Danke für den Link, interessantes Video. Darin geht es nicht um U-Bahnen, sondern um Nebenstraßen, aber das ist nicht der entscheidende Punkt.
Entscheidend ist, dass die Erhaltung der Nebenstraßen NICHT durch den Bau neuer Nebenstraßen finanziert wird, sondern durch die Steuerleistung der Zusiedler, für die die neuen Straßen errichtet werden.
Umgelegt auf die hier getroffene Behauptung von der U-Bahn als Pyramidenspiel (= Ponzi-Schema wie im Video) würde das bedeuten: Die Stadt Wien muss die U2/U5-Bauen, damit die Wiener Bevölkerung weiter wächst, damit die Steuereinnahmen steigen, damit die Erhaltung des bisherigen U-Bahnnetzes finanziert werden kann. Leider kostet dann die zusätzliche Bevölkerung im laufenden Betrieb so viel Geld, dass man noch mehr zusätzliche Bevölkerung braucht und das zu finanzieren, weshalb man dann eine U7 bauen muss, damit endlich wieder mehr Zuwanderer kommen.
Das ist ein komplett andere Aussage, als die bloße Behauptung, der Bau der U2/U5 dient dazu, die Erhaltung des Bestandsnetzes zu finanzieren.
Und ich hoffe es für alle einsichtig, dass KEIN unmittelbarer Zusammenhang zwischen U-Bahn-Neubau und Bevölkerungswachstum gegeben ist. Wenn hier überhaupt ein (schwacher) kausaler Zusammenhang besteht, ist er umgekehrt: weil die Bevölkerung gewachsen ist, bauen wir neue U-Bahnen. NICHT: Wir bauen U-Bahnen, damit neue Steuerzahler kommen.
Und falls wirklich jemand meint, man baut die U-Bahn um damit zusätzliches Bevölkerungswachstum zu generieren, dann soll er mir erklären, warum das Bevölkerungswachstum in Wien in den Jahren mit Abstand am aller höchsten war, in denen kein U-Bahnbau stattgefunden hat.
Im Übrigen wäre es interessant, die im Video angesprochene Untersuchung der finanziellen Situation von US-Suburbias im Detail zu analysieren und mit den Gemeindefinanzen in ÖSterreich zu vergleichen. Das Bauchgefühl sagt, dass eine Gemeinde in Österreich durchaus auch bei stabiler Bevölkerung in der Lage ist, ihrer Infrastruktur langfristig zu erhalten und nicht die GrESt + Steueranteile von Zuzüglern dazu benötigt. Gibt es dazu was am Institut für Verkehrswissenschaften?
Natürlich wurden auch in Wien U-Bahnen gebaut um Wachstum in gewissen Gebieten überhaupt erst möglich zu machen. Die U2 in die Seestadt ist da das beste Beispiel. Bei dem U2 U5 Ausbau scheint es in erster Linie nicht so zu sein. Wobei eine U-Bahn zu steigenden Grundpreisen/Wohnungspreisen führt. Das führt wiederum zu erhöhtem Steueraufkommen. Durch den Entwicklungsdruck werden kleinere Häuser durch größere ersetzt. Auch hier kommen wieder Steuereinnahmen und natürlich Beschäftigungseffekte am Bau. Die Frage ist natürlich immer lohnt sich das Gesamtwirtschaftlich. Und kann die Stadt das nicht auch durch gelindere Maßnahmen ähnliche Effekte erzielen. In einer Stadt die weiteste gehend gut Öffi versorgt ist, wird es schwierig mit geringeren Mitteln ähnliches zu erzielen. Letzteres ist meine Meinung.
Die Seestadt inkl U-Bahn wurde nicht gebaut, um zusätzliches Bevölkerungswachstum zu erzielen, sondern um die übrigen Stadtgebiete vom Wachstum zu entlasten. Allenfalls kann man argumentieren, dass die Seestadt inkl U-Bahn gebaut wurde um die Abwanderung in den NÖ-Speckgürtel zu verhindern und dann kann man tatsächlich argumentieren, dass dieser U-Bahnneubau höhere Steuereinnahmen bewirkt wodurch Wien sich auch leichter tut die Erhaltung des Bestandsnetzes zu finanzieren. Wenn jemand glaubt, dass dieses Wachstum (20.000 Einwohner, dh 1% der Gesamtbevölkerung über einen Errichtungszeitraum von wohl 20 Jahren, dh im Schnitt 0,05% zusätzliche Bevölkerung pro Jahr, die nicht nach NÖ abwandert) jetzt entscheidend dafür wäre, dass Wien das Bestandsnetz erhalten kann oder nicht, dann soll er das glauben, ich glaube es nicht. (Die laufenden Betriebs- und Erhaltungskosten der Seestadt während dieser 20 Jahres Errichtungszeit sind ja gegenzurechnen, also wird da nicht viel überbleiben.)
Was die gesteigerten Steuereinnahmen aus Wertsteigerungen / Bauaktivitäten betrifft, bringt das Wien nur durch die Grundsteuer und die Kommunalsteuer inkl U-Bahnsteuer eine unmittelbare Mehreinnahme, vergleichsweise geringe Budgetposten. Der größte Brocken der Landes- und Gemeindesbudgets kommt aus der Aufteilung der Bundesabgaben (USt, ESt, KöSt) und die richtet sich ausschließlich nach dem Bevölkerungsschlüssel. Wenn durch die Bauaktivität in der Seestadt mehr USt anfällt und für die Bauarbeiter dort Lohnsteuer abgeführt wird, dann profitiert Vorarlberg dadurch (prozentuell) genauso wie Wien.
Das ist auch der Hauptgrund dafür, warum dieses im Video beschrieben Ponzi-Schema so in Österreich nicht möglich ist: Weil die unmittelbare Wirkung des Wachstums einer Gemeinde für das Gemeindebudget eine vergleichsweise geringe Rolle spielt. Wenn, dann ist die GrESt (96% Gemeindeabgabe) ein Thema. Die GrEst zahlt man nur einmalig, ist mit 3,5% aber ein Vielfaches der jährlichen Grundsteuer, die im Promillebereich liegt. Wenn eine kleine Gemeinde ein im Vergleich zur Gemeinde großes neues Siedlungsgebiet umwidmet und die Parzellen alle teuer als Baugründe verkauft werden, kann da schon eine für die Gemeinde ordentliche Summe zusammenkommen. Schon möglich, dass eine Gemeinde mit Geldsorgen zu diesem Mittel greift und die einmalige GrESt verwendet um alte Löcher zu stopfen.
Bei der 2-Mio-Stadt-Wien ist dieser Effekt vernachlässigbar. Auch in dem Video ist ja nicht die Rede davon, dass New York oder Los Angeles einem Ponzi-Schema folgen, sondern kleine Gemeinden im Speckgürtel (Suburbia).