Autor Thema: [Kontrollamtsbericht] Prüfung der Sicherheitsstandards des öffentlichen Verkehrs  (Gelesen 4413 mal)

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E2

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Das Kontrollamt hat an der Außenstelle Simmering des Betriebsbahnhofes Favoriten, an der Außenstelle Gürtel des Betriebsbahnhofes Hernals und am Stammbetriebsbahnhof Floridsdorf unangekündigt die Wagenübernahme von Straßenbahnen der Typen E1, E2 und ULF vor der ersten Ausfahrt in der Früh einer stichprobenweisen Prüfung unterzogen.

Nur zwei von den insgesamt 16 beobachteten Wagenübernahmen waren im Wesentlichen im Sinn der DV Strab vorgenommen worden: Die Bediensteten kamen rechtzeitig - also zumindest 15 Minuten vor der Ausfahrt - aus dem Expedit zur zugewiesenen Straßenbahn, nahmen den Platz für die Straßenbahnfahrerin bzw. den Straßenbahnfahrer ein und schritten danach innen und außen die Straßenbahn ab, um allfällige Mängel bzw. Beschädigungen bemerken zu können. Auch die Funktion der Türen, der Beleuchtungseinrichtungen, der Magnetschienenbremse und anderer wesentlicher Sicherheitseinrichtungen wurde wie vorgesehen geprüft.

Fünf Straßenbahnfahrerinnen bzw. Straßenbahnfahrer führten überhaupt keine Über-prüfungen im Zuge der Wagenübernahme durch. Sie kamen verspätet aus dem Expedit zu der zugeteilten Straßenbahn, fuhren gleich los oder warteten die bis zur planmäßi-gen Ausfahrt noch verbleibende Zeit ohne Durchführung der vorgesehenen Fahrzeug-prüfung am Platz für die Straßenbahnfahrerin bzw. den Straßenbahnfahrer ab.

Neun Straßenbahnfahrerinnen bzw. Straßenbahnfahrer führten die Wagenübernahme unvollständig durch. Es fehlten wichtige Elemente wie beispielsweise die Türenprüfung, die Funktionsprüfung der Magnetschienenbremse oder die Prüfung des Füllstandes der Sandbehälter bei Straßenbahnen der Typen E1 und E2.

Zusätzlich zu den 16 Wagenübernahmen, bei denen es den Straßenbahnfahrerinnen bzw. Straßenbahnfahrern nicht bewusst war, dass ihr Verhalten bei der vorgeschriebenen Fahrzeugprüfung beobachtet wurde, fanden noch zwei Wagenübernahmen bei Straßenbahnen vom Typ E1 nach vorheriger Vorstellung der Prüfer des Kontrollamtes statt. Dennoch wiesen auch diese Wagenübernahmen Mängel auf. So wurde nicht auf das Vorhandensein des Feuerlöschers, des Verbandkastens, der Einschlaghämmer und der Weichenkrücke geachtet. Die Sichtprüfung des Fangkorbes samt Tastgitter wurde unterlassen. Der Geräteschrank, in dem sich beispielsweise das Kuppeleisen oder die Weichenkeile befinden, wurde nicht auf vollständigen Inhalt geprüft. Die Funktion der Lautsprecheranlage wurde weder innen noch außen ausprobiert. Der Stromabnehmer wurde nicht abgezogen, obwohl dies im Rahmen der Wagenübernahme vorge-sehen ist. Die Notbeleuchtung und die Handbremse wurden ebenfalls nicht geprüft.

Das Kontrollamt unterzog bei der Straßenbahn auch die von der DV Strab vorgeschriebene Wagenübernahme auf der Strecke - also den Straßenbahnfahrerinnenwechsel bzw. Straßenbahnfahrerwechsel - einer Prüfung. So wurden zwei Wagenübernahmen an Haltestellen mitten auf der Strecke beobachtet. Die ablösenden Bediensteten warteten rechtzeitig auf das Eintreffen der Straßenbahn, die sie planmäßig übernehmen mussten. Die Bediensteten, die in die Pause gingen, machten keine Mitteilungen über den technischen Zustand der Straßenbahn. Die ablösenden Bediensteten fuhren ohne Kenntnis über den technischen Zustand der Straßenbahn umgehend los. Eine sofortige Überprüfung des Wagens hätte auch eine Betriebsverzögerung für die in der Straßenbahn befindlichen Fahrgäste ergeben. Der gemäß DV Strab vorgeschriebene Augenschein bzgl. des ordentlichen Zustandes der Straßenbahn für Wagenübernahmen auf der Strecke wurde von einem Straßenbahnfahrer in der Endstelle nur teilweise nachgeholt. Der Straßenbahnfahrer prüfte zwar den Füllstand der Sandbehälter der übernommenen Straßenbahn vom Typ E1. Darüber hinausgehende Prüfungen wie beispielsweise die Funktionsprüfung der Magnetschienenbremse fanden aber nicht statt, obwohl der Aufenthalt in der Endstelle rd. zehn Minuten betrug und der Straßenbahnfahrer somit entsprechend Zeit dafür gehabt hätte.

Der andere Straßenbahnfahrer, der eine Straßenbahn vom Typ ULF übernommen hatte, führte überhaupt keine Wagenprüfungen durch. Er nützte vielmehr den rd. sieben Minuten dauernden Aufenthalt in der Endstelle für ein Telefonat.



Quelle: http://www.kontrollamt.wien.at/ausschuss/02/02-10-KA-V-K-16-9.pdf

Uiuiui, und das is erst ein kleiner kleiner Teil.
Amüsante Lektüre.

Und ihr diskutiert über Fahrscheinautomaten....

158er

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Das ist allerdings interessant!

–> Bitte, wenn möglich, in einen neuen Thread verschieben, das paßt nicht ganz zur Tarifstruktur!

E2

  • Gast
Das ist allerdings interessant!

–> Bitte, wenn möglich, in einen neuen Thread verschieben, das paßt nicht ganz zur Tarifstruktur!

Aber zum Kontrollamtsbericht!  ;)
Aber bitte, wenn gewünscht, gerne verschieben.

Schienenbremse

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Neuen Thread angelegt, da es zu diesem Thema sicher auch das eine oder andere zu sagen gibt.

95B

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Noch ein paar Schmankerln (Hervorhebungen von mir):


Im Ge-spräch mit der U-Bahnfahrerin stellte sich heraus, dass ihr nicht klar war, wie Mängel, die bei der Wagenübernahme erkannt werden, bei WL im Bereich des Betriebes der U6 gemeldet werden. Außerdem wies die U-Bahnfahrerin auf Nachfrage des Kontrollamtes darauf hin, dass die Werkstätte die Meinung vertritt, dass die Magnetschienenbremse bei der Wagenübernahme wegen der damit verbundenen Abnützung nicht zu prüfen sei, was allerdings den Vorschriften über die Wagenübernahme entgegensteht.

[...]

Bei den Fahrerinnen und Fahrern wurden teilweise Unklarheiten darüber festgestellt, welche Sicht- und Funktionsprüfungen bei den Straßenbahnen und U-Bahngarnituren vorzunehmen sind. Diese Mängel waren einerseits auf Wissenslücken einiger Bediensteter zurückzuführen, andererseits waren die Vorgaben der Betriebslei-tung an die Prüfinhalte bei den Wagenübernahmen über bestehende Dienstvorschriften und Abteilungsaufträge nicht widerspruchsfrei.

[...]

Wie die Ergebnisse der im Beisein von Prüfern des Kontrollamtes durchgeführten stich-probenweisen Überprüfungen von Straßenbahnen hinsichtlich der Sicherheitseinrich-tungen zeigten, reichten die von WL durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen gegebenenfalls in Kombination mit den Wagenübernahmen nicht dafür aus, vollständig funktionierende Sandstreuanlagen für Notbremsungen im Linienverkehr sicherzustellen.

[...]

Bei den Niederflurstraßenbahnen vom Typ ULF A und B kam es in den vergangenen Jahren vielfach zu einem Austritt von Hydrauliköl. Auch bei der neuen Fahrzeugserie der Niederflurstraßenbahnen vom Typ A1 wurde bereits ein derartiger Fall bekannt. Im Beobachtungszeitraum Juli bis Dezember 2007 wurden beispielsweise 74 Vorfälle mit Ölaustritt gemeldet.
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
Entklumpertung des Referats West am 02.02.2024 um 19.45 Uhr planmäßig abgeschlossen!

haidi

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Entweder die Straßenbahner bekommen Copiloten oder eine Checkliste zum Abhaken.
Edit: gehört eine 10 Minuten-Pause an der Endstation zur Arbeitszeit oder gilt diese als Pause?

Hannes
Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.

schaffnerlos

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gehört eine 10 Minuten-Pause an der Endstation zur Arbeitszeit oder gilt diese als Pause?

Muss eine Pause nicht mindestens 15 Minuten betragen? Wobei ein 10-Minuten-Aufentahlt an einer Endstation eher die Ausnahme ist.

roadrunner

  • Gast
gehört eine 10 Minuten-Pause an der Endstation zur Arbeitszeit oder gilt diese als Pause?

Muss eine Pause nicht mindestens 15 Minuten betragen? Wobei ein 10-Minuten-Aufentahlt an einer Endstation eher die Ausnahme ist.
Mit den 15 Minuten mindestens hast du schon recht. Nur die Zeit in den Endstellen sind die sogenannte Ausgleichszeiten und keine Pausen. 10 Minuten ist wie du sagst eher die Ausnahme, abgesehen von der Zeit nach 20 Uhr. 43er z.B. bei der "Blauen" einmal 16 min und 18min. In der HVZ bewegt sich der Aufenhalt ca.um die 3 - 5 min bis auf wenige Ausnahmen und oft nicht einmal das. Da hast dann nur mehr Zeit den Sand zu kontrollieren und sonst nichts, außer der "Frack" ist dir egal.