Autor Thema: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium  (Gelesen 10493 mal)

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moszkva tér

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Um etwas Leben in die Bude zu bringen...

Belgrad wurde ja 1999 von der Nato bombardiert. Ruinen sind heute keine mehr zu sehen. Nur das imposante Gebäude des Jugoslawischen Verteidigungsministeriums wurde bis heute nicht mehr aufgebaut, es ist geplant, dieses als Mahnmal so zu belassen.
Ehemals erstreckte sich dieses Bauwerk mit Brücke über die ul. Kneža Miloša. Dort verkehrt auch die Straßenbahn. Die Ruine ist eine "schöne" Kulisse für ein paar gruselige Bilder der Type Tatra KT4.
Et voilà, Tatras in Einfach- und Doppeltraktion.

Übrigens, Belgrad ist eine der wenigen Millionenstädte in Europa, die keine U-Bahn hat. Pläne für einen Bau gibt es auch keine. In den 1980ern wollte man dafür die Straßenbahn vernünftig ausbauen, doch die Wirren nach der Auflösung Jugoslawiens haben bisher nennenswerte Investitionen unterbunden.   :'(

moszkva tér

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #1 am: 05. November 2011, 07:48:03 »
Dürfen historische Fotos auch in dieses Unterforum?

Bei der Bombardierung von Belgrad durch die Nato wurde 1999 u.A. das Jugoslawische Verteidigungsministerium zerstört, s.o.
Knapp 60 Jahre davor wurde Belgrad auch schwer bombardiert. Damals war die Deutsche Armee nicht nur beteiligt, sondern federführend. Bei den Verbrechen, die damals am Balkan begangen wurden, fällt eine zerstörte Straßenbahn allerdings nicht ins Gewicht  :'(



Bildquelle: Deutsches Bundesarchiv
Eingebunden aus: Wikipedia
Bestand: Bild 141 - Sammlung Library of Congress
Archivtitel: Balkanfeldzug 1941, Jugoslawien, Belgrad

Dateiinfo: http://www.bild.bundesarchiv.de/archives/barchpic/search/_1320475506/?search[view]=detail&search[focus]=1

Linie 41

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #2 am: 05. November 2011, 11:04:05 »
Dürfen historische Fotos auch in dieses Unterforum?
Nachdem es im Auslandsteil kein eigenes Unterforum für Historische Bilder gibt, würde ich ja sagen!
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

Tatra83

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #3 am: 15. Mai 2013, 14:55:38 »
Und nun werde ich ein wenig Leben in unseren Beograd-Thread bringen. Wer faul ist, kann sich über Belgrad und seine Straßenbahn ein Bild verschaffen.

Die ÖV-Landschaft sieht in Belgrad wie in Berlin, München oder Wien aus: S-Bahn durch die Staatsbahn und der Rest wird durch einen städtischen, manchmal gar weltbesten Verkehrsbetrieb betrieben.
Der Betrieb verfügt über ein Depot für Straßenbahnen und vier für Busse, welche insgesamt 224 Straßenbahnen, 400 O-Busse und 1300 Dieselbusse beheimaten. Von den 224 Straßenbahnen sind 30 vom Typ CAF Urbos 3, 40 Züge aus Basel (Gelenktriebwagen mit Bw) und 154 CKD Tatra KT4. Letztere sind direkt von CKD geliefert worden und werden z.T. "modernisiert", da sie in einem schon bemitleidenswerten Zustand sind.
Der Verkehrsbetrieb (GSP Beograd) befördert täglich rund 1,65 Mio. Fahrgäste von denen ca. 60% Schwarzfahrer sind.
Das Straßenbahnnetz würde ich - im Gegensatz zu Wien - als Verästelungsnetz charaktierisieren, mit seinen derzeit neun Linien werden fast alle Stadtteile erreicht.
Bemerkenswert ist ein Belgrad-weites elektronisches Ticketing-System, das nach dem Checkin-Prinzip funktioniert.

Noch etwas zur U-Bahn: Die Planungen dafür (wie auch für den Hbf.) laufen seit über 30 Jahren. Offensichtlich wird es nun ernst, denn die Stadt Beograd ist der Ansicht, dass jede Metropole mit fast zwei Millionen Einwohner eine U-Bahn bräuchte. Der Hinweis, dass der öffentliche Nahverkehr in Wien (mit einst 2 Mio. Einwohnern) ausschließlich mit der Straßenbahn bewältigt wurde, stieß dort auf Unverständnis. Jedenfalls plant man nun eine Voll U-Bahn bzw. eine Lightrail-Variante, was auch immer man darunter verstehen wird bzw. finanzieren kann.

Die Baureihe KT4 ist teilweise noch in Originalausführung unterwegs (1+1 Bestuhlung, Rollbänder und Pedalsteuerung)

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Und das ist der "Beograd-Style" der Hauptbahnhof-Teileröffnung. Es war nicht ganz klar, ob dort wirklich Personenverkehr durchgeführt wird, aber ich vermute ja. Dieser Betonklotz sollte den alten Kopfbahnhof auf dem anderen Save-Ufer ablösen, das gelang aus diversen Gründen nicht. Und nun ist der Bahnhof gebaut und wird von der Stadtplanung weitgehend ignoriert.

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Hier nun ein paar Bilder vom CAF Urbos 3. Lt. den GSP-Technikern waren die Fahrzeuge in der Endfertigung nur mäßig qualitätsgeprüft, denn man hatte in Belgrad mit sich lösenden Schrauben zu kämpfen. Also musste vor der Inbetriebnahme das gesamte Fahrzeug durch die GSP-Werkstatt geprüft werden.

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Hier noch ein Beispiel aus einem Bus zur weiteren Verbesserung des Komfort im städtischen Nahverkehr:  :fp:

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Und auch wenn dieses Bild nicht den Eindruck macht, der Bus trägt in Belgrad die Hauptlast im ÖV.

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Schweizer Straßenbahnzug auf dem recht modernen Betriebshof in Novi Beograd. (Gleisplan der Anlage folgt)

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Und das ist auch typisch in Beograd: Straßenbahn in Seitenlage und in der Mitte der Autoverkehr. Dabei werden die Bahnen oft durch ein- und ausparkende Pkw bzw. einfach abgestellte Fahrzeuge behindert. Die Linie 7 ist derzeit das Ziel eines Grunderneuerungsprogramms mit 35 Mio. EUR/Jahr, man realisiert dabei einen unabhängigen, rasengedeckten Bahnkörper in der Straßenmitte. Auf der Linie 7 kommen zudem die Urbos 3 zum Einsatz, auf manch anderer Strecke würden sie vermutlich vor dem Gleiszustand kapitulieren. Interessant sind außerdem die zwei echten Straßenbahn-Kreisverkehre in der Stadt...

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Hier noch ein Blick in die übergeordnete Leitstelle, welche von der Stadt Beograd betrieben wird, eigentlich eine absolut seltene Situation. Wir wissen ja, wie ungern sich Verkehrsbetriebe in die Karten schauen lassen. Im Fall von Belgrad wird der gesamte Oberflächen-Verkehr mit dem RBL-System "BusPlus" von einem türkischen Hersteller überwacht. Die Kommunikation zwischen Leitstelle und Fahrer funktioniert meist über codierte Meldungen bzw. kann die Leitstelle den Fahrer via GSM anrufen. Die Leitstellen der einzelnen Unternehmen übernehmen aber den eigentlichen Betrieb bzw. die Betriebsaufsicht.

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Zu guter Letzt noch ein Blick entlang einer typischen Gleisanlage in Beograd, gefahren wird dabei trotzdem zügig und resolut  ;)

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Und ich dachte, mit der Straßenbahn bin ich schneller als zu Fuß.

Linie 41

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #4 am: 15. Mai 2013, 15:04:31 »
Haha... Der Balkan beginnt wirklich in Wien. Die Inneneinrichtung in Belgrad ist genauso geschmacklos wie bei uns. ;D
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

nord22

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #5 am: 25. Juni 2017, 10:05:26 »
In Beograd wurden einst gebrauchte PCC Wagen aus Den Haag ex SNCV eingesetzt: TW 138 der Linie 3 in Novo Groblje (Foto: railasia, 14.07.1976).

LG nord22

nord22

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #6 am: 06. Juni 2021, 08:17:01 »
Eine Parade von Einheitsstraßenbahnwagen: Tatra T3 13 und 4 neben PCC 128 (Foto: Slg. Michel Reps).

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diogenes

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #7 am: 06. Juni 2021, 12:37:13 »
Da sind aber hübsche Stromabnehmer drauf. Sind das HS 64, baugleich zu denen, oder sehen die nur so aus?

Während die Stromabnehmer den T3 (?) durchaus passen, wirken sie am PCC (?) ziemlich fehl am Platz. Da bin ich Stangen gewohnt :)
Ceterum censeo in Vindobona ferrivias stratarias ampliores esse.
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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #8 am: 06. Juni 2021, 14:45:02 »
am PCC (?)
Ja, das sind ganz echte PCCs, und zwar nicht aus Den Haag (wie weiter oben im Thread erwähnt), sondern vom belgischen Überlandbahnnetz (SNCV) übernommen – da passte im Unterschied zu Den Haag auch die Spurweite :D Bei der SNCV waren die PCCs von Anfang an unbeliebt, sodass alle 24 alsbald nach Belgrad kamen, und dort die schon vorhandene Handvoll zuvor neu gelieferter PCCs ergänzte.

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #9 am: 06. Juni 2021, 18:35:00 »
am PCC (?)
Ja, das sind ganz echte PCCs, und zwar nicht aus Den Haag (wie weiter oben im Thread erwähnt), sondern vom belgischen Überlandbahnnetz (SNCV) übernommen – da passte im Unterschied zu Den Haag auch die Spurweite :D Bei der SNCV waren die PCCs von Anfang an unbeliebt, sodass alle 24 alsbald nach Belgrad kamen, und dort die schon vorhandene Handvoll zuvor neu gelieferter PCCs ergänzte.
Warum waren die PCCs, unbeliebt?
Das leben zwingt einen oft in die Knie,jedoch ein jeder kann selbst entscheiden ob er liegen bleibt oder wieder aufsteht! :-)

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #10 am: 06. Juni 2021, 19:04:48 »
Warum waren die PCCs [bei der SNCV] unbeliebt?
  • Betrieblich: Einrichtungswägen in einem Zweirichtungswagennetz; keine Beiwägen mitführbar
  • Für Fahrgäste: Ungewohnt dunkler Innenraum; ruppig-raues Fahrverhalten (die Wägen hatten den Spitznamen «bateaux», also «Schiffe», weil man vom heftigen Schaukeln seekrank würde…)
  • Allgemein: Fahrgastfluss mit vorne sitzendem Schaffner à la USA und in Belgien völlig ungewohnt; keine Möglichkeit, ruhig zu gleiten, zumal auf den langen Überlandstrecken (echte PCCs können immer nur beschleunigen oder bremsen und haben keine Neutralstellung!); zu weiche Federung für die Gleislage

In Belgrad war das Fahrverhalten samt der betrieblichen Parameter eher ein Vor- denn ein Nachteil; dort fuhren die SNCV-PCCs auch 25 Jahre lang (von 1960 bis 1985) und passten gut zu den anderen fünf PCCs, die dem Brüsseler Typ zumindest ähnelten.

Hawk

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #11 am: 07. Juni 2021, 07:41:06 »
Warum waren die PCCs [bei der SNCV] unbeliebt?
  • Betrieblich: Einrichtungswägen in einem Zweirichtungswagennetz; keine Beiwägen mitführbar
  • Für Fahrgäste: Ungewohnt dunkler Innenraum; ruppig-raues Fahrverhalten (die Wägen hatten den Spitznamen «bateaux», also «Schiffe», weil man vom heftigen Schaukeln seekrank würde…)
  • Allgemein: Fahrgastfluss mit vorne sitzendem Schaffner à la USA und in Belgien völlig ungewohnt; keine Möglichkeit, ruhig zu gleiten, zumal auf den langen Überlandstrecken (echte PCCs können immer nur beschleunigen oder bremsen und haben keine Neutralstellung!); zu weiche Federung für die Gleislage

In Belgrad war das Fahrverhalten samt der betrieblichen Parameter eher ein Vor- denn ein Nachteil; dort fuhren die SNCV-PCCs auch 25 Jahre lang (von 1960 bis 1985) und passten gut zu den anderen fünf PCCs, die dem Brüsseler Typ zumindest ähnelten.
Danke!  :)
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dalski

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Re: [RS] Straßenbahn Belgrad - beim ehem. Verteidigungsministerium
« Antwort #12 am: 08. April 2022, 07:59:35 »
Interessante Kombi aus Basel im Einsatz auf der Linie 9 in der Antifašističke borbe unweit des Bahnhofs Novi Beograd (Neubelgrad) am 05.04.2022:
Всё будет хорошо