Autor Thema: Stadtarchäologie  (Gelesen 27057 mal)

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martin8721

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #45 am: 13. November 2019, 19:26:54 »
In der Favoritenstraße 60 kam kürzlich eine alte Werbeaufschrift wieder zum Vorschein, die vermutlich schon über 100 Jahre auf dem Buckel hat und die letzten Jahrzehnte im Verborgenen lag.  :)
Gestern bin ich dort vorbeigefahren und habe festgestellt, dass diese alte Werbetafel mittlerweile entfernt worden ist, stattdessen sieht man nur noch alte Ziegelsteine. Die Werbung dürfte dort zumindest bis Anfang Juli 2019 sichtbar gewesen sein.

Wie ich festgestellt habe, wurde die Werbetafel von Restauratoren professionell abgenommen und kam ins Wien Museum!  :o  :up:
Hier gibt es auch ein Video dazu:

https://magazin.wienmuseum.at/geschaeftsbeschriftung

Und es gibt ein paar historische Erläuterungen zu dieser Geschäftbeschriftung:

"Das Geschäft war 1906 von Adolf Grünsfeld gegründet worden, nach dessen Tod 1930 übernahm sein Sohn Hans die Leitung. 1938 wurde es liquidiert und sämtliche Vermögenswerte von den NS-Behörden eingezogen. Hans Grünsfeld gelang 1939 die Flucht nach Bolivien, wo er 1955 Selbstmord verübte. Die Geschäftsbeschriftung soll in der neuen Dauerausstellung des Wien Museums ein zentrales Zeugnis für das Schicksal der Wiener Juden in der Zeit des Nationalsozialismus werden. Um die extrem in Mitleidenschaft gezogene Wandmalerei überhaupt retten zu können, legte sich Restauratorin Anna Boomgaarden und ihr Team - bestehend aus Annette Sturm, Christiane Maier, Franziska Schubert, Lea Huck und Martin Pliessnig - voll ins Zeug".

tramway.at

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #46 am: 27. Mai 2020, 22:13:47 »
Ich habe da 1992 am Westbahnhof bei der Schweglerbrücke diese Schilder fotografiert - stammen die aus der Besatzungszeit, oder hat es mit der russischen Schrift eine andere Bewandtnis?
Harald A. Jahn, www.tramway.at

benkda01

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #47 am: 27. Mai 2020, 23:35:46 »
Das ist serbisch.

Vento66

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #48 am: 27. Mai 2020, 23:57:47 »
Das linke Schild wohl eher nicht.

Landstraße

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #49 am: 28. Mai 2020, 00:00:49 »
Das linke Schild wohl eher nicht.
Doch, da steht genau das gleiche wie am rechten.

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #50 am: 28. Mai 2020, 00:11:27 »
Das linke Schild wohl eher nicht.
Doch, da steht genau das gleiche wie am rechten.

dh, das ist serbisch in kyrillischen Buchstaben, also nicht russisch?
Harald A. Jahn, www.tramway.at

25er

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #51 am: 28. Mai 2020, 00:18:22 »
Serbisch verwendet das kyrillische Alphabet (ganz links), Kroatisch das Lateinische (ganz rechts).

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #52 am: 28. Mai 2020, 00:49:28 »
Serbisch verwendet das kyrillische Alphabet (ganz links), Kroatisch das Lateinische (ganz rechts).
Serbisch verwendet sowohl das kyrillische als auch das lateinische Alphabet. ;)
Das kyrillische wird aber häufiger genutzt.

25er

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #53 am: 28. Mai 2020, 00:55:45 »
Ein Grund mehr, warum die selbstaufgezwungene Aufteilung der gemeinsamen Sprache (egal, wie man sie nennen will) dort unten so absurd ist.

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #54 am: 28. Mai 2020, 09:05:47 »
Serbisch verwendet das kyrillische Alphabet (ganz links), Kroatisch das Lateinische (ganz rechts).

Ah, jetzt ist alles klar, danke. Das heißt, das Schild wandte sich wohl an die Jugoslavischen Gastarbeiter; das ist die Einfahrt zur ÖBB-Traktion. Bleibt nur die Frage, warum man sich die Mühe der Übersetzung gemacht hat.
Harald A. Jahn, www.tramway.at

darkweasel

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #55 am: 28. Mai 2020, 09:06:41 »
Serbisch verwendet das kyrillische Alphabet (ganz links), Kroatisch das Lateinische (ganz rechts).
Serbisch verwendet sowohl das kyrillische als auch das lateinische Alphabet. ;)
Das kyrillische wird aber häufiger genutzt.
Ich habe mir von einem Serben sagen lassen, dass die Regierung vor allem das kyrillische verwendet, die Privatwirtschaft vor allem das lateinische. Die serbischsprachige Wikipedia hat, um dem Rechnung zu tragen, beispielsweise die Möglichkeit, umzuschalten, ob du den genau gleichen Text in kyrillischer oder lateinischer Schrift lesen willst.

moszkva tér

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #56 am: 28. Mai 2020, 09:20:38 »
Ich habe mir von einem Serben sagen lassen, dass die Regierung vor allem das kyrillische verwendet, die Privatwirtschaft vor allem das lateinische. Die serbischsprachige Wikipedia hat, um dem Rechnung zu tragen, beispielsweise die Möglichkeit, umzuschalten, ob du den genau gleichen Text in kyrillischer oder lateinischer Schrift lesen willst.
In der Zeit Jugoslawiens wurde die Verwendung der Lateinschrift forciert. Nach der Unabhängigkeit wurde die kyrillische Schrift wieder populärer, um sich von den kroatischen Nachbarn, die ja beinahe dieselbe Sprache sprechen, abzugrenzen.

Bei meinen Serbien-Reisen mit dem Auto beispielsweise waren Mitte der 2000er noch die meisten Wegweiser lateinisch angeschrieben. Inzwischen wurden sie offensichtlich alle auf kyrillisch-lateinisch ersetzt. In der Republika Srpska (Bosnien) waren die Wegweiser damals schon rein kyrillisch, ich weiß nicht, wie das heute ist.

Die Sprachen des kyrillischen Alphabets kann man übrigens gut anhand von bestimmten Buchstaben erkennen. Faustregel: Im kyrillischen Alphabet wird für jeden Laut ein Zeichen verwerdet, und zwar als "neuer" Buchstabe. In der lateinischen Schrift wird eher ein diakritisches Zeichen verwendet (Akzent o.Ä.). So kann man von Serbisch bis Tadschikisch (identisch mit Farsi) die Sprachen gut unterscheiden.

fr3

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #57 am: 28. Mai 2020, 14:16:36 »
Ich habe da 1992 am Westbahnhof bei der Schweglerbrücke diese Schilder fotografiert - stammen die aus der Besatzungszeit, oder hat es mit der russischen Schrift eine andere Bewandtnis?
Um nochmals auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Die Schilder dürften aus den 1970ern stammen, als ausländische Arbeitskräfte (damals schlicht Gastarbeiter) vornehmlich aus Jugoslawien kamen und dieses noch ein Land mit einer Amtssprache (und zwei Schriften) war. Heute sind es 7-9 Länder mit 6-7 Sprachen...

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #58 am: 28. Mai 2020, 17:16:04 »
Ich habe da 1992 am Westbahnhof bei der Schweglerbrücke diese Schilder fotografiert - stammen die aus der Besatzungszeit, oder hat es mit der russischen Schrift eine andere Bewandtnis?
Um nochmals auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Die Schilder dürften aus den 1970ern stammen, als ausländische Arbeitskräfte (damals schlicht Gastarbeiter) vornehmlich aus Jugoslawien kamen und dieses noch ein Land mit einer Amtssprache (und zwei Schriften) war. Heute sind es 7-9 Länder mit 6-7 Sprachen...

Auf Wien bezogen würde ich das ab ca 1966 schätzen, wo erstmals im grossen Stil Gastarbeiter angeworben wurden. Diese Gastarbeiter suchten mangels entsprechender Einrichtungen ihren sozialen Kontakt im öffentlichen Raum oder an vermeintlich abgelegenen Plätzen. Berüchtigt war der Südbahnhof, wo ab dem frühen Abend und an Wochenende je nach Zuspruch aus der Korbflasche laut musiziert und getanzt wurde.  Ab ca 1970 etablierten sich Lokale und Vereine und das Problem löste sich selbst. Für mich ist erstaunlich, dass diese Schilder in der Landessprache und noch dazu in zwei Schriften angebracht wurden. Das war nach damaliger Mentalität absolut unüblich und lässt auf grosse Verzweiflung schliessen.

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Re: Stadtarchäologie
« Antwort #59 am: 28. Mai 2020, 18:29:49 »
Diese Gastarbeiter suchten mangels entsprechender Einrichtungen ihren sozialen Kontakt im öffentlichen Raum oder an vermeintlich abgelegenen Plätzen. Berüchtigt war der Südbahnhof, wo ab dem frühen Abend und an Wochenende je nach Zuspruch aus der Korbflasche laut musiziert und getanzt wurde.

Die Freizeit durfte natürlich möglichst wenig kosten, schließlich trachtete man danach, möglichst viel des verdienten Geldes in die Heimat mitnehmen zu können. Logisch, dass die also nicht zum Wirten gingen.
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
Entklumpertung des Referats West am 02.02.2024 um 19.45 Uhr planmäßig abgeschlossen!