Wirklicher Einheitsbrei ist meiner Meinung nach erst nach dem 1. Weltkrieg eingezogen, als plötzlich ganze Siedlungen nach dem selben Bauplan errichtet wurden, ein Haus wie das andere, besonders dann nach dem 2. Weltkrieg.
Das würde ich nicht bedingungslos unterschreiben. Die klassischen Gemeindebauten mit ihren großen, begrünten Höfen haben schon was tolles.
Die neuen Siedlungen ab den 1990ern sind auch tlw. nicht so schlecht, weil die Bauprojekte wieder kleinteiliger wurden, somit wirkt alles besser gegliedert.
Da muß ich präzisieren, die Teil-Aussage mit dem 1. Weltkrieg war nicht auf die große Masse Gemeindebauten bezogen, sondern eher auf die ersten Reihenhaussiedlungen, zum Beispiel auch die reichlich gesichtslose Reihen-Gemeindebausiedlung in der Wolkersbergenstraße (die kann ich leider nicht datieren, könnte auch frühe 50er sein). Bei den frühen Gemeindebauten waren auch wirklich gute Projekte dabei, auch schöne (der Engerthhof gefällt mir z.B. sehr, optisch macht auch Weimarerstr. 8-10 sehr viel her). In den neueren Sieldungen stören mich die zum Teil sehr langen Fußwege im Vergleich zu klassisch erschlossenen Altsiedlungen entlang der großen Radialachsen (mein Lieblingsbeispiel ist da der Bereich zwischen etwa verlängerter Seligmanngasse - Anton-Ochsenhofer-Gasse, Inzersdorfer Friedhof und Traviatagasse - die Verbauung ist kleinteilig und mit viel Grün, aber irgendwie irritieren mich die endlosen Fußwege innerhalb der Siedlungen immer). Der beste Beweis dafür, daß man auch kleinteilige Verbauung eintönig und sinnlos gestalten kann ist Gerasdorferstraße 55 - eine Hausnummer mit jenseits der 200 Stiegen, jeweils kleine zweistöckige Häuser, bei denen man sich sobald die Vorgartenbegrünung die Stiegennummer verdeckt beim besten Willen nicht mehr orientieren kann.
Wirklich katastrophal finde ich nur die Bauten aus den 1960ern bis 1980ern, die waren wirklich einfallslos, sowohl architektonisch als auch von der Bausubstanz her.
In den 50ern gab es auch schon genug Kisten mit 4 rechtwinklig zueinander stehenden Wänden, schuhschachtelartigen Wohnungen und von außen als einziger Konzession an frühere Geschmäcker einem Satteldach. Zweckbauten (und das waren meiner Meinung nach alle Wohnbauten der 50er mit Ausnahme von Luxusvillen, vom Gemeindebau bis zu Eigentumswohnungen im 1. Bezirk, der größte Unterschied ist die Größe der einzelnen Wohnungen, und im Gemeindebau liegt Fichten-Schiffboden, in den Eigentumswohnungen Fischgrätparkett) der 50er sehen alle gleich aus, auffallende Gestaltung gab es eigenlich nur bei öffentlichen Bauten und Geschäftsfronten.
Die Bausubstanz hat sich auch erst Ende der 60er. Anfang der 70er wieder grundlegend verändert, Häuser aus den 50ern und 60ern unterscheiden sich nicht so grundlegend - tragende Wände aus Hohlziegeln oder Beton-Hohlblocksteinen, nichttragende aus den heute gar nicht mehr erhältlichen extradünnen 7cm-Hohlziegeln. Nachdem ich einmal beim Abstemmen der Fliesen in der Küche plötzlich die Steckdosen vom Nachbarn von hinten gesehen habe, hält sich meine Begeisterung für solche Bauten noch mehr in Grenzen.
In den 90ern kamen dann papierdünne Betonmauern auf, die Ende der 90er schon wieder mit Styropor verkleidet wurden um mangelnde Wärmedämmung auszugleichen, Innenwände aus Pappendeckel... pardon Gipskarton. Wenn da eine etwas schwergewichtigere Person stolpert, landet sie im Nebenzimmer. Im Winter sind solche Bauten leicht zu heizen, dafür passen sie sich im Sommer binnen Stunden der Außentemperatur an (mangels thermischer Speichermasse) und sind kaum kühl zu halten, im Gegensatz zum halben bis Dreiviertelmeter Ziegeln bei Bauten von vor 1945.
Im Endeffekt hat man meiner Meinung nach die Wahl zwischen Heizen im Winter und Kühlen im Sommer, wobei ersteres deutlich einfacher zu bewerkstelligen ist - das eierlegende Wollmilchhaus gibt es für mich nicht.
Ich denke ja, dass die Seestadt nicht unbedingt ein Misserfolg sein muss. Das Problem wird sicher nicht sein, dort genügend Bewohner hinzubringen. Das Problem wird eher sein, einen entsprechenden Nutzungsmix herzustellen, damit sie nicht reine Schlafstadt wird.
Genau das ist aber die Gefahr. Außerdem ist die Seestadt meiner Meinung nach zu weit draußen um wirklich als Stadterweiterung wahrgenommen zu werden, sie müßte sich eher als eigenes Zentrum etablieren, was wieder zu Abkapselung führt.