Autor Thema: Katars oberleitungslose Straßenbahn kommt aus Wien  (Gelesen 2171 mal)

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Katars oberleitungslose Straßenbahn kommt aus Wien
« am: 26. April 2015, 14:21:04 »
Siemens produziert in Wien eine neuartige Hybrid-Straßenbahn für Katars Hauptstadt Doha,
die Kondensatoren und Batterien verwendet und ohne Oberleitung auskommt.
Aus ökonomischen oder designtechnischen Gründen erfreuen sich oberleitungslose
Straßenbahnen immer größerer Beliebtheit bei Stadtverwaltungen in aller Welt. In mehreren
chinesischen Städten wird etwa seit Neuestem eine Straßenbahn eingesetzt, die Kondensatoren
als Energiespeicher verwendet. Diese werden an den Stationen in nur 30 Sekunden aufgeladen.
Siemens geht mit einer neuen Straßenbahn noch einen Schritt weiter.

Die Mobility-Sparte von Siemens errichtet in Katars Hauptstadt Doha eine Straßenbahnlinie,
welche die so genannte Education City, einen großen Bildungscampus, durchziehen soll.
Dabei kommen neue Hybrid-Straßenbahnen des Typs Avenio zum Einsatz. Diese verwenden
ein Hybrid-Energie-Speichersystem (HES), eine Kombination aus Kondensatoren und Batterien,
um eine Strecke von 11,5 Kilometern ohne Oberleitung zurückzulegen.

Hohe und konstante Leistung

Statt einer durchgehenden Stromleitung werden in Doha alle 24 Stationen der Straßenbahnlinie
mit Stromschienen ausgestattet, unter denen die Fahrzeuge zum Stehen kommen.
Mittels Pantograf wird der Kontakt zwischen Stromschiene und Straßenbahn hergestellt.
In wenigen Sekunden werden die Kondensatoren an Bord aufgeladen. Batterien liefern zusätzliche Energie.
Sie werden jeweils an den Endstationen der Linie wieder aufgeladen, wo die Standzeit drei Minuten beträgt.

Der hauptsächliche Vorteil des HES sind unterschiedliche Energiespeicher für unterschiedliche Fahrsituationen.
Beschleunigt die Straßenbahn etwa aus einer Station, wird viel Energie in kurzer Zeit verbraucht.
Dafür eignen sich Kondensatoren besonders. Während der Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit
kommen die Batterien zum Einsatz. Beim Abbremsen wird Energie rückgewonnen,
die vor allem in die Kondensatoren fließt. Die restliche Kondensatorladung holt sich die Straßenbahn
beim Halt in den Stationen. Sollte es zu einem außerplanmäßigen Halt auf der Strecke kommen,
bleibt die Straßenbahn nicht liegen. Es gibt ja noch die Batterien an Bord.

Keine Komforteinbußen

Die Hybrid-Straßenbahn hat mehrere weitere Vorteile. Zunächst einmal wird das Landschaftsbild
nicht durch eine Oberleitung beeinträchtigt. Im Falle des Auftrags aus Doha war dies
eine wichtige Anforderung, erklären die Siemens-Techniker bei einem futurezone-Besuch im
 Prüf- und Validationcenter Wegberg-Wildenrath in Deutschland. Dort wird die Avenio-Hybrid-Straßenbahn im Fahrbetrieb getestet.

Auf einer 2,5 Kilometer langen Teststrecke wurde Journalisten gezeigt, was man als Passagier
vom neuen Antriebssystem in der Praxis merkt: absolut nichts. Die Straßenbahn beschleunigt
und fährt wie die gewohnte Wiener "Bim". Beim Halten in der Station kündigt der Fahrer
an mitzuteilen wie lange es dauert, bis die Kondensatoren aufgeladen sind. Nach nur fünf Sekunden
 heißt es über die Bordlautsprecher: "Voll." Die Fahrt geht weiter.

Stromsparen und Skalierbarkeit

Durch HES kann der Straßebahnbetreiber bis zu 25 Prozent Strom gegenüber einem Oberleitungsbetrieb
 einsparen. Abgesehen von Schienen und den Ladepunkten an den Haltestellen sind keine
Veränderungen der Straßeninfrastruktur notwendig. Außerdem sinkt die Beeinträchtigung durch Sand -
ein wichtiger Faktor im Wüstenstaat Katar - und die Gefahr von Berührungsspannungen.
Sollte die Straßenbahnlinie erweitert werden, ist dies möglich, solange die Stationen nicht mehr
als 2,5 Kilometer voneinander entfernt sind.

Tests im Klima-Wind-Kanal

Um den harten klimatischen Bedingungen in Doha standzuhalten, wurden
an die Hybrid-Straßenbahn besondere Anforderungen gestellt. Bei 40 Grad Außentemperatur
müssen etwa maximal 25 Grad Innenraumtemperatur eingehalten werden. Die Avenio-Straßenbahn
wurde deshalb im Klima-Wind-Kanal von Rail Tec Arsenal in Wien getestet. Gefertigt werden
die insgesamt 19 Straßenbahnen ebenfalls in Wien. Bis Ende 2015 soll die Produktion abgeschlossen sein.
Die Straßenbahnlinie in Doha soll 2016 in Betrieb gehen.

Für Siemens handelt es sich bei dem Auftrag um ein Turnkey-Projekt. Das heißt, das Unternehmen
liefert Fahrzeuge, die Kommunikations- und Sicherheitstechnik, errichtet ein ganzes Depot samt Werkstatt,
stimmt die Anknüpfungspunkte zur örtlichen Straßenverkehrssteuerung ab und übernimmt den Betrieb
und die Wartung für die ersten drei Jahre. Erfahrungen mit dem Schienenverkehr hat Katar bisher nicht.
Die Hybrid-Straßenbahn ist das erste Eisenbahnprojekt in Katar.


quelle: http://futurezone.at/digital-life/katars-oberleitungslose-strassenbahn-kommt-aus-wien/126.736.935