nota bene: bei geplanten Verkehrsereignissen. Spontangebrechen nehme ich hier bewusst aus. Es geht mir um Veranstaltungen, die prinzipiell Wochen, wenn nicht Monate im Voraus in allen Einzelheiten bekannt sind. Als Beispiel hierfür möchte ich den
Vienna Night Run hernehmen, dessen Verkehrsmaßnahmen laut Aushang um 19 Uhr starten sollen.
Um 19 Uhr sitze ich noch vor dem Computer. Es regnet, ich habe eigentlich keine Lust, eine Fototour zu machen. Bei wolkenlosen Himmel hätte ich die blaue Stunde ausnutzen können. Das tut aber hier nichts zur Sache, deshalb weiter im Kontext. Natürlich bin ich neugierig, ob man wirklich schon seit 19 Uhr kurz fährt und rufe
http://www.wienerlinien.at/itip auf, die "dynamische Fahrgastinformation" mit "Echtzeitinformation zu den Abfahrten", so steht es geschrieben. Ich wähle die Linie 2 Richtung Ottakring ab dem Friedrich-Engels-Platz und bekomme eine Übersicht von "Echtzeitdaten" Richtung "Ottakringer Str., Erdbrustgasse" – fein säuberlich unterschieden nach Hochflurfahrzeugen und ULF-Garnituren und akkurat im 10-Minuten-Takt. Es sind keine Fragezeichen dabei und auch sonst nichts, was auf abweichende Linienführung hindeutet, auch nicht in 30, 60 oder – dem abfragbaren Maximum – 70 Minuten.
Jetzt werde ich natürlich neugierig, suche mir noch die (angebliche) Abfahrtszeit eines 2ers Richtung Ottakring von der nächstgelegenen Haltestelle heraus und marschiere hin. Nach einigen Minuten Wartezeit kommt kein Zug Richtung Ottakring, aber auch kein Zug zum Praterstern – es kommt gar nichts. Insgesamt dauert es knappe 25 Minuten, bis überhaupt ein 2er auftaucht, und ich weiß ja gar nicht, wie lang vor meinem Auftauchen schon nichts gefahren ist. In der Gegenrichtung nähert sich ein 2er-Konvoi, danach ebenfalls lange Zeit nichts. Durchsage über die Informationslautsprecher höre ich während der gesamten knappen halben Stunde keine einzige.
Immerhin werden die Fahrgäste in den mit FGI-Displays ausgestatteten Haltestellen durch passende Lauftexte besser informiert, um auch etwas Positives anzumerken.
Der 2er nähert sich der Heinestraße. Während der Fahrt, die im ULF wie üblich von lautem Rumpeln begleitet ist, nuschelt der Fahrer leise etwas ins Mikrofon. Wenn man weiß, was einem der Fahrer hier sagen will, versteht man es auch. Aber wer über die Ablenkungsfahrt Bescheid weiß, braucht eigentlich sowieso keine zusätzliche Durchsage. Die Unwissenden werden aus dem Gebrabbel jedenfalls nicht schlauer und auch der monotone Einwurf des Kaidaphons "Heinestraße, Kurzstreckengrenze, der Zug fährt Praterstern" geht unter, da der Durchschnittsfahrgast die Änderung des Ansagetextes gar nicht wahrnimmt: Er weiß ja, wo er hinwill.
Bei der Heinestraße versteckt sich eine Gelbjacke im Schutz der Dunkelheit – nur ja keine Fahrgäste informieren, das ist schließlich ein Platzdienst und kein Sprechdienst. Es kommt also, wie es kommen muss: Kaum biegt der 2er in die Heinestraße ab, springen dutzende Fahrgäste irritiert auf und wollen aussteigen. In Gedanken sehe ich schon Menschentrauben von der Haltestelle Rueppgasse durch die Heinestraße zurück zur Taborstraße marschieren, doch – hoppala – der Zug fährt trotz Haltewunsches einfach durch und bleibt erst bei der Haltestelle Mühlfeldgasse stehen. So steigen die Ahnungslosen eben dort aus, nicht wissend, dass sie nur eine Haltestelle später am Praterstern bequem in weiterführende Linien umsteigen hätten können.
Diejenigen, die überrissen haben, dass sie sich am alten 21er befinden, nutzen die Gelegenheit, zum Praterstern mitzufahren, und arbeiten sich von dort mit Hilfe der U-Bahn zu ihren Fahrzielen vor. Das tue ich auch; mein nächstes Ziel ist der Schwedenplatz. Die Infodisplays der Ringwagen-Haltestellen zeigen passende Lauftexte, was aber etliche Unentwegte nicht davon abhält, auf bessere Zeiten oder die nächste Tramway zu warten. Eine Gelbjacke, die diese nicht lesen wollenden Sturköpfe zur U-Bahn scheucht, wäre sinnvoll, doch die gibt es nicht beziehungsweise hat sie sich gut versteckt.
Auch bei der Oper (und wohl auch bei den anderen mit Displays ausgestatteten Haltestellen) sind stimmige Lauftexte eingeblendet. In der Opernschleife werden die kurzgeführten 1er richtig angekündigt. Aber wieder zurück zum Schwedenplatz, wo man zwar an der Oberfläche lesen kann, dass keine Straßenbahn fährt, aber dafür in der Verteilerpassage noch – ganz im Gegenteil – in die Irre geführt wird, gaukelt der Vorwegweiser doch vor, dass die Linie 1 noch im Normalbetrieb stünde.
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Wer jetzt verwirrt ist, das Smartphone herauskramt und weitere Informationen über die schon erwähnte Seite
http://www.wienerlinien.at/itip abrufen will, der landet endgültig im Mysterienkabinett der Wiener Linien und findet Echtzeiten, Planzeiten, Phantasieangaben und weitere Unsinnigkeiten in wahllosem Durcheinander.
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Entmutigt strebe ich heimwärts, um diesen Artikel in die Tastatur zu klopfen – und siehe da, eineinhalb Stunden nach Beginn der Verkehrsmaßnahmen höre ich endlich eine Durchsage im Fahrzeug. Über Lautsprecher wird von der Betriebsleitstelle erklärt, dass wegen einer Laufveranstaltung einige Verkehrsmaßnahmen getroffen werden mussten; dann wird taxativ aufgezählt, welche Linien in welchen Abschnitten
nicht verkehren. Man kann darüber debattieren, ob es sinnvoller ist, durchzusagen, wo gefahren wird oder wo nicht gefahren wird. Bei der gewählten Darreichungsform geht jedenfalls die Ablenkung des 2ers zum Praterstern unter – und die ist wegen der Anbindung an die U-Bahn vielleicht nicht ganz unwichtig. Gleichsam als Höhepunkt vor dem Ende der Durchsage wird für die Linie 31 noch erwähnt, dass "die Züge in Fahrtrichtung Schottenring über die Raffaelgasse kurz fahren." Glück für den, der dieses unbedeutende Seitengasserl kennt ... "Wallensteinplatz" wäre vielleicht eine Spur informativer gewesen.
Aber wenn man auf all das Erlebte zurückblickt, dann kommt man vielleicht ohnehin zu dem Schluss, dass diese Fahrgastinformation nicht zum Zweck hat, informativ zu sein. Bloß, wofür ist sie dann gut? Denn das einzige, was man mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Fahrgastinformation der Wiener Linien behaupten kann, ist, dass sie im Anlassfall kläglich versagt.