Ich wäre größter Fan der U-Bahn, wenn es eine seriöse, öffentich verfügbare und Alternativen thematisierende Kosten-Nutzen-Untersuchung gäbe, in der das U-Bahn-Kreuz sich als effektivste und effizienste Maßnahme zur Erreichung fest definierter Ziele herausstellt.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung dürfte ähnlich nachvollziehbar oder angreifbar sein wie eine zur Errichtung von neuen Parks. In beiden Fällen müssten die messbaren und die empfundenen Vorteile für die Bevölkerung einfließen. Jeder will schnell(er) von A nach B kommen. Und wie wir wissen, wird die Geschwindigkeit subjektiv empfunden. Da hat es doch die Diskussion gegeben, dass die Fahrt von Hietzing zum Westbahnhof mit U4 und U6 als kürzer empfunden wird als die objektiv kürzere mit dem 60er.
Eine Kosten-Nutzen-Rechnung betrachtet nicht die Auswirkungen auf die Reisezeit für jede/n einzelne/n Bürger/in, sondern die gesamtstädtischen Auswirkungen einer Maßnahme und ihrer Alternativen - im positiven wie im negativen, um sie dann gegenüberzustellen.
Das setzt natürlich auch konkret formulierte Ziele voraus. Im Falle des U-Bahn-Kreuzes wird übrigens allenfalls am Rande mit kürzeren Reisezeiten argumentiert, sondern mit einer Entlastung besonders stark nachgefragten Streckenabschnitte aller WL-Verkehrsträger; auch die Verlagerung von MIV-Anteilen hin zum Umweltverbund ist ein Argument, dem ja sogar um den Jahreswechsel rum eine Plakatkampagne gewidmet wurde (wenn auch indirekt, über den Hebel Klimaschutz).
Nun fällt halt bei den besonders stark belasteten U-Bahn-Abschnitten auf, dass es just die sind, die in hohem Maße Kurzstreckenverkehr mit übernehmen müssen, weil es keine parallelen "kleinräumigeren" öffentlichen Verkehrsmittel gibt und/oder die Fahrradwege eine absolute Zumutung sind. Der 13A ließe sich auf Straßenbahnen umstellen, für 6er und 18er längere Züge beschaffen, die U6 zusätzlich durch eine S-Bahn-Linie zwischen Vororte-Bahn und Meidling entlasten. Eine seriös arbeitende Stadtregierung würde diese Alternativen untersuchen (z.T. auch nur einzelne), messen, zu wie viel Prozent sie das Ziel erreichen und natürlich auch die Kosten dafür berücksichtigen (wenn eine Maßnahme nur 80 % der Ziele des U-Bahn-Baus erreicht, aber nur 20 % kostet, wäre sie dennoch überlegenswert) - und das ganze veröffentlichen. Sicher werden nur wenige eine pdf mit dreistelliger Seitenzahl und viel Fachsprache lesen, aber allein der Umstand, dass sie es tun könnten, dürfte für einen großen Qualitätssprung in der Abwägung zwischen den Alternativen sorgen.
Analog würde eine seriös arbeitende Stadtregierung das gleiche auf den Modal Split bezogen tun. Welche Auswirkungen auf den Modal Split erhofft man sich? Welche flankierenden Maßnahmen sind dafür notwendig? Wenn man nämlich einfach nur U-Bahnen baut, an der Oberfläche aber einfach alles so lässt, wie es ist, wird mittelfristig allenfalls Verkehr induziert, aber sicher keiner auf die Öffis verlagert. Die Kapazitäten auf der Straße, die durch Umsteigende zur U-Bahn gewonnen werden, füllen sich innerhalb weniger Jahre wieder, wenn man nichts tut. Und was ist dann gewonnen?
Und weil das Gewackle der U-Bahn subjektiv als "rasend schnell" im Vergleich zum Oberflächenverkehrsmittel empfunden wird, betonieren wir eine Milliarde in den Boden? Im innerstädtischen Bereich ist man praktisch überall langsamer als 1970 unterwegs, wenn man das damalige Netz als Referenz nimmt! (Stephansplatz - Großfeldsiedlung ist natürlich heute deutlich schneller, aber die U2/5 beschleunigt fast keine heute typische Relation)
Richtig - zum einen hat ja das wahrscheinlich langsamste Straßenbahnnetz Mitteleuropas noch einiges an Beschleunigungspotential, und zum anderen zählt eben die Zeit von Tür zu Tür. Ich habe vor einiger Zeit im südlichen Stuwerviertel gewohnt - wenn ich zum Stubentor wollte, musste ich eine Station U-Bahn, eine Station S-Bahn und eine Station U-Bahn fahren (alternativ konnte ich die beiden U-Bahn-Abschnitte auch durch Fußwege ersetzen) - dass soll schneller und bequemer als eine durchgehende Straßenbahn sein, zumal bei fehlgeplanten Umsteigestationen wie dem Praterstern?
Es sollte halt in Wien mal ankommen, dass U-Bahnen eine andere Aufgabe haben als Straßenbahnen und Busse. Sie sind eine großartige Ergänzung zu deren Netz, gerade auf langen Strecken, aber eben kein Ersatz.