Anderswo diskutiert man übrigens in Bürgerversammlungen über geplante Trassenalternativen, nimmt Hinweise und Interessen aus der Bevölkerung auf und lässt sie in die Planung einfließen. In Wien ist eine neue Bim-Trasse ein streng gehütetes Staatsgeheimnis, und wenn dann irgendwann weit fortgeschrittene Planungen präsentiert werden und es leisesten Gegenwind gibt, hat man wenigstens einen Grund, sie endgültig zu beerdigen.
Anderswo hast du aber nicht sofort X Bürgerinitiativen, die gegen alle Trassenvorschläge irgendwelche Argumente bringen. Egal welches Projekt ich mir in der Vergangenheit anschaue.
Genau. Anderswo gibt es keine Projektgegnerinnen und Projektgegner. Und überhaupt tanzen anderswo alle Menschen friedlich im Kreis, ohne jegliche Konflikte.
Gerade eine frühzeitige Bürgerbeteiligung würde den X Bürgerinitiativen viel Wind aus den Segeln nehmen - ich spreche natürlich von einer ernstzunehmenden Beteiligung, bei der Interessen und Hinweise aufgenommen und so weit wie möglich berücksichtigt werden. Das Kunststück ist dann, keine unrealistischen Erwartungen zu wecken, aber eben dennoch Wünsche und Hinweise einfließen zu lassen. Oft stellen die Anwesenden nämlich das Gesamtprojekt überhaupt nicht in Frage, sondern haben konkrete Sorgen und Bedenken an einzelnen Punkten, die sich durch leichte Planänderungen beheben lassen, teilweise sogar schlicht durch die Aufklärung von Missverständnissen und Falschinformationen.
Sicher wird es immer Leute geben, die komplett dagegen sind, aber denen macht man die Mobilisierung erheblich schwerer, wenn man selbst mit offenen Karten spielt - denn die meisten Menschen dürften wohl eher eine "Ist-mir-wurscht"-Haltung einnehmen, und gerade die gilt es fürs Projekt zu gewinnen. Das Gefühl, dass eigene Ideen in der vorliegenden Planung mit drin stecken, ist ein ziemlich guter Weg, jemanden fürs Projekt zu gewinnen.
Der Wiener Weg: die Planung ist ein streng gehütetes Staatsgeheimnis, irgendwann verkündet die selbsternannte "Miteinander"-Erlöserin den Bau der Strecke, und wenn dann zwei sPÖ-nahe Menschen Angst um drei Parkplätze haben, lässt man das Projekt sanft entschlafen. Das Learning bei den Bürgerinnen und Bürger (nicht nur in Bezug auf Straßenbahnprojekte) ist auch fatal: bring Dich bloß nicht konstruktiv ein, sondern nur, wenn Du aus persönlichen Gründen gegen etwas bist, dann aber umso lauter.
Es gibt übrigens mindestens ein Projekt (die Strecke Hbf - Turmstraße in Berlin), bei dem tatsächlich die Streckenführung nach Bürgerbeteilungsveranstaltungen nochmal geändert wurde - und zwar nicht, weil es entlang der ursprünglich bevorzugten Trasse so viele Gegnerinnen und Gegner gab, sondern weil in Beteiligungsveranstaltungen der Wunsch nach einer besseren Erschließung des Stadtteilzentrums und wichtiger Ziele aufkam. Proteste oder sonstige Querschläge gegen das Projekt gab es bisher nicht.
Auch auf die Gefahr hin, als der ewige klugscheißende Piefke zu gelten - so werden inzwischen Planungsprozesse für Straßenbahnneu- und -ausbauvorhaben in Berlin begleitet:
https://www.meinetram.de/deUnd so in Wien:
Die generelle Planung der Linie ... ist weit fortgeschritten, dabei sind noch einige Optimierungen erforderlich. Daher kann zurzeit noch keine Auskunft über Details zum Projekt erteilt werden.
Das Absurde ist, dass die gleiche Dame sich dann hinstellt und sich für Pseudo-Beteiligungsprojekte wie "Wien wird Wow" feiern lassen möchte.
Und gerade die Grünen sollten diesbezüglich den Ball etwas flach halten. Denn sie hatten 10 Jahre das verantwortliche Resort. Da frage ich mich, wieso sie in dieser Zeit nicht den Straßenbahnausbau mit Hochdruck forciert hatten? In der Opposition etwas zu fordern ist leicht, aber wieso haben sie es nicht in ihrer Amtszeit umgesetzt?
Im konkreten Fall haben die Grünen nichts weiter gemacht als eine Anfrage nach dem Stand der Straßenbahnprojekte gestellt - dass sowas schon als Majestätsbeleidigung aufgefasst wird, ist auch bezeichnend. Die Interpretation von Simas Antwort ist von mir.
Und gegen Bezirkskaiser und eine inkompetente und rückgratlose "Öffi-Stadträtin" (wie hieß die noch mal....?) mussten auch die Grünen ankämpfen. Es ist übrigens interessant, dass das Verhindern oder allenfalls lieblose und unvollständige Umsetzen von Straßenbahnprojekten offensichtlich mit Sima das Ressorts gewechselt hat.