Autor Thema: Allerheiligenverkehr 2011  (Gelesen 31681 mal)

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moszkva tér

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Re: Allerheiligenverkehr 2011
« Antwort #60 am: 03. November 2011, 09:44:49 »
Die von dir angeführte Statistik der Bevölkerungsentwicklung scheint mir nur bedingt als Erklärung für die Änderung des Modal Splits sinnvoll.
Die Bevölkerungsentwicklung hat mit dem Modal Split gar nichts zu tun.
Sie erklärt nur, dass jetzt prinzipiell mehr Menschen in Wien leben als früher, die eben auch den ÖV nutzen. Es fahren also in absoluten Zahlen mehr Menschen öffentlich als früher. Dass muss nicht heißen, dass auch prozentuell mehr Leute öffentlich fahren.
Das erklärt aber z.B., warum Linien heute trotz Lang-ULFen übervoll sind, obwohl sie vor 10-15 Jahren noch mit Solo-TW locker ausgekommen sind.

Auch die gründerzeitlichen Bezirke haben nun wieder ein Bevölkerungswachstum, u.A. durch Nachverdichtung (z.B. Dachbodenausbauten), wenn auch geringer als die Stadterweiterungsgebiete im Süden und Osten, was sich natürlich auf die (absoluten) Fahrgastzahlen auswirkt.

Die Entwicklung des Modal Split wird ohnehin besser bewertet als sie ist. In den letzten 10 Jahren hat sich der Modal Split "nur" um 2 Prozentpunkte zugunsten des ÖV verlagert. Das ist vernachlässigbar, wenn man die Unmengen an Geldern hernimmt, die in die U-Bahn investiert wurden. Da hat mMn die U-Bahn nur eine kleine Rolle gespielt, das ist eher der Verdienst der Parkraumbewirtschaftung.

Zitat
Mein Verdacht ist, dass das Wachstum stark in der Gruppe der unter 18jährigen statt findet und diese dann in einigen Jahren in der Hauptsache in BMW und Mercedes :) fahren werden.
Das größte Bevölkerungswachstum in Wien findet derzeit in Transdanubien statt. Also in einer Gegend, die ÖV-mäßig relativ schlecht erschlossen ist. Hier wäre eine Chance, die Kinder und Jugendlichen durch ein gutes Angebot dauerhaft an den ÖV zu binden, damit sie, wenn sie das Führerscheinalter erreicht haben, als Kunden erhalten bleiben. Ob das derzeit ausreichend geschieht? Kann ich nicht beurteilen.

60er

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Re: Allerheiligenverkehr 2011
« Antwort #61 am: 03. November 2011, 10:24:29 »
Mein Verdacht ist, dass das Wachstum stark in der Gruppe der unter 18jährigen statt findet und diese dann in einigen Jahren in der Hauptsache in BMW und Mercedes :) fahren werden.
Ist die Zahl der unter 18-Jährigen in den vergangenen Jahren so stark angestiegen? Ich vermute eher, dass die Überalterung der Bevölkerung zu mehr ÖV-Benutzern führt. Viele müssen irgendwann ihren Führerschein altersbedingt abgeben oder fühlen sich nicht mehr in der Lage ein Auto zu lenken und steigen dadurch im höheren Alter wieder auf den öffentlichen Verkehr um.

moszkva tér

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Re: Allerheiligenverkehr 2011
« Antwort #62 am: 03. November 2011, 10:35:21 »
Viele müssen irgendwann ihren Führerschein altersbedingt abgeben oder fühlen sich nicht mehr in der Lage ein Auto zu lenken und steigen dadurch im höheren Alter wieder auf den öffentlichen Verkehr um.

Wer zu alt oder gebrechlich zum Autofahren ist, tut sich i.d.R. auch mit den kurzen Fußwegen zur nächsten Bushaltestelle sehr schwer. Viele dieser Menschen nutzen dann auch einen speziellen Fahrtendienst und nur mehr selten die Öffis.

60er

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Re: Allerheiligenverkehr 2011
« Antwort #63 am: 03. November 2011, 10:49:05 »
Wer zu alt oder gebrechlich zum Autofahren ist, tut sich i.d.R. auch mit den kurzen Fußwegen zur nächsten Bushaltestelle sehr schwer. Viele dieser Menschen nutzen dann auch einen speziellen Fahrtendienst und nur mehr selten die Öffis.
Naja, da gibt es schon noch einen ordentlichen Spielraum dazwischen. Genügend Senioren sind heutzutage rüstiger denn je, trauen sich aber z.B. aufgrund eines Sehfehlers nicht mehr ein Auto zu benutzen.

haidi

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Re: Allerheiligenverkehr 2011
« Antwort #64 am: 03. November 2011, 12:56:09 »
Mein Einwand des Vergleiches Bevölkerungswachstums und Modal Split begründet sich auf folgender Überlegung:

Der Modal Split sagt aus, wie groß die Anzahl der mit den einzelnen Verkehrsmitteltype zurückgelegten Wege ist.

Das Bevölkerungswachstum sagt aus, um wieviel die Anzahl der in Wien lebenden Menschen zugenommen hat.

Meine Überlegung ist:
Familien mit Migrationshintergrund (vorsichtig ausgedrückt) haben viele Kinder, die einerseits zum Bevölkerungswachstum zählen, andererseits aber erst in 1 - 18 Jahren den Führerschein machen können und jetzt zwangsläufig öffentlich fahren. Man kann annehmen, dass sie dann aufs Auto umsteigen.

Meiner Ansicht nach ist beim Modal Split wirklich interessant der Anteil der Bevölkerung, der zwischen 18 und 70 oder 80 Jahre alt ist, dieser hat wirklich die Auswahl zwischen all diesen Verkehrsmitteln, die im Modal Split abgefragt werden. Nur dieser Anteil, der eben auch die Wahl hat, selbst mit dem Auto zu fahren, scheint mir relevant zu sein für die Relation Qualität des öffentlichen Verkehrs und "freiwillige" Nutzung desselben. Dass in dieser Gruppe auch Menschen ohne Führerschein sind, stört nicht, weil der Anteil derjenigen, die ihn aus persönlichen Gründen nicht bekommen, konstant sein wird, andererseits aber immer mehr junge Stadtmenschen keinen Führerschein machen, weil "ich den in Wien eh nicht brauche".


Hannes
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moszkva tér

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Re: Allerheiligenverkehr 2011
« Antwort #65 am: 03. November 2011, 13:14:02 »
Familien mit Migrationshintergrund (vorsichtig ausgedrückt) haben viele Kinder, ...

Das stimmt so nicht ganz
Neu zugewanderte Menschen haben meist mehr Kinder als der Durchschnitt, aber auch das hängt vom kulturellen Hintergrund ab, kann man also nicht so pauschal sagen.
Was Studien herausgefunden haben - diese suche ich gerade - ist, dass die zweite Generation - also Leute, die bereits hier geboren wurden oder als Kinder zugewandert sind - im reproduktiven Verhalten nicht mehr von der Durchschnittsbevölkerung abweichen.

Ein großer Teil der Zuwanderung nach Wien ist übrigens die Binnenwanderung, z.B. Studenten aus den Bundesländern oder anderen EU-Ländern (Deutschland!), die auch nach Abschluss des Studiums hierbleiben.

Wie gesagt, zitierbare Studien möchte ich noch suchen, aber vielleicht kann mir in der Zwischenzeit auch jemand aushelfen?

Zitat
Der Modal Split sagt aus, wie groß die Anzahl der mit den einzelnen Verkehrsmitteltype zurückgelegten Wege ist.

Das Bevölkerungswachstum sagt aus, um wieviel die Anzahl der in Wien lebenden Menschen zugenommen hat.
Vollkommen korrekt, zwei verschiedene Paar Schuhe.
Das Bevölkerungswachstum bzw. die Bevölkerungszahl gibt jedoch an, wieviele Menschen hier leben, die prinzipiell einen Bedarf an Mobilität haben. Steigt diese Zahl, heißt das, dass prinzipiell mehr Menschen unterwegs sind, mit welchem Verkehrsmittel auch immer. So könnte z.B. der Modal Split sich zugunsten des ÖV verschieben, obwohl dennoch absolut gesehe mehr Menschen mit dem Auto fahren (oder umgekehrt).
Damit wollte ich sagen, dass daher das beobachtete Phänomen kommt, dass heute Linien überfüllt sind, die es früher nicht waren.

Zitat
Nur dieser Anteil, der eben auch die Wahl hat, selbst mit dem Auto zu fahren, scheint mir relevant zu sein für die Relation Qualität des öffentlichen Verkehrs und "freiwillige" Nutzung desselben.
Jein. Da auch Kinder in die Schule müssen, zumindest bis 15, fahren auch sie nicht freiwillig öffentlich, sondern aus einer Verpflichtung, der Schulpflicht, heraus. Sie haben nur nicht die Wahl, welches Verkehrsmittel sie in die Schule nehmen. Aber auch das stimmt nicht ganz, denn es gibt durchaus Kinder, die von den Eltern chauffiert werden.

Und ich gehe in meiner Überlegung ja weiter: Will man, dass die Erwachsenen von morgen auch Öffi-Fahrer bleiben, ist es das beste, sie schon im Kindergarten mit einem vernünftigen Angebot "abzuholen" und zu überzeugen. Eigentlich ist es "simples Marketing" - es ist der zehnfache Aufwand, einen Neukunden zu werben als einen Bestandskunden zu halten.

60er

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Re: Allerheiligenverkehr 2011
« Antwort #66 am: 03. November 2011, 13:19:13 »
Eigentlich ist es "simples Marketing" - es ist der zehnfache Aufwand, einen Neukunden zu werben als einen Bestandskunden zu halten.
Das ist natürlich richtig. Wobei im Hinblick auf Bestandskunden eh viel gemacht wird, etwa die Preisreduktion bei der Jahreskarte. Ob diese Maßnahme fruchten wird, wird sich natürlich erst in einiger Zeit zeigen.

W_E_St

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Re: Allerheiligenverkehr 2011
« Antwort #67 am: 09. November 2011, 21:53:12 »
Das allgemeine Verkehrsaufkommen ist eindeutig gestiegen. Aus dem Grund finde ich den Ankauf so vieler A-Ulfe ja auch reichlich sinnlos. Denn auf zahlreichen Linien erweisen sich die Züge regelmäßig als zu klein (40, 46, äußere Mariahilfer Straße).
Nachdem man die Takte bei der Straßenbahn "gesund" geschrumpft hat, wird man nurmehr die kurzen ULF brauchen...  :-\ Wie hier schon geschrieben wurde, die große Akzeptanz des ÖV ergibt sich zum guten Teil aus den fahrplanmäßig recht kurzen Wagenfolgen.
Wieso? Die Intervalle werden doch eh immer kürzer! Oder? *sfg*
"Sollte dies jedoch der Parteilinie entsprechen, werden wir uns selbstverständlich bemühen, in Zukunft kleiner und viereckiger zu werden!"

(aus einer Beschwerde über viel zu weit und kurz geschnittene Pullover in "Good Bye Lenin")