Danke für den Zeitungsausschnitt! Das war wohl wirklich die Nummer-1-"Ausrede" der Fahrer... obwohl echtes Bremsversagen abgesehen von den frühen Jahren der Tramway tatsächlich extrem selten war und AFAIR seit den 60ern kein einziger Unfall mehr auf Bremsversagen zurückzuführen war.
Mir gefällt der Ausdruck "Bremsversagen" hier nicht besonders. Wenn wir von der Schienenbremse, die es damals in Wiener Wagen noch kaum gab, absehen, verfügten Triebwagen über zwei Bremsen: Betriebsbremse (oder generatorische Bremse) und Feststellbremse. Letztere war aber, wie der Name schon sagt, nur zum Fixieren des Wagen bei Erreichen des Stillstandes gedacht (d.h., Sicherung gegen Wegrollen). Es bleibt daher nur die generatorische Bremse als Bremsmittel während der Fahrt über (die Sandstreuvorrichtung rechne ich jetzt nicht dazu, weil sie ja eigentlich nur Rädergleiten und - schleudern verhindern soll).
Diese Bremse wird aber durch die Bremsstufen im Fahrschalter aktiviert und schließt - vereinfacht gesprochen - nur die Rotor- und Statorwicklungen der beiden Motoren kreuzweise kurz, wodurch es zum einem Stromfluss (Induktion) kommt. Dieser Stromfluss ist dem ursprünglichen Stromfluss entgegengesetzt und bewirkt daher im Motor ein Gegendrehmoment - der Motor wird langsamer. Dieses Gegendrehmoment ist umso höher, je stärker der Stromfluss ist, daher gibt es im Fahrschalter mehrere Bremsstufen, bei denen zunächst etliche Widerstände in den Stromkreis geschaltet sind und dann nach und nach weggeschaltet werden, bis auf der letzten Bremsstufe die Rotor- und Statorwicklungen kurzgeschlossen sind.
Es gibt also keine "richtige" Bremse als eigene Einrichtung - anders als z.B. bei Fahrzeugen mit Druckluftbremse. Daher kann man auch nicht von einem "Bremsversagen" sprechen, denn es gibt keine Einrichtung, die hätte versagen können. Vielmehr dürfte das Problem im Fahrschalter selbst gelegen sein, von dem ich aufgrund des Unfallzeitpunktes davon ausgehe, dass es sich noch um einen Schleifringfahrschalter gehandelt hat, in dem - möglicherweise durch einen lockeren Abgriffarm - ein Kurzschluss und in weiterer Folge ein Lichtbogen entstanden ist, der zu einem "Festfressen" geführt hat, d.h. die Fahrkurbel konnte nicht mehr bewegt und somit nicht mehr auf Bremsstufen geschaltet werden. Die zeitgenössische Beschreibung des Unfallablaufs (Rauch, Feuer aus dem Fahrschalter) unterstützt diese Annahme. Man kann hier also nur von einem
Fahrschaltenversagen bzw. einem defekten Fahrschalter als Unfallursache sprechen.
Unverständlich ist mir, dass der betreffende Fahrer die Probleme mit dem Fahrschalter schon eine ganze Zeit vorher bemerkt und trotzdem nichts unternommen hat. Ein Zug mit einem defekten Fahrschalter darf selbstverständlich nicht mehr im Fahrgastbetrieb weitergeführt, sondern muss auf schnellstem Weg eingezogen werden, wobei der Zug nicht mehr aus eigener Kraft bewegt werden darf, sondern mit abgezogenem Stromabnehmer geschleppt werden muss. Hätte der Fahrer diese Vorschrift beherzigt, wäre dieser Unfall wohl zu vermeiden gewesen.