Mit besseren und schnelleren Verbindungen sinkt nicht die aufgewendete Zeit für den Arbeitsweg, sondern die Wegstrecke wird länger.
Wieso? Würde - um jetzt nur ein Beispiel zu nennen - die S80 schneller fahren, wäre ich schneller in der Arbeit. Mein Weg wäre deswegen aber nicht länger, daher würde die aufgewendete Zeit für den Arbeitsweg entsprechend kürzer.
Du bist aber dann langfristig auch bereit, einen von deinem Wohnort weiter entfernten Arbeitsplatz anzunehmen oder an einen von deinem Arbeitsplatz weiter entfernten Ort umzuziehen. Wenn du jetzt bereit bist, einen x Minuten langen Weg zurückzulegen, dann bist du noch immer bereit, einen x Minuten langen Weg zurückzulegen, wenn dein jetziger Arbeitsweg nicht mehr so lange dauert.
Das hat was für sich, wobei in meinem Fall dazukommt, dass mein Arbeitsplatz vor etwa einem Jahr von einem in Rathausnähe gelegenen Standort nach Stadlau verlegt wurde. Das hat meinen Arbeitsweg leider verlängert, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Natürlich hätte ich mir eine andere, nähere Arbeit suchen können, aber das ist in meinem Alter (50+) doch schon ein etwas riskantes Unternehmen. In vielen Fällen ist es also so, dass eine Verlängerung des Arbeitsweges nicht notwendigerweise auf breite Akzeptanz stößt, sondern mangels Alternativen ganz einfach nicht in Frage gestellt werden kann.
Es ist ja kein individuelles Phänomen, sondern ein Massenphänomen, und betrifft da hauptsächlich junge Leute in der Familiengründungsphase. Und es betrifft nicht nur den Arbeitsweg, sondern alle Grundfunktionen.
Man muss sich ja nur anschauen, was der Ausbau der Bundesstraßen in periphären Räumen Niederösterreichs bewirkt hat: In 40 min ist man mit dem Auto von Zwettl in St. Pölten - also gehen die kleinen Regionalzentren vor die Hunde, weil die Menschen lieber den Großeinkauf im Oberzentrum machen. Im Dorf gibts keinen Nahversorger mehr und oft nicht einmal mehr einen Wirten.
Ausbau der Verkehrsachsen in periphäre Räume - davon profitieren meist nur die Zentren.
Interessant ist auch der Ausbau der Hochgeschwindigkeitsbahnen: Linz und Györ sind inzwischen von Wien aus in Tagespendeldistanz, somit kann es für viele Wiener eine Option werden, lieber im billigen Ungarn zu leben und in Wien zu arbeiten.
Die Entscheidung, was man wo macht, hängt auch beim Urlaub mit der Reisezeit zusammen. Angenommen das Limit ist ein Anreise- und ein Abreisetag: Vor 150 Jahren ist man mit der Postkutsche nach Baden gefahren. Vor 50 Jahren mit dem Auto über schlechte Straßen nach Kärnten oder ins Salzkammergut getuckert - Oberitalien und Dalmatien waren fast schon zu weit. Heute setzt man sich in den Flieger nach Thailand oder in die Karibik.