Gestern fuhr ich nach langem wieder einmal nach Częstochowa. Die Stadt ist ein religiöses Zentrum Polens und der wichtigste Wahlfahrtsort befindet sich dort. Es handelt sich dabei um das Paulinenkloster Jasna Góra (Heller Berg). Ich wollte einmal die Stadt und ihr Straßenbahnnetz näher erkunden, bislang war ich nur aus religiös-touristischen Gründen in Częstochowa.
Das Straßenbahnnetz ist das mit Abstand jüngste Netz Polens. Es wurde am 8. März 1959 eröffnet. Errichtet wurde es um die Arbeiter, die im neuentstanden Industriegebiet in Kucelin arbeiteten, hinbringen zu können. Busse reichten nicht aus. Der erste Abschnitt verband das Industriegebiet in Kucelin mit dem Zentrum der Stadt.
Heute gibt es drei Linien (1,2 und 3). Bis 2012 gab es nur die Linien 1 und 2. Das "Netz" bestand aus einer Nord-Süd-Verbindung von der Schleife Fieldorfa-Nila im Norden bis zur Schleife Kucelin Szpital im Süden. Die Linie 2 ist eine Verstärkerlinie der Linie 1 und verkehrt nur von der Schleife Fieldorfa-Nila bis Raków Dworzec PKP. Von dort verkehrt die Linie als Linie 1 in Richtung Fieldorfa-Nila.
Seit 2012 gibt es eine Abzweigung zum Stadion in Raków, die von der Linie 3 bedient wird.
Das Netz ist relativ unspektakulär, was ich schon vorher wusste. Von allen polnischen Netzen ist es wohl jenes, von dem es die wenigsten Fotos gibt. Die Netze in Grudziądz und Gorzów Wielkopolski sind zwar kleiner, aber wesentlich fotogener, da sie durch die Altstadt verlaufen.
Sollte dennoch jemand einmal von Katowice oder Krakau aus einen Tagesausflug nach Częstochowa planen, mit dem Zug ist es in ca. 90 Minuten erreichbar, von Katowice aus auch in ca. einer Stunde. Allerdings kommt man von Krakau aus nicht am Hauptbahnhof an, sondern am Bahnhof Częstochowa Stradom, der mit dem Zentrum durch eine Buslinie verbunden ist. Alternativ kann man auch ca. 15 Minuten gehen.
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Ein Konstal 105Na-Zug fährt in die Haltestelle Dworzec PKS (Busbahnhof) ein. PKS steht für Przedsiębiorstwo Komunikacji Samochodowej (Kraftfahrzeugsverkehrsunternehmen), früher Państwowa Komunikacja Samochodowa (Staatlicher Kraftfahrzeugsverkehr). Im polnischen Sprachgebrauch sind die beiden Abkürzungen PKP und PKS für Zug und Bus sehr präsent. Auf Plänen findet man selten Aufschriften Dworzec Kolejowy (Eisenbahnbahnhof) oder Dworzec Autobusowy (Busbahnhof). Auch umgangssprachlich werden die Abkürzungen oft verwendet. So kann es passieren, dass Polen von einem PKP-Bahnhof in Rom sprechen.
Am Busbahnhof gibt es einen Schalter von MPK, wo man alle Fahrscheine kaufen kann. Automaten gibt es nur drei (davon steht einer am Hauptbahnhof). Dafür gibt es über das ganze Netz verteilt Schalter. Man merkt hi und da, dass der Betrieb noch ein wenig in den 90ern steckt. Es gibt aber auch elektronische Karten.
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Eine Haltstelle weiter nördlich befindet sich der Hauptbahnhof. Hier ein 1er in der Haltestelle Dworzec Główny PKP (Hauptbahnhof) in Richtung Fieldorfa-Nila (Fieldorf-Nil-Straße). Fieldorf war General der polnischen Armee und Führer der Armia Krajowa (wörtlich Landarmee, im Deutschen wird oft von der Heimatarmee gesprochen), einer bewaffneten Untergrundorganisation, die gegen Hitler-Deutschland und die UdSSR kämpfte. Nil war das Pseudonym Fieldorfs.
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Danach ging es über die Neubaustrecke nach Raków. Hier ein 129Nb von Pesa, der zur Typenfamilie Twist gehört in der Schleife Stadion Raków.
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Der Folgezug kam gleich danach. Aufgrund einer Störung war das Intervall etwas durcheinander. Schon beim Warten am Hauptbahnhof fragte mich eine ältere Dame, ob ich weiß, was denn los sei. Richtung Norden fahren die Züge regelmäßig, aber Richtung Süden kommt kein Zug. Bei meiner Fahrt nach Raków fiel mir ein Citaro auf, der ebenfalls als 3er unterwegs war. Das war der letzte Rest eines Ersatzverkehres, der unserem Zug beim Abtransport der wartenden Fahrgäste half.
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Ein Twist beim Befahren der Limanowskiego. Die Neubaustrecke schlängelt sich durch die Außenbezirke Wrzosowiak, Błeszno und Raków. Dabei kreuzt sie immer wieder die Fahrbahn, allerdings hat die Straßenbahn Vorrang. Oft wird dieser durch Rot-Gelb-Ampeln geregelt, manchmal auch nur durch Verkehrszeichen. Die Bevorrangung funktioniert problemlos und man ist flott unterwegs.
Entlang der Altbaustrecke wartet man allerdings unter Umständen relativ lange auf eine Freiphase.
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Flott brausen die 105er um die Kurve und biegen von der Rakowska in die Limanowskiego ein. Die 105Na wurden zwar kaum modernisiert, aber sie haben ein elektrisch gesteuertes Band, auf dem die Zieltexte stehen, erhalten. Zudem sind sie im Inneren mit einer roten Punktmatrixanzeige ausgestattet, die abwechselnd die Linie, das Ziel, die nächste Haltestelle, den Streckenverlauf (befahrene Straßenzüge, Straßen, die bereits passiert sind, werden nicht mehr angezeigt
), das Datum und die Namenstage anzeigt. Darüber hinaus gibt es auch Haltestellenansagen. Die Phrase "Następny przystanek" (nächste Haltestelle) wird von einer Frauenstimme, der Haltestellenname von einer Männerstimme angesagt. Kurz vor erreichen der Haltestelle ertönt ein Gong und der Haltestellenname wird erneut durchgesagt.
Außerdem wurde die Türsteuerung modifiziert. Es gibt zwar keine Knöpfe für Fahrgäste um die Türen zu öffnen, aber der Fahrer kann unabhängig von einander Tür 1, Tür 2 und die Türen 3 und 4 des ersten Triebwagens ansteuern. Von allen 105Na mit denen ich bisher gefahren bin, sind die von MPK Częstochowa jene, die die Wärme am besten halten.
Der 3er wird an Sonn- und Feiertagen rein mit 129Nb, also rein mit Niederflurfahrzeugen betrieben. Hochflurkurse sind im Fahrplan gekennzeichnet und die Information stimmt natürlich.
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Danach fuhr ich nach Kucelin. Hier ein 1er in der Schleife Kucelin Szpital (Kucelin Krankenhaus oder für die Österreicher Kucelin Spital). Die letzten drei Haltestellen (Rejtana, Dąbie und Kucelin Szpital) muss der 1er alleine bedienen. Hier führen schlechte Schienen durch ein Industriegebiet. Nett ist die Verziehrung des ersten Triebwagens.
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Dieser Zug kam hier als 2er an und hat gearde die Haltestelle Raków Dworzec PKP (Raków Bahnhof) verlassen. Hier sieht man die Abzweigung zum Bahnhof. Geradeaus geht es nach Kucelin.
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In die Gegenrichtung fährt ein 1er durch die Aleja Pokoju (Friedensallee) in Richtung Kucelin Szpital.
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In der Schleife Raków Dworzec PKP bestand einst eine Verbindung zwischen MPK- und PKP-Netz. Holzschwellen findet man immer wieder im Netz. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Gleiszustand zwischen Rondo Mickiewicza bzw. Dworzec PKS und Estakada bzw. weiter über die Neubaustrecke zum Stadion sehr gut ist. Der Rest ist mittelmäßig bis schlecht.
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Der 2er biegt in die Abzweigung ein. Leider war es sehr trüb.
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Und wartet in der Schleife. Hier bereits als 1er. Im Hintergrund die Eisenbahntrasse.
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Mit dem selben Zug fuhr ich dann ans nördliche Ende. Hier durchfährt der Zug die Schleife Fieldorfa-Nila. Die Schleife ist ganz schlicht und eingleisig. Im Hintergrund ein paar modernisierte Wohnblöcke. Leider gibt es entlang der Strecke keine Kirchen oder ähnliche Gebäude.
Von der Neubaustrecke aus kann man ein Foto mit Jasna Góra im Hintergrund machen, aber bei dem Nebel war das unmöglich.
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Der 1er beim Fahrgastwechsel in der Haltestelle Promenada Niemena (Niemenpromenade). Czesław Niemen ist einer meiner Lieblingsmusiker. Bekannt wurde er in den 60er und 70ern mit, für die damalige Zeit, typischem Rock mit teils psychodelischen Elementen.
Hier gibt es eine Hörprobe:
https://www.youtube.com/watch?v=tJdPAM-ZzsU [ Für Gäste keine Dateianhänge sichtbar]
Ein Schnappschuss einer Pesa, die gerade die Haltestelle Aleja Jana Pawła II (Johannes Paul II Allee) verlassen hat.
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Das typische Bild der Straßenbahn entlang der Altbaustrecke, hier in der Al. Kościuszki (Kościuszkoallee). Kościuszko war ein Offizier und führte 1794 einen Aufstand gegen die Teilung Polens an. Zudem kämpfte er im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auf Seiten der Amerikaner.
Die Altbaustrecke verläuft zur Gänze neben der Fahrbahn entlang der Straßenzüge Al. Wyzwolenia (Befreiungsallee), Al. Armii Krajowej (Allee der Heimatarmee), Al. Kościuszki (Kościuszkoallee), Al. Wolności (Freiheitsallee), Al. Niepodległości (Unabhängigkeitsallee) und Al. Pokoju (Friedensallee).
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Hier verlässt das 105Na-Gespann soeben die Haltestelle II Al. Najświętszej Maryi Panny (II Allee der Allerheiligsten Jungfrau Maria). Nachdem die Al. Najświętszej Maryi Panny relativ lang ist und die repräsentative Straße der Stadt ist, gibt es mehrere Haltestellen, die nach ihr benannt sind. Diese werden mit römischen Zahlen nummeriert, um die Orientierung zu erleichtern. Die Straße führt hinauf zum Wahlfahrtsort Jasna Góra.
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Ein 129Nb als 3er in der Aleja Wolności (Freiheitsallee).