Der Erhaltungs- und Sanierungsaufwand für Altbauten wird oft - auch von Profis - völlig überschätzt, wirkliche Totalschäden sind selten und meistens durch extreme Vernachlässigung (und damit meine ich eher schon jahrelang riesige Löcher im Dach) bedingt. Ich wohne in einem über 100 Jahre alten Haus und habe guten Einblick in den Erhaltungsaufwand. 2013 wurde - weil sowieso Dacharbeiten notwendig waren - meines Wissens erstmals das Dach neu gedeckt, teilweise von der Versicherung bezahlt. Reparaturen an tragenden Teilen bislang in den letzten Jahrzehnten nur Wasserschadensanierung in zwei Zimmern (neue Bretter für ein paar zig Euro auf die Tramdecke nageln), die Kastenfenster müssen ca. alle 10-15 Jahre neu lackiert werden, die Lackierung aus den frühen 90ern hat sogar um die 20 Jahre gehalten. Die Blei-Wasserleitungen waren nach über 90 Jahren einmal fällig, die Abflüsse (vor allem die Fallstränge aus Gusseisen) sind weitgehend noch original. Wenn eine Wohnung frei wird sind selbst bei grobem angestautem Renovierungsbedarf nur kosmetische Maßnahmen, eine neue Elektroinstallation (falls die noch aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg stammt), eventuell neues Bad und Küche und bei hohen Ansprüchen Neuverlegung des einen oder anderen Parkettbodens fällig.
Ach ja, die eine oder andere punktuelle Dämmmaßnahme (Dach und Souterrain) war auch noch dabei. Und irgendwann in den 70ern die Elektrosteigleitung.
Natürlich ist das ein großbürgerliches Haus mit nach heutigen Maßstäben besseren Grundrissen (große Wohnungen mit Bad und WC) und dementsprechend sind in Arbeiterhäusern umfangreichere Arbeiten nötig um sie für moderne Wohnzwecke brauchbar zu machen, z.B. Badeinbau, aber die Tendenz, Altbauten abzureißen ist nicht unwesentlich dem Wunsch nach Maximierung der Nutzfläche geschuldet - und eben (laut Zeitschrift Immobilienwirtschaft) der kompletten Fehleinschätzung der Kosten. Angenommen wird, dass 90% der Kosten auf den Bau anfallen und die Betriebs- und Erhaltungskosten nur 10% ausmachen, real dürfte es mindestens bei 50:50 liegen, wenn nicht 30:70. Dazu kommt eine gewisse Abneigung gegen Überraschungen bei Baufirmen, die ich zwar teilweise nachvollziehen kann, die meiner Meinung nach aber auch zu kräftiger Ressourcenverschwendung führt.