Nun habe ich auch mal diesen tragischen Betrieb besucht - Ein Denkmal politischer Unfähigkeiten und planerischen Größenwahns bei konsequenter Reduktion des Kundennutzens. Die ganze Sache ist maximal vertrottelt, mit monströsen Stationen, die dem Fahrgast unglaublich lange Wege aufbürden, um dann in kleine Solo-Gelenksechsachser einsteigen zu dürfen (die teilweise in Halbstundenintervallen unterwegs sind). Obendrein verkehrt man teilweise mit den Zweirichtungswagen im Linksverkehr mit Eigenkreuzung. Unfassbar.
Die Stadt ist auch insgesamt eindeutig im Abschwung, viele Menschen haben die typischen "Hartz-IV-Gesichter", schlechte Zähne und tragen schlechte Kleidung. Die kleine Innenstadt-FuZo ist von türkischen Geschäften gesäumt, die sonst üblichen H&Ms fehlen (das soll keine Wertung sein, nur eine Beschreibung, man merkt, die Luft ist draußen). Zwei Tage vor meinem Besuch gab es einen Kabelbrand, der große Störungen verursachte, deswegen fuhr man mit allen Linien auf der Stadtschleife gegen den Uhrzeigersinn.
Hier ist ein Gleisplan:
http://www.gleisplanweb.eu/Maps/Charleroi.pdfDer Grund für den Wahnsinn ist ganz kurz gesagt der finanzielle Ausgleich zwischen den beiden belgischen Regionen; wurde in Flandern investiert, wollten die Wallonen auch Geld. In Charleroi gab es dann halt das Problem, dass man für die Lokalbahnen viel zu großzügige Tunnels baute, deren Linien aber vom Betreiber laufend stillgelegt wurden.
Als Beispiel für die groteske Blödheit die Station Beaux Arts: Die steht auf einem riesigen Parkplatz, hat allerdings von dort keinen Zugang (er wäre durch das graue Rolltor am ersten Foto möglich, dahinter liegt direkt das Verteilergeschoß). Stattdessen muss man über riesige Umwege ein Niveau höher, um dann ewig weit zum Bahnsteig zurückhatschen zu müssen. Dafür gibts aber Gleise wie auf der Modellbahn, sogar das Ausstellungsgleis ist per Weiche angeschlossen - 5 Gleise, 2 in Betrieb!
Ähnlich bei Waterloo - die Zugänge sind unter dem Bahnsteig, mit ewigen Gängen, ein Bahnsteig ist unbenutzt (das war früher anders, es wurde ja auch schon etliche Male umgebaut).
Ein spezielles Schmankerl ist der nicht fertiggestellte Ast nach Centenaire, da wird die Absurdität so richtig sichtbar, das Bild "Charleroi Grand Rue" zeigt etwa die Bebauungsstruktur der Gegend.
Zuletzt ergänzend zwei Bilder von "Carosse" am Beginn der großen eingleisigen Schleife (auch hier ist das stadteinwärtige Gleis für den Fahrgast wenig attraktiv, weil weit hinter der Bebauung der Hauptachse liegend, die Trasse dürfte ein Rest der Metroplanung sein) sowie ein Foto der Schleife Solement, die erst 2012 gebaut wurde und vernünftig wirkt.