Projekte dieser Größenordnung sind nicht bis ins letzte Detail planbar. Da muss öfters auch improvisiert werden und das kann auch dazu führen, dass bestimmte Abläufe dann nicht mehr so durchführbar sind wie geplant oder es zu zeitlichen Änderungen kommt. Wenn z.B. ein Teil der Trasse zum Lagern von Baumaterial verwendet wurde (das dort gelagert werden musste, weil sonst kein Platz frei war), dann kann mit den Gleisbauarbeiten erst entsprechend später begonnen werden und daher wird die Gleisanlage entsprechend später fertig und die Straßenbahn kann erst später fahren.
Ich habe selbstverständlich nicht erwartet, dass man 1994 einen wochengenauen Plan für die nächsten 25 Jahre erstellt. Aber wenn man öffentlichen Verkehr als mehr sieht als netten Fotohintergrund für Uli Sima, gehören solche Anforderungen einer sofortigen Erschließung von Neubaugebieten grundsätzlich dazu. Wir sprechen hier ja auch nicht von einer Baulücke, die unter schwierigen baulogistischen Bedingungen bebaut wird, sondern von einem über 80 Hektar großen Stadtentwicklungsgebiet. Da soll es keine anderen Baulogistikflächen geben als die Straßenbahntrasse?
Zudem hätte es ja auch viele Mischformen gegeben. Es ist ja z.B. auch durchaus möglich, die Strecke schrittweise fertig zu stellen. Wenn zum Beispiel das Gelände der Gleisschleife noch für die Baulogistik gebraucht wird, könnte man ja trotzdem die Bruno-Marek-Allee fertigstellen, um ab der Besiedlung der ersten Wohnungen wenigstens einen Ersatzverkehr anbieten zu können. Aber auch solche Optionen spielten keine Rolle. (Vielleicht hätte man Frau Sima versprechen sollen, dass sie vor dem ersten Bus eine Pressekonferenz geben darf?)
Wurde eigentlich bei Stellplätzen ähnlich argumentiert? "Tut uns Leid, leider müssen wir sämtliche Tiefgaragenzufahrten/ Stellplätze im Straßenraum gerade noch als Baulogistikflächen nützen. Aber in ein, zwei Jahren habt ihr sie sicher! Wenn ihr vorher nochmal nächtlichen Lärm hinnehmt!"
Wenn ich das richtig verstanden habe, handelt es sich bei der Verzögerung um einen Monat. Also bitte die Kirche im Dorf lassen. Der Monat wird vorübergehen und danach passt wieder alles.
Es geht weniger um den einen Monat, sondern um die gesamte Strecke, die ein, zwei Jahre zu spät kommt, und um nächtliche Belästigungen der Anwohnenden, die es dann eben nicht gegeben hätte, wenn man nicht überrascht aufgeschreckt wäre, weil da plötzlich und unvermittelt ein paar Tausend Menschen wohnen. Und es ist halt symptomatisch für das Von-12-bis-Mittag-Denken in der Wiener Stadt- und Verkehrs"planung".
Das Problem ist halt folgendes: wer Menschen für die Öffis gewinnen möchte, muss Gewohnheiten brechen, und das ist verdammt schwierig. Ein Umzug, bei dem man eh viele Gewohnheiten ändern muss, ist da ein idealer Ansatzpunkt. Leider kann es halt auch nach hinten losgehen, wenn die ÖV-Anbindung in der Anfangszeit (wenn die neuen Gewohnheiten geschaffen werden) so miserabel ist wie im Nordbahnviertel.