Interessieren würde mich ja einmal eine gründliche Untersuchung über den Ressourcenverbrauch Abbruch und Neubau vs. Renovierung. Die Realität ist ja, dass bei einem sanierungsbedürften Haus die Außenmauern und oft auf Geschoßdecken und eventuell sogar ein Dach bereits vorhanden sind, alles Teile, die bei einem Abbruch überwiegend recycelt werden, oft in einer weniger hochwertigen Form (Ziegel aus einer Mauer zu Füllmaterial im Straßenbau). Teile, für deren Herstellung, Transport und Einbau Energie aufgewendet wurde, und für deren Demontage, Abtransport und Weiterverarbeitung noch mehr Energie aufgewendet werden muss. Dem gegenüber stehen gewisse Einsparungen an Heizenergie in einem Neubau. Da würde es mich sehr interessieren, ob eine Beibehaltung des Altbaus selbst bei vollständiger Entkernung und Erneuerung des Dachs nicht umweltfreundlicher wäre als ein Abbruch und Neubau!
Ich weiß jetzt nicht, was du unter Entkernung verstehst. Damit ist im Allgemeinen ein fast vollständiger Abriss gemeint, bei dem bis auf die Grundmauern alles entfernt wird, also neben dem Dach auch die Geschossdecken. Das macht man eigentlich nur bei Gebäuden, deren Fassade historisch erhaltenswert ist. Sonst versucht man bei der Althaussanierung alles was brauchbar ist, zu erhalten. Erneuert werden also nur die technischen Einbauten (vor allem die Heizung) und Leitungen und meist die Fenster. Außerdem werden alle gemeinsamen Flächen wie Gänge und Stiegenhäuser ausgemalt und gegeben falls neu verputzt (ebenso die Fassaden) sowie die Böden repariert oder erneuert. Zudem werden teilweise Wohnungen zusammengelegt und wo notwendig fehlende Bäder und WCs eingebaut. Dazu kann noch eine thermische Sanierung kommen (Isolierung wenn möglich an der Außenseite, bei ornamentalen Gründerzeitfassade an den Innenwänden, was wärmetechnisch weniger günstig ist).
Optional können auch ein Aufzug eingebaut werden oder Balkons an einzelnen Wohnungen angebracht werden.
Mit der reine Sanierung nichts zu tun hat eine Aufstockung, obwohl diese meist Teil der Renovierung ist. Dachwohnungen werden oft als Eigentum verkauft, aber auch teuer vermietet.
Das alles wird je nach Ausgangszustand auch öffentlich gefördert, wobei die Fördermittel bei Substandardhäuser bis zu 40% der Investitionskosten decken können (Sockelsanierung). Voraussetzung ist aber der erneuerungswürdige Zustand des Gebäudes. Wenn dieses etwa aufgrund minderwertigen Mörtels zerbröselt und statisch nicht sanierbar ist, gibt es auch keine Fördermittel. Das wird zuvor durch einen sogennanten Ingenierubefund festgestellt.
Schwierig ist es, an Fördermittel zu kommen wenn sich im Haus keine oder nur mehr vereinzelt Substandardwohnungen befinden. Dann steht der Hasubesitzer meist vor einem Dilemma, vor allem wenn das Haus und ebenso die Mietwohnungen sanierungsbedürftig sind, die Investitionen aber in absehbarer Zeit nicht über Mieten zu erwirtschaften sind, zumal Altbauten vor 1945 dem Mieterschutz unterliegen (also keine Marktpreise bei den Mieten).
Ist nun auf dem Grundstück aufgrund der Widmung eine dichtere Verbauung möglich, so besteht natürlich für den Eigentümer ein besonderer Anreiz, sich des Altbaus zu entledigen. Das ist fast immer so, denn aufgrund der Raumhöhen gehen sich etwa auf 4 Geschossen Altbau 5 Geschosse Neubau aus, also um 20% mehr Wohnungsfläche, die noch dazu zu Marktpreisen vermietet oder veräußert werden kann. Es ist in solchen Fällen rechnerisch klar, dass eine Renovierung ohne Förderung wirtschaftlich nicht vertretbar ist.
Über die Kostenverhältnisse kenne ich eine Studie, die dem sanierten Altbau deutliche Vorteile über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes attestiert und meint, dass von Planern und Bauherren die Errichtungskosten weit unter- und die Erhaltungs- und Sanierungskosten weit überschätzt werden.
Das kann man nicht generell so sagen. Ein nicht renovierter Altbau mit Substandardwohnungen braucht ständig mehr oder wenig hohe Sanierungsausgaben, wirft aber von den Mieten her nichts ab.
Natürlich möchten die wenigsten Leute wie in den Arbeiterwohnungen der Gründerzeit wohnen, aber es gibt unzählige Beispiele, dass man mit relativ moderatem Aufwand Lösungen finden kann, um die ins 21. Jahrhundert zu bringen. Ich selbst wohne aktuell in einer aus drei Kleinwohnungen bestehenden Wohnung. Deren Grundriss ist sicher nicht ideal, aber für meine Bedürfnisse eindeutig besser als der so mancher in den letzten 25 Jahren neu gebauten Wohnungen! Gerade für flexiblere Wohnformen wie Studenten-WGs sind viele neuere Wohnungen mäßig brauchbar, weil die Zimmer häufig so grob unterschiedlich groß sind. Wer möchte gerne den ganzen Tag in einem 12-Quadratmeter-Zimmer verbringen, dem noch dazu eine Ecke fehlt, weil dort die Stromzählernische in die Wohnung ragt?
Renovierte Gründerzeithäuser können eine Wohnqualität bieten, die von so manchem Neubau nicht erreicht wird. Das liegt vor allem an der minderwertigen Qualität moderner Baumaterialien und der weit verbreiteten phantasielosen und schlechten Architektur im Neubau. Ausschlaggebend dafür ist einerseits die Profitgier der Investoren, andrerseits auch die Einfalllosigkeit der Architekten. Das muss aber nicht so sein, obwohl es mir schwer fällt positive Beispiele für Neubauten in Wien zu finden.
Umgekehrt ist nicht alles Gold, was Gründerzeit ist. Auch früher wurde auf Profit geschaut, schlecht und schlampig gebaut. Ganz besonders negativ war auch die Bauordnung, welche Freiflächen innerhalb der Grundstücke oft auf Lichthöfe beschränkt hat, wodurch vor allem die Wohnungen in den unteren Geschossen der Hinterhöfe oft dunkel und schlecht belüftet sind - zudem auch noch feucht. Das wird bei aller Sentimentalität für die Gründerzeitbauten oft übersehen...