Ich denke, die Antwort ist komplex und entsteht aus einer unguten Gemengelage.
Da war einmal der seltsame Minderwertigkeitskomplex, der im Slogan "Wien wird wieder Weltstadt" überall spürbar war.
Dann die Eröffnung der ersten U-Bahn 1976 (Probebetrieb) bzw 02/1978 (U1), als an der Oberfläche noch M und B - Züge fuhren - neben den vielen lächerlichen L-Zweiachsern. Die U-Bahn war im grauen Nachkriegs-Wien das erste moderne Element überhaupt und fühlte sich an wie ein Ding aus einer anderen Welt.
Wo die U-Bahn gebaut wurde, wurde es auch an der Oberfläche schöner: Fußgängerzonen, Aufwertung, Stadterneuerung - genau die Dinge, mit denen man in Frankreich auch bei den Bürgern punktet, wenn eine neue Tramway kommt.
Was die Straßenbahn betrifft, konnten mit der U-Bahn wohl einige Gewohnheiten abgeschüttelt werden, die bei der von der Gewerkschaft geprägten Tramway weiter existierten. Übrigens, auch andere gewerkschaftlich geprägte Betriebe wie zB die Post waren damals ähnlich am Sand!
Während also die Tramway, bedrängt vom Autoverkehr und unbeschleunigt, dahingrundelte, war man mit der U-Bahn in 6 Minuten vom Reumann- am Karlsplatz - ganz klar, dass das die Zukunft war und die Straßenbahn kein Prestige hatte und kaum mehr Beachtung bekam.
Darüber hinaus spielt mit, dass die Verantwortlichen sowohl im Rathaus als auch bei den WiLi eine selbstgefällige "mir san mir"-Stimmung pflegen, die sich aus der inzwischen unendlich langen und auf den ersten Blick unabänderlichen sozialdemokratischen Anführerschaft speist, wobei das auch noch häufig mit wenig Bildung verbrämt ist (die Bildungsbürgerschicht wurde ja vom 1000jährigen Adolf erfolgreich in die KZs verbracht). Ich merke das besonders deutlich, wenn ich es mit Leuten von Verkehrsbetrieben in Frankreich zu tun habe - das ist ein völlig anderes Niveau.
In weniger entwickelten Gesellschaften (zB ehemaliger Ostblock) spielt das Auto eine wesentlich wichtigere Rolle als in westlichen Kulturnationen; Österreich ist da immer noch zwischen Ost und West. Während aber in einigen "Ostblock-Städten" nach dem Untergang des Kommunismus komplett neue Teams aufgestellt werden konnten (Brünn, aber auch Budapest), und in Frankreich praktisch von Null begonnen werden konnte, läuft bei uns der Trott weiter, auch wegen einem Duckmäusertum, einer Obrigkeitshörigkeit, die ein speziell österreichisches Phänomen ist und sich wahrscheinlich bis zum Metternichschen Überwachungsstaat und das Fehlen von bürgerlichen Revolutionen zurückführen lässt. So macht man weiter mit Dingen, die Selbstläufer ohne Widerstandspotential sind (U-Bahn), scheut jede Konfrontation (mit Anrainern oder der Bauwirtschaft), beglückt die Fahrgäste (U-Bahn ist super, Tramway ist veraltet), kassiert hohe Bundeszuschüsse und schafft Arbeitsplätze ohne direkten Kundenkontakt (das gefällt der Gewerkschaft). Dazu ist in den letzten 20 Jahren Häupl eine niveaulose Grobheit eingerissen und bis in tiefere magistratische Ebenen gesickert, die wohl für die nächsten 2 oder 3 Jahrzehnte da bleiben wird...
Hab ich was vergessen?