Ist zwar etwas länger, aber ich habe natürlich aufgehoben, was 1996 versprochen wurde:
Das Rechnergesteuerte Betriebsleitsystem
der WIENER LINIEN (RBL-WIEN)
Beschleunigung, Fahrgastinfo, Technik
1. Einleitung
Im August 1994 wurde durch die Wiener Linien der Auftrag für die
Einrichtung eines Rechnergesteuerten Betriebsleitsystemes (RBL) für
den Oberflächenverkehr an die AEG Austria übertragen.
Nach einer Pflichtenheftphase und den notwendigen Erstinstallationen
wurde der Betrieb des RBL-Wien auf den Linien 67 und 7A im November
1995 aufgenommen. Diese erste Ausbaustufe ist als Probebetrieb
geplant, um alle relevanten Funktionen des RBL-Wien vor dem Vollausbau
auf diesen beiden Linien zu überprüfen und an die Anforderungen der
Wiener Linien anzupassen.
Im Folgenden wird eine grundsätzliche Übersicht über die technischen
Zusammenhänge des RBL-Wien geboten, mit den SChwerpunkten
- Beschleunigungsmaßnahmen an Lichtsignalanlagen und
- dynamische Fahrgastinformation an Haltestellen.
2. Technische Grundlagen
Das RBL-Wien hat die Aufgabe, die Betriebsleitung bei der Erfüllung
Ihres Beförderungsauftrages, d.h. dem regelmäßigen Betrieb der
Straßenbahn- und Autobuslinien, zu unterstützen. Das RBL weist auf ein
Abweichen vom Sollzustand im Netz hin und unterstützt die rasche
Korrektur dieser Abweichung im Ansatz bzw. strebt an, Abweichungen zu
verringern bzw. zu verhindern und Abläufe zu optimieren.
Hiezu ist es notwendig, daß das RBL-Wien die vorhandenen Strukturen
der Wiener Linien berücksichtigt (Aufbau- und Ablauforganisation).
Technisch betrachtet können drei Systemgruppen unterschieden werden:
- Zentrale Einrichtungen
- Fahrzeugausrüstung
- Streckenausrüstung
2.1 Zentrale Einrichtungen
Über ein heterogenes Netzwerk werden Arbeitsplätze in allen jenen
Dienststellen verbunden, die in die Planung und in die Führung des
Betriebes eingebunden sind.
Also einerseits jene Arbeitsplätze, die die Grundlagen der
Betriebsführung erarbeiten, wie z.B.
- Streckendaten
- Fahrpläne
- Dienstpläne
- VLSA-Beeinflussung
Diese Dienststellen liefern die Solldaten des Leitsystemes.
Andererseits sind alle jene Dienststellen in das RBL einzubinden, die
die Durchführung des planmäßigen Betriebes sicherstellen. Dies sind:
- Betriebsinspektion
- Hauptexpedite
- Bahnhöfe/Garagen
- Ablöseexpedite
Den Kern des Leitsystemes bildet eine zentrale Rechnergruppe, die alle
notwendigen Berechnungen durchführt und die Daten über das Netzwerk
den Dienststellen zur Verfügung stellt. Über diesen Server wird die
Verbindung zu den Fahrzeugen sichergestellt, der Leitrechner
kommuniziert über ein Datenfunkinterface und die Funkanlage in Form
eines zyklischen Pollings per Datenfunk (2400 Baud, FFSK, ca. 20
Fahrzeuge/Sekunde) mit den Fahrzeugen.
2.2 Fahrzeugausrüstung
Im Fahrzeug sorgt ein Bordrechner für die notwendige Steuerung aller
Fahrzeugkomponenten (Fahrscheinentwerter, Zugzielanzeige, Innenansage
etc.) und errechnet permanent den Standort des Fahrzeuges.
Die Standorterfassung durch das Fahrzeug ist ein wesentlicher Punkt,
der insbesonders für die Beeinflussung von Lichtsignalanlagen noch
relevant sein wird.
Zur Standorterfassung (Fahrzeugortung) benutzt der Bordrechner den
Wegimpulsgeber, unterstützt durch eine Kommunikation des Fahrzeuges
mit Infrarot-Ortsbaken an der Strecke und durch das Türkriterium
(Türöffnen in der Haltestelle). Das Fahrzeug muß seinen aktuellen
Standort im Durchschnitt mit einer Genauigkeit von +/- 5 m errechnen,
um eine ordentliche Grundlage für alle weiteren Systemoperationen
anzubieten.
Vom Bordrechner wird der aktuelle Standort per Datenfunk an den
Leitrechner übertragen, der Leitrechner vergleicht diesen Standort mit
dem geplanten (Sollstandort des Fahrzeuges lt. Fahrplan) und sendet
das Ergebnis dieses Fahrplan-Soll/Ist-Vergleiches an den Bordrechner
zurück (Anzeige der Fahrplanabweichung im Fahrzeug).
Der exakte Standort des Fahrzeuges ist wesentlich bei der
Datenfunk-Kommunikation des Fahrzeuges mit
- den Verkehrslichtsignalanlagen
- den dynamischen Fahrgastinformationsanlagen an den Haltestellen.
2.3 Streckenausrüstung
Neben den bereits erwähnten Infrarot-Ortsbaken sind die
Auswerteeinheiten an den Lichtsignalanlagen und die
Fahrgastinformationsanzeigen an den Haltestellen die wesentlichen
Streckenkomponenten, dies auch insofern, als an diesen Komponenten
eine direkte "Berührung" mit dem Individualverkehr (Ampel) bzw. dem
Fahrgast (FGI) stattfindet.
Daher werden nunmehr diese beiden Komponenten etwas vertiefter
betrachet.
3. Beschleunigungsmaßnahmen an Verkehrslichtsignalanlagen
Voraussetzung für die Beeinflussung der Ampel durch ein RBL-Fahrzeug
sind ein Rechner und ein Funkgerät am Fahrzeug und an der Ampel. Am
Fahrzeug sind diese Komponenten bereits vorhanden, an der Ampel werden
diese Komponenten nachträglich installiert.
An den Steuerungsrechner der Ampel wird eine Auswerteeinheit mit Modem
und Funkempfänger installiert. Diese AUswerteeinheit übergibt die vom
Fahrzeug per Datentelegramm an den Ampelempfänger übergebenen Daten an
den bestehenden Steuerungsrechner.
Die Entscheidung über das Schalten einer Grünphase für das
RBL-Fahrzeug liegt beim Programm des Kreuzungssteuerungsrechners und
nicht beim Fahrzeug. Das Fahrzeug hat nur die Möglichkeit sich
anzumelden, vergleichbar mit der Anmeldung eines Fußgängers per
Tastendruck.
Das Anmeldeverfahren des Fahrzeuges an der Ampel ist ein geplantes,
vergleichbar mit der örtlichen Festlegung von Oberleitungskontakten
bei der Straßenbahn und der Bestimmung der dafür vorgesehenen
Auswirkungen im Kreuzungssteuerungsrechner. Das Fahrzeug setzt an
definierten Meldepunkten (z.B. 300 m, 100 m) vor der Ampel
Anmeldetelegramme an die Ampel ab und meldet sichbeim Durchfahren der
Kreuzung durch ein Datentelgramm wieder ab. In diesem Zusammenhang ist
die vorher angesprochene Genauigkeit der Ortung des Fahrzeuges
relevant, das Fahrzeug "überfährt" im Bordrechner den in den
Streckendaten versorgten Meldepunkt.
Da die Ampel nur über einen Empfänger verfügt, werden die An- und
Abmeldetelegramme vom Fahrzeug - mit reduzierter Funkleistung und auf
einem eigenen Funkkanal - mehrfach kurt hintereinander an die Ampel
abgesetzt. Dies dient der Sicherheit der Übertragung, ebenso wie die
bewußt sehr kurzen Telegramme (VDV, R 10).
Das Telegramm vom Fahrzeug zur Ampel beinhaltet:
- die Art der Meldung (Fern-, Vor-, Hauptanmeldung, Abmeldung)
- die Priorität
- die Ein- und Ausfahrtsrichtung an der Kreuzung
- die Adresse (Nummer) der Kreuzung
Die Art der Meldung richtet sich nach der Struktur der befahrenen
Kreuzung. In der Regel werden drei Meldepunkte benötigt.
Die Priorität ist für den Kreuzungssteuerungsrechner ein wesentliches
Merkmal zur Steuerung bei Vorliegen von mehreren Anmeldugen von
verschiedenen Fahrzeugen. Der Bordrechner des Fahrzeuges errechnet für
das Fahrzeug eine Priorität, deren Bestimmung definiert werden kann.
Insbesonders die Fahrplanabweichnung und der Besetztgrad des
Fahrzeuges können herangezogen werden, um für das Fahrzeug eine
Priorität zu berechnen, sodaß an der Ampel jene Fahrzeuge mit
Verspätung und hoher Fahrgastzahl mit einer höheren Priorität
angemeldet werden und daher bevorzugt "abgearbeitet" werden gegenüber
Fahrzeugen, die z.B. pünktlich im Fahrplan fahren.
Die Ein- und Ausfahrtsrichtung bestimmt, aus welcher Richtung ein
Fahrzeug die Kreuzung befährt, und in welcher Richtung das Fahrzeug
die Kreuzung wieder verlassen wird. Somit ist es nicht notwendig, daß
der Kreuzungssteuerungsrechner die Linien "kennt", die diese Kreuzung
befahren und auch nicht deren Verlauf durch die Kreuzung.
Die Adresse (Nummer) der Kreuzung wird übertragen, um sicherzustellen,
daß die Auswerteeinheit nur die diese Kreuzung betreffenden Telegramme
auswertet und deren Inhalt an den Kreuzungssteuerungsrechner
weiterleitet.
Worin liegen die Vorteile bei der Lichtsignalanlagenbeeinflussung
durch ein RBL-Fahrzeug?
- flexible Gestaltung von Meldepunkten (keine baulichen Maßnahmen)
- keine Veränderung an der Ampel oder an der Streckenausrüstung bei
Umleitungen, Haltestellenverlegungen, neuen Linienführungen etc.
- Änderungen nur in der Datenversorgung der Fahrzeugbordrechner
- dezentrale Intelligenz am Fahrzeug, funktioniert daher auch
bei Ausfall der RBL-Zentrale
- Möglichkeit der Lichtsignalanlagenbeeinflussung durch andere
Verkehrsunternehmen im VOR
- Möglichkeit der Prioirsierung von Fahrzeugen
- Priorisierung dynamisch, nicht gleichbleibend
- differenzierte Behandlung sich kreuzender Linien
- technisch gleiches Verfahren für Straßenbahn und Autobus
- Auswertung der Verlustzeiten an der Ampel durch die zentrale
Statistik im RBL und damit Erkennen von Optimierungsmöglichkeiten
4. Dynamische Fahrgastinformationsanzeige an den Haltestellen
Das RBL-Wien verfügt ständig über alle Informationen zum aktuellen
Betriebszustand. Diese werden - nach Bedarf - den
Betriebsbediensteten, sowie den Leitstellenmitarbeitern angezeigt.
Diese Informationen können aber auch dem wartenden Fahrgast an der
Haltestelle angeboten werden.
Grundsätzlich ist der Fahrgast über die aktuelle Wartezeit bis zur
Abfahrt des nächsten Fahrzeuges der von ihm benutzten Linie zu
informieren, und über das aktuelle Ziel des Fahrzeuges, da es ja
aufgrund einer Kurzwende sein kann, daß das nächste Fahrzeug nicht bis
zur Endstelle fährt.
Über diesen Regelfall hinausgehend soll der Fahrgast konkret über
Betriebsstörungen informiert werden und ihm ein alternatives
Beförderungsangebot angezeigt werden können.
Diese Informationen sind darstellbar und werden seit einigen Monaten
an einer Testanzeige im Hauptexpedit Reumannplatz erprobt.
Die Übertragung der notwendigen Daten vom Leitrechner zur FGI-Anzeige
erfolgt über das Netzwerk (Lichtwellenleiter) oder über Datenfunk.
Wenn das angezeigte Fahrzeug die Haltestelle verläßt, meldet es sich
per Datenfunk von der Fahrgastinformationsanzeige ab und das nächste
ankommende Fahrzeug dieser Linie wird angezeigt.
5. Zusammenfassung
Das Rechnergesteuerte Betriebsleitsystem der Wiener Linien (RBL-Wien)
unterstützt die Betriebsführung des Oberflächenverkehrs indem den
dezentral organisierten Leitstellenmitarbeitern (Disponenten) und den
Betriebsbediensteten aktuelle Betriebszustände aufgezeigt werden und
indem Betriebsstörungen durch das Leitsystem frühzeitig
entgegengesteuert wird.
Die technische Gesamtkonzeption unterteilt sich in zentralenseitige,
fahrzeug- und streckenbezogene Systemteile.
Eine intelligente Fahrzeugausrüstung ermöglicht eine differenzierte
und bedarfsgerechte Beeinflussung der Verkehrslichtsignalanlagen.
Dem Fahrgast werden künftig über Anzeigesystem an den Haltestellen
konkrete Informationen über die aktuelle Betriebssituation auf der
gewählten Linie angeboten.