Autor Thema: [PM] Wenn die U-Bahn wieder einmal später kommt  (Gelesen 3750 mal)

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[PM] Wenn die U-Bahn wieder einmal später kommt
« am: 22. April 2013, 10:13:46 »
Zitat
Wenn die U-Bahn wieder einmal später kommt

20.04.2013 | 18:10 |  von Erich kocina (Die Presse)

Falschparker, technische Schäden oder einfach Pech - woran die Wiener Linien in Sachen Pünktlichkeit scheitern. Und was Harald Kastner, Chef der Leitstelle,in solchen Situationen macht.

Eine Minute dauert in der Regel genau eine Minute. In der Regel deswegen, weil eine Minute gelegentlich auch mehrere Minuten zu dauern scheint. Wenn die Anzeige, wann die nächste U-Bahn kommt, schon seit vier Minuten nicht mehr weitergesprungen ist. Spätestens dann, wenn die Minutenanzeige endgültig ausgeblendet wird, ist die Gewissheit da: Das wird wieder einmal länger dauern. Die Wiener Linien haben offenbar wieder einmal versagt.

Warum es eine Verspätung – oder gar einen Ausfall – gibt, ist den Fahrgästen in der Regel egal. Sie erwarten von einem Transportunternehmen einfach, dass es sie von A nach B bringt. Und das in einer halbwegs akzeptablen Zeit. Auch Harald Kastner weiß das. Als Leiter der Betriebsleitstelle ist er der Hauptverantwortliche dafür, dass die Unzufriedenheit der Kunden möglichst gering bleibt. Seine 60 Mitarbeiter überwachen rund um die Uhr sämtliche Fahrten von Straßenbahnen und Bussen, die in der Stadt unterwegs sind. Dazu kommt auch noch eine eigene Leitstelle für die U-Bahn. „Bis zu 900 Fahrzeuge haben wir im Auslauf“, sagt Kastner. Gerade zu den Stoßzeiten fährt man sehr dichte Intervalle, auf stark frequentierten Linien kommt die Straßenbahn alle drei Minuten. Oder sollte es zumindest. „Der Betrieb ist sehr sensibel“, sagt Kastner. „Und Kleinigkeiten haben zum Teil rasch große Auswirkungen.“

Grünphase verpasst. Kleinigkeiten, das ist ein dehnbarer Begriff. Gemeint ist etwa, wenn ein Fahrer jemandem beim Einsteigen mit dem Kinderwagen hilft. Oder einem Fahrgast Geld wechselt, damit er sich einen Fahrschein kaufen kann. Dadurch verpasst er vielleicht eine Grünphase. Und schon hinkt man dem Fahrplan ein paar Minuten hinterher. In Summe nicht so tragisch, in einem komplexen System wie dem öffentlichen Verkehr in einer Großstadt lässt sich das wohl verschmerzen. Wenn es nur bei diesen Kleinigkeiten bliebe. Bei den Wiener Linien verweist man in diesem Zusammenhang gern auf die anderen Mitbenutzer der Verkehrsflächen.

„Die Kunden glauben, dass wir schuld sind“, sagt Kastner. „Aber oft liegt es an Verkehrsunfällen – oder an Falschparkern.“ In der Währinger Straße oberhalb des Gürtels gibt es besonders viele Probleme. Weil die Straßenbahn den Gleiskörper mit den Autos teilen muss. Und weil die Straße eng ist – und ein parkendes Auto nur um ein paar Zentimeter falsch geparkt sein muss, um den ganzen Betrieb aufzuhalten. „Bei Falschparkern ist die Zeit absehbar“, sagt Betriebsleiter Kastner, „entweder kommen die Leute gleich, die nur kurz etwas geholt haben. Oder das Auto wird in zehn bis 15 Minuten abgeschleppt.“

Bei einem solchen Ereignis heißt es für die Fahrgäste zunächst einmal warten. Denn eine Umleitung über andere Gleise wäre zwar möglich, doch bei absehbaren Wartezeiten will man den Passagieren lieber nicht zumuten, an völlig anderen Stationen aussteigen zu müssen. Bei Verkehrsunfällen sieht das schon etwas anders aus. Ist klar, dass es länger dauert, weil die Unfallstelle nicht gleich geräumt werden kann oder etwa Verletzte geborgen oder versorgt werden müssen, schreitet die Leitstelle ein.

Die beiden möglichen Varianten lauten dann: kürzen oder ablenken. Bei der ersten Möglichkeit wird versucht, den Linienbetrieb vor und nach der Unfallstelle aufrechtzuerhalten, indem die Straßenbahn davor eine Schleife dreht und wieder zurückfährt – allerdings muss auf der entsprechenden Linie auch die Möglichkeit dafür vorhanden sein. Die Variante des Ablenkens sieht vor, dass die Straßenbahn die betroffene Stelle über die Gleise anderer Linien umfährt. Bei beiden Spielarten ist aber klar: Der Fahrplan lässt sich nicht einhalten.

Keine Ausweichroute. Leichter haben es die Busse. Sie sind nicht so störungsanfällig wie Straßenbahnen, weil sie Hindernissen ausweichen und Problemstellen umfahren können. Wobei an manchen Stellen auch für Busse keine Chance besteht. Staut es sich etwa in den engen Gassen der Josefstadt, hat der 13A nur wenige Möglichkeiten, auf einer anderen Route zu fahren. Und letztlich ist man auch hier von anderen Verkehrsteilnehmern abhängig – und muss sich den vorhandenen Raum mit ihnen teilen.

In den geplanten Intervallen sind derartige Verzögerungen nicht einkalkuliert. „Die Fahrzeiten sind immer auf den Best Case ausgerichtet“, sagt Kastner. Natürlich gibt es kleine Aufschläge je nach Tageszeit, weil Ampelschaltungen und Verkehrslage zu einem gewissen Teil berechenbar sind. Doch bei dichten Intervallen reicht schon ein unvorhergesehenes Ereignis, um den Fahrplan durcheinanderzuwirbeln. Warum das so ist, wer die Schuld an einer Verspätung trägt, das ist den Fahrgästen letztlich egal. Sie wollen transportiert werden. Und Stillstand wird nun einmal nicht als Teil des Transports empfunden. Es wird also geschimpft.

Keine Statistik. Gut, gelästert wird auch über die ÖBB. Dass der Zug nicht rechtzeitig abgefahren ist, dass die S-Bahn unpünktlich war – doch die Bundesbahnen können sich zumindest im Nachhinein mit einer Statistik brüsten. 2012 waren im Fernverkehr 86,2 Prozent der Züge pünktlich unterwegs, im Nahverkehr 97 und in der Wiener S-Bahn sogar 97,6 Prozent. Die Wiener Linien führen eine solche Statistik nicht. Warum eigentlich nicht? Laut Sprecher Dominik Gries deswegen, weil es unfair wäre: Weil die ÖBB-Züge auf eigenen Anlagen fahren, die sie nicht mit anderen Verkehrsteilnehmern teilen müssen. Und weil auf stark frequentierten Gleisen vielleicht zehn Züge pro Stunde fahren – im Stadtverkehr Busse, Straßenbahnen und auch U-Bahnen um einiges öfter unterwegs sind. Nur auf eines legt er sich fest: „In der Summe der gefahrenen Kilometer liegen die Ausfälle im Bereich von null Komma...“

Die insgesamt gefahrenen Kilometer helfen all jenen, die seit einer Viertelstunde oder länger an der Haltestelle warten, natürlich nicht wirklich weiter. Und der Unmut der Pendler, die am Montagmorgen von Hütteldorf mit der U4 losfahren wollen, wird durch die jährliche Kilometerleistung nur bedingt zu besänftigen sein. Weil ein Schotterreinigungswagen um 3.30 Uhr morgens entgleiste und mühsam geborgen werden musste, war die U4 zwischen Hütteldorf und Hietzing bis 10.20 Uhr vormittags gesperrt. Zur frequenzstärksten Zeit also. Zwar standen, von der Leitstelle organisiert, schon zum eigentlich geplanten Betriebsbeginn sieben Busse als Schienenersatzverkehr zur Verfügung. Doch natürlich kann ein Niederflurbus mit einem Fassungsvermögen von rund 150 Personen eine U-Bahn-Garnitur, die 800 bis 900 Menschen transportieren kann, niemals ersetzen. Viel mehr Busse hätte man gar nicht zur Verfügung – außer, man würde sie von anderen Linien abziehen, was aber dort für längere Intervalle sorgen würde. Noch mehr Busse einzusetzen, hätte aber ohnehin wenig Sinn – „sie würden sich“, sagt Betriebsstellenleiter Kastner, „auf der Hadikgasse zwischen den Stationen selbst im Weg stehen“.

Viel hängt also davon ab, die Passagiere umfassend zu informieren. Über Lautsprecher, Durchsagen in den Verkehrsmitteln, aber auch über Social Media wie Facebook und Twitter. Natürlich wurden im konkreten Fall auch die ÖBB informiert, damit sie gegebenenfalls schon in den Zügen warnen können, dass es in Hütteldorf nicht weitergeht – und die Fahrgäste vielleicht in einer anderen Station besser dran wären. Manche können dann noch großräumig ausweichen, die anderen fühlen sich im besten Fall zumindest nicht ganz allein gelassen.

Allein gelassen – dieses Gefühl kennen einige Fahrgäste der Wiener Linien durchaus. Etwa dann, wenn eine U-Bahn-Garnitur mitten im Tunnel halten muss. Gerade auf der U4 gab es in den vergangenen Jahren einige solcher Fälle. So mussten etwa im November 2010 rund 250 Fahrgäste wegen einer Stromstörung zwei Stunden lang in einer Garnitur ausharren. Ein Kommunikationsfehler, räumten die Wiener Linien ein. Denn im Störungsmanagement sei es routinemäßig vorgesehen, dass die Fahrgäste nach längstens 15 Minuten sicher aus einem Zug gebracht werden sollen.

Wobei eine Evakuierung wirklich nur dann durchgeführt werden soll, wenn klar ist, dass es sich um einen größeren Schaden handelt. Schließlich ist es ein gewisser Aufwand, die Passagiere sicher aus den Zügen zu bekommen – in den Tunnels zwischen den Stationen gibt es meist keine Bahnsteige auf gleichem Niveau, man müsste also aus den Waggons klettern oder springen. Außerdem sollte niemand unbegleitet durch die Tunnel gehen müssen – es wird also gewartet, bis genügend Einsatzkräfte bei der Garnitur sind. Und natürlich muss vor einer Evakuierung der Strom auf der Strecke abgeschaltet werden. Eine sofortige Räumung ist nur dann vorgesehen, wenn Gefahr im Verzug ist, etwa bei einem Brand. In der Regel versucht der Fahrer ohnehin, die nächste Station zu erreichen. Denn dort gibt es Fluchtwege und Personal, das helfen kann. Selbst wenn die Notbremse betätigt wird, wird deswegen erst im Stationsbereich gebremst.

Suche nach Ersatz. In der Leitstelle werden in einem solchen Fall natürlich sofort die Einsatzkräfte alarmiert. Rettung, Feuerwehr, Polizei und eigene Teams der Wiener Linien. Gleichzeitig suchen die Mitarbeiter schon nach Möglichkeiten, einen Ersatzverkehr einzurichten. Klar ist aber, dass all das eine gewisse Zeit dauert. Und dass es wegen des Problems auch für die Passagiere auf anderen Linien zu Verzögerungen kommen kann. Für einige hundert, je nach Tageszeit sogar einige tausend Menschen bricht dann wieder die Zeit an, in der eine Minute eben nicht nur eine Minute dauert. Und in der die Gewissheit heranreift: Das wird wieder einmal länger dauern.

Quelle: http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/1391822/Wenn-die-UBahn-wieder-einmal-spaeter-kommt?from=suche.intern.portal

Insgesamt ein doch recht ausgewogener Artikel. Nur die Aussage von DG, dass man keine Störungs-/Verspätungsstatistik führt, stimmt einfach nicht. Es werden gröbere Frequenzverspätungen sehr wohl mitprotokolliert - auch bei Straßenbahn und Autobus. Bei der U-Bahn greift das Argument sowieso nicht, dass man im Verkehr mitschwimmen muss.
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ULF

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Re: [PM] Wenn die U-Bahn wieder einmal später kommt
« Antwort #1 am: 22. April 2013, 11:26:33 »
Nur die Aussage von DG, dass man keine Störungs-/Verspätungsstatistik führt, stimmt einfach nicht.
Ich glaube, da geht es nicht um eine Statistik, die irgendwo im stillen Kämmerchen geführt wird, sondern um eine, die öffentlich einsehbar ist (alles andere ist für den gemeinen Fahrgast und die Breite der Öffentlichkeit und Politik irrelevant). Konkret wird man wohl auf die im Internet präsente Pünktlichkeitsstatistik der ÖBB anspielen..

13er

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Re: [PM] Wenn die U-Bahn wieder einmal später kommt
« Antwort #2 am: 22. April 2013, 13:47:57 »
Das wäre natürlich auch möglich. Aber da sowieso alle U-Bahnen bei über 99% bzw. die U4 knapp darunter liegt, könnte man so eine Statistik zumindest für die U-Bahn veröffentlichen - die ist ja auch vom IV komplett unabhängig, sogar noch mehr als die ÖBB.
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Klingelfee

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Re: [PM] Wenn die U-Bahn wieder einmal später kommt
« Antwort #3 am: 22. April 2013, 14:25:42 »
Das wäre natürlich auch möglich. Aber da sowieso alle U-Bahnen bei über 99% bzw. die U4 knapp darunter liegt, könnte man so eine Statistik zumindest für die U-Bahn veröffentlichen - die ist ja auch vom IV komplett unabhängig, sogar noch mehr als die ÖBB.

Das Problem ist nur, dass in der Statistik  nur ausgeworfen, wie lange es gedauert hat, das die Linie wieder planmässig ist. Nicht jedoch, wann die Linie wieder regelmässig unterwegs ist.
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