausgerottet oder vertrieben wurde. In der Vorkriegszeit hat man in Wien den selben guten Geschmack gehabt wie überall anderswo auch (im Modebereich war Wien sogar mit Paris und - ich glaube - Berlin führend). Der Sieg von Biertisch und Proletentum über Niveau und Kultur ist bis heute nicht überwunden. In jedem Dorf in Italien, Frankreich, Spanien oder sonst wo hat jeder einfache Handwerker mehr Gefühl als die hiesigen Dumpfbacken.
;D ;D ;D  :up:  :up:  :up: Wie wahr!
Leider.  :'(  :'(  :'(

Edit: Wobei aber zur Vollständigkeit dieser Aussage schon zu ergänzen wäre, daß es eine politische Strömung gegeben hat, die den Ausspruch "Proletarier aller Länder vereinigt Euch!" auf ihre Fahnen geschrieben hat, auch wenn das jetzt für den hier besprochenen Sachverhalt nicht unbedingt direkt anwendbar ist, da diese Strömung bei uns bis auf den Nationalsozialismus nie einen übermäßigen Einfluß gehabt hat.

moszkva tér

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #19 am: 23. Juli 2012, 22:29:16 »
Das hat weniger mit politischen Richtungen zu tun, sondern damit, dass ein Großteil der Kulturbürgerschicht von den Nazis ausgerottet oder vertrieben wurde. .... In jedem Dorf in Italien, Frankreich, Spanien oder sonst wo hat jeder einfache Handwerker mehr Gefühl als die hiesigen Dumpfbacken.
In Italien und Spanien sind die Faschisten auch nicht gerade nett mit der sog. Kulturbürgerschicht umgegangen. Der Unterschied muss auch irgendwo anders begründet sein.

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #20 am: 23. Juli 2012, 22:43:02 »
Edit: Wobei aber zur Vollständigkeit dieser Aussage schon zu ergänzen wäre, daß es eine politische Strömung gegeben hat, die den Ausspruch "Proletarier aller Länder vereinigt Euch!" auf ihre Fahnen geschrieben hat, auch wenn das jetzt für den hier besprochenen Sachverhalt nicht unbedingt direkt anwendbar ist, da diese Strömung bei uns bis auf den Nationalsozialismus nie einen übermäßigen Einfluß gehabt hat.
Nur, daß die Kommunisten in Frankreich, England, Italien oder sonst wo, mit Sicherheit mehr Einfluß hatten als sie es je in Österreich hatten – also daran kann's definitiv bei uns nicht gelegen haben. Und im übrigen hat uns sogar der Dinosaurier Deutschland heute einiges voraus und die Deutschen hatten nach dem Krieg die gleichen Voraussetzungen.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #21 am: 23. Juli 2012, 22:54:05 »
In Italien und Spanien sind die Faschisten auch nicht gerade nett mit der sog. Kulturbürgerschicht umgegangen. Der Unterschied muss auch irgendwo anders begründet sein.
Ich wäre beim Gebrauch des Begriffes Faschismus sehr vorsichtig. Der wird heute oft als Kampfbegriff gebraucht, der dann aber sehr unterschiedliche Systeme bezeichnet. Die Situationen in Italien (Faschismus), Spanien, Österreich und Deutschland (Nationalsozialismus) waren sehr unterschiedlich, zu unterschiedlich, um sie in einen Topf zu werfen.

Aber sicher sind diese Unterschiede nicht die einzigen, die die genannten Resultate hervorgebracht haben. In Österreich und speziell in Wien hat sicher der Nationalsozialismus den größten Schaden angerichtet. Aber auch Mentalitätsunterschiede spielen sicher eine Rolle. Nicht zu vergessen auch die fehlende Monarchie: Die k. u. k. Monarchie war ein viele Völker umfassendes, großes Gebilde mit einem weiten, geistigen Horizont. Das kleine Nachkriegsösterrech war ein Zwerg, das sich zum großen Teil in der Zwischenkriegszeit noch den alten, geistigen Horizont bewahrt hat, der dann größtenteils durch die Nationalsozialisten ausgelöscht wurde.

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #22 am: 23. Juli 2012, 23:13:21 »
Gerade an den Fotos von tramway.at sieht man, dass eine ansprechende Gestaltung des öffentlichen Raumes nichts mit der Zeit oder einer bestimmten politischen Richtung zu tun hat. (Das schwingt für mich bei dem Statement nämlich ein bisschen mit.)
Tatsache in Wien ist jedenfalls, daß die damals handelnden Personen etwas zustande gebracht haben, die heutigen aber kaum. Mag bei Dir etwas mitschwingen, was Du herauszulesen glaubst. Wie man aber gerade auch an diesem Beispiel sieht, läßt sich vieles einfach nicht so eindimensional in ein Rechts-Links- oder Freund-Feind-Schema einordnen, wie es uns der heutige Zeitgeist einzureden versucht. Es bleibt Dir überlassen die Parameter herauszufinden, die damals solch großartige Entwicklungen ermöglicht haben, und jene, die heute ähnliche Entwicklungen verhindern.
Bei deinem Lob eines - zumindest zu Beginn - absolut regierenden Monarchen und eines in seiner Regierungszeit amtierenden konservativen Bürgermeisters, der nur einer kleinen Minderheit der Wiener verpflichtet war, muss es schon gestattet sein, dass jemand hieraus eine gewisse Tendenz hinausliest.

Ich erinnere mich gerade an dieses Gedicht von Bert Brecht:
Zitat
Fragen eines lesenden Arbeiters

Wer baute das siebentorige Theben
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon,
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war,
Die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Über wen
Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
Brüllten doch in der Nacht, wo das Meer es verschlang,
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?
Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?

So viele Berichte,

So viele Fragen.
"Der Raum, wo das stattfand, ist ziemlich groß."
Hans Rauscher

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #23 am: 23. Juli 2012, 23:19:18 »
Die k. u. k. Monarchie war ein viele Völker umfassendes, großes Gebilde mit einem weiten, geistigen Horizont.
Der geistige Horizont der meisten Menschen war auch damals nicht besonders groß. Er ist nur noch kleiner geworden als man in der Zwischenkriegszeit und im zweiten Weltkrieg der geistigen Elite den Garaus gemacht hat – was zum Teil darauf zurückzuführen ist, daß sie zu einem großen Teil von Juden gestellt wurde.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #24 am: 24. Juli 2012, 01:11:29 »
Mag sich jemand, der in Photoshop begabt ist, hinsetzen und in das Vorher-Foto einen typischen Wiener Oberbau als abschreckenden Kontrast hineinbasteln? Komplett mit Masten an allen Ecken und Enden und natürlich Großflächenplatten...
"Sollte dies jedoch der Parteilinie entsprechen, werden wir uns selbstverständlich bemühen, in Zukunft kleiner und viereckiger zu werden!"

(aus einer Beschwerde über viel zu weit und kurz geschnittene Pullover in "Good Bye Lenin")

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #25 am: 24. Juli 2012, 08:31:49 »
In Italien und Spanien sind die Faschisten auch nicht gerade nett mit der sog. Kulturbürgerschicht umgegangen. Der Unterschied muss auch irgendwo anders begründet sein.
Ich wäre beim Gebrauch des Begriffes Faschismus sehr vorsichtig. Der wird heute oft als Kampfbegriff gebraucht, der dann aber sehr unterschiedliche Systeme bezeichnet. Die Situationen in Italien (Faschismus), Spanien, Österreich und Deutschland (Nationalsozialismus) waren sehr unterschiedlich, zu unterschiedlich, um sie in einen Topf zu werfen.
Klar kann man das nicht direkt vergleichen, das war auch nicht meine Absicht, weil man sonst Gefahr läuft, die Verbrechen eines Regimes zu relativieren.

Nur zu Spanien: Als was statt "Faschismus" würdest du denn die Franco-Diktatur sonst bezeichnen? Und die hat sogar gut zwei Generationen länger gedauert, als die faschistischenautoritären Regimes im westl. Mitteleuropa.

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #26 am: 24. Juli 2012, 10:24:04 »
Mag sich jemand, der in Photoshop begabt ist, hinsetzen und in das Vorher-Foto einen typischen Wiener Oberbau als abschreckenden Kontrast hineinbasteln? Komplett mit Masten an allen Ecken und Enden und natürlich Großflächenplatten...

Das wird aber viel Arbeit (vor allem die Stangln und Schnürln); einfacher wär's wohl architektonisch ähnliche Situationen zu finden...  ;)
Liebe Fahrgäste: Der Zug ist abgefahren.

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #27 am: 01. Oktober 2014, 20:54:27 »
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Habe 2011 ne kleine Frankreichtour hinter mich gebracht, allerdings mit einem französischen Oldtimer ;)

Orleans war mit dabei und das einzige Foto mit einer Straßenbahn seht ihr oben. Das Rasengleis hat mich damals vom Hocker ghaut und mir unverständlich was die Stadt Wien beim 25er aufgführt hat Nähe Donauzentrum trotz Neubaustrecke.

Übrigens hab ich die Linien mit für Wienverhältnisse langen Intervallen in Erinnerung (10min oder gar 12?) und auf die Nächste warten weil voll brachte in Orleans nix. Die Nächste war genauso voll.

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #28 am: 01. Oktober 2014, 23:07:34 »
Die Intervalle sind sicher etwas, wo Wien nach wie vor sehr positiv hervorsticht. Allerdings sind die Intervalle leider nicht alles. Dinge wie die verhunzten Rasengleise in fast ganz Wien fügen sich aber ganz gut in die Wurschtigkeit ein, die im Bereich der Stadtgestaltung hier leider allzuoft herrscht.
"das korrupteste Nest auf dem weiten Erdenrund"
Mark Twain über die Wienerstadt.

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Re: [FR] Orleans
« Antwort #29 am: 02. Oktober 2014, 12:14:01 »
Hat eigentlich mal wer ein Foto an zuständige Stellen gesendet mit der Frage, warum man in Wien dazu nicht in der Lage ist?