Wieso sollten die Deutschen ein Gebiet für sich beanspruchen, in dem 86% der Bevölkerung Russen sind? Die Deutschen wurden dort im 2. Weltkrieg fast vollständig vertrieben. Heute leben nur noch 0,8% Deutschstämmige in der Enklave.
Der endgültige Verzicht auf die "Ostgebiete" durch die BRD erfolgte erst 1970. Bis dahin wurden diese Gebiete von der BRD als Staatsgebiet Deutschlands "unter polnischer / sowjetischer Verwaltung" angesehen. Allerdings durfte die BRD völkerrechtlich auf diese Gebiete auch nicht verzichten. Die DDR hat die Oder-Neiße-Grenze bereits 1950 anerkannt.
Erst im Zuge der deutschen Wiedervereinigung wurde 1990 die Abtrennung der Ostgebiete durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag völkerrechtlich vollzogen und die Oder-Neiße-Grenze festgeschrieben, die wenig später von Deutschland im deutsch-polnischen Grenzvertrag formal bestätigt wurde. Damit wurden sämtliche Kriegsfolgefragen zu einem Abschluss gebracht.[6] Mit der Änderung des deutschen Grundgesetzes vom 23. September 1990 wurde in der Präambel nunmehr festgestellt, dass „die Einheit […] Deutschlands vollendet“ ist. (Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ostgebiete_des_Deutschen_Reiches)
Nachdem man also erst 1990 die Grenzen Deutschlands endgültig und völkerrechtlich verbindlich festlegen konnte, hat man sich auch ungeachtet aller anderen Widrigkeiten davor gehütet, nur kurze Zeit später wieder Gebietsansprüche zu stellen.
Was aus der Exklave werden sollte, dazu gab es übrigens nach 1990 mehrere Szenarien, die aber allesamt mehr oder weniger unrealistisch waren:
* Rückführung nach Deutschland mit (Kauf) oder ohne Konsens (Secession) der Russischen Föderation
* Aufteilung des Gebietes zwischen Polen und Litauen
* Entstehung eines unabhängigen Staates - sozusagen eines vierten baltischen Staates
Nun ist der Status der Oblast Kaliningrad als Teil der Russischen Föderation gefestigt und eine Ausgliederung kommt nicht mehr in Frage. Es liegt auch im Interesse Russlands, sich einen wirtschaftlichen Brückenkopf in Mitteleuropa zu halten. Auch wirtschaftlich geht es Kaliningrad nicht mehr schlecht, ist es doch nun eine Sonderwirtschaftszone usw.
Emotionell ist Kaliningrad für die Russen auch sehr aufgeladen: Es gilt neben dem Südteil von Sachalin (plus einiger unnötiger felsiger Pazifikinseln) sowie dem Lagodasee als eine der drei "Kriegstrophäen"; also Gebietsgewinnen aus dem 2. Weltkrieg, die auch nach dem Zerfall der Sowjetunion bei Russland verblieben sind.