Autor Thema: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren  (Gelesen 14606 mal)

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[PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« am: 28. November 2012, 18:06:29 »
Zitat
"Da passt das Auto schwer hinein"

Großstädte wie Wien wachsen unaufhörlich, zugleich sorgen Pendler und Einkaufszentren im Umland für immer mehr Verkehr. Autos werden das Problem nicht lösen, meint der Verkehrsplaner Harald Frey von der TU Wien, im Gegenteil. In die Gedankenkette "Naherholung, gute Luft, Lebensqualität" passen Autos nicht hinein.

In einem science.ORF.at-Interview plädiert Frey, übrigens selbst Autobesitzer, für den Ausbau von Straßenbahn und Schiene.

science.ORF.at: Wie beeinflusst der Verkehr unsere Lebensqualität?

Harald Frey: Weltweit wachsen die Städte, die Menschen wandern aus dem ländlichen Raum ab. Diese Migration wirkt sich auf das Verkehrssystem, den Wohnraum und den öffentlicher Raum aus, so auch in Wien. Hier wachsen heute zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten wieder die Bezirke innerhalb des Gürtels. Seit Mitte der 1960er Jahre sind die Menschen von der Stadt in die Randbezirke gezogen. Und das hatte mit der Besetzung des öffentlichen Raums durch das Auto zu tun. Bis in die 50er Jahre hinein haben sich Kinder, Jugendliche und andere Gruppen im öffentlichen Raum frei bewegen können. Es ist noch nicht so lange her, da sind die Leute gerodelt und haben auf der Straße Fußball gespielt.

Welchen Anteil hat daran die Politik?

Verkehrssystem und Stadtstrukturen beeinflussen sich gegenseitig. Deswegen sollten Stadt- und Verkehrsplaner zusammen arbeiten, was nicht immer geschieht. Ein Beispiel ist die Stellplatz-Verpflichtung in den Bauordnungen, die den Wohnbau verteuert. 20 bis 40 Prozent der Förderungen gehen in Garagenbau. Außerdem bringt man damit die Leute wieder ins Auto, denn ein freier Parkplatz ist nachgewiesen der Hauptgrund dafür, einzusteigen.

Der Verkehrsmasterplan der Stadt Wien ist darauf ausgerichtet, die Leute vom Auto weg zu bringen, etwa mit Hilfe des Parkpickerls. Zugleich sind aber viele Zugstrecken überlastet, andere werden eingestellt. Die Auslastung der Wiener Linien erreicht ihre Grenzen. Ist diese Politik in Zeiten der Verstädterung nicht etwas bevormundend?

Es geht nicht darum, Leute zu bevormunden, sondern einen Nährboden für Lebensqualität aufzubereiten. Es geht um Naherholung, Ruhe, gute Luft, Sicherheit. Da passt das Auto schwer hinein, besonders weil die Stadt dichter wird. Wenn mehr Leute in die Stadt kommen, muss ich die Flächen effizient nutzen. Ein parkendes Auto, das 95 Prozent der Zeit nur herumsteht, nimmt Platz weg. Wenn z.B. in einer Einkaufsstraße im Auto nur einer drin sitzt mit einer Brieftasche, der zehn anderen mit zehn Brieftaschen Platz wegnimmt, ist das auch eine Frage für die Wirtschaft.

Wir befinden uns gerade mitten in einem demokratischen Prozess: Wie soll öffentlicher Raum gestaltet sein? Das wird meiner Meinung nach als so schmerzhaft empfunden, weil den Autofahrern in den vergangenen 50 Jahren alles von den leuchtenden Scheinwerfern abgelesen wurde. Die Unterführungen am Ring, die jetzt zugeschüttet oder umgewidmet werden, sind Resultate aus den 50er Jahren. Ebenso die großen Verkehrsknoten Matzleinsdorferplatz und Südtirolerplatz, wo Fußgänger und öffentlicher Verkehr nicht mehr auf der Oberfläche sind. Jetzt sind wir dabei, den öffentlichen Raum wieder zurück zu verändern. Denn immerhin 41 Prozent der Wiener Haushalte haben gar kein Auto.

Eine Möglichkeit für weniger Autos auf der Oberfläche sind Tiefgaragen: Kritiker meinen, dass es jetzt schon genügend gibt und viele davon hauptsächlich leer stehen. Dennoch werden in Wien neue gebaut, wodurch wiederum Bäume zerstört werden. Wie stehen Sie zu Tiefgaragen?

Der Hintergrund ist folgender: Einerseits haben wir im öffentlichen Raum nicht genügend Parkplätze. Weil wir das System aber nicht noch mehr hin zum Auto verzerren wollen, hat man beschlossen, für jeden unterirdischen Stellplatz einen auf der Oberfläche zu reduzieren. Weil die Stadt aber nicht genügend Stellplätze an der Oberfläche weggenommen hat, standen die Garagen leer, denn das Parkpickerl ist günstiger als ein Stellplatz.

Es muss aber nun mal eine Parkraumbewirtschaftung geben. Denken wir nur an Schanigärten: Wenn jemand öffentlichen Raum beanspruchen will, muss er dafür zahlen. Bei Autos passiert genauso die Inanspruchnahme des öffentlichen Raums für private Zwecke. Das kann nicht kostenfrei sein. Skandinavien und Deutschland hatten ähnliche Systeme vor uns, das ist kein Merkmal roter Politik. Garagen sollten dabei helfen, Grünraum zu erweitern, alter Baumbestand sollte keinesfalls abgeholzt werden. Ein positives Beispiel ist der neue Spielplatz in der Schleifmühlgasse. Dort wurde die Lebensqualität durch die Garage besser.

Was halten Sie als Verkehrsplaner generell vom Begriff "Nachhaltigkeit" und von dem Mut, den es dazu laut der Veranstaltung braucht?

Der Begriff der Nachhaltigkeit wird heute inflationär verwendet. Ich kann ja auch nachhaltig alles zerstören. "Mut" assoziiere ich mit der Angst davor, dass ein ressourcenarmer Lebensstil Verzicht bedeutet. Die Angst ist aber unbegründet. Nur ein Beispiel: Jene, die am lautesten gegen das Parkpickerl in Wien gewettert haben, profitieren jetzt vom Verkehrsrückgang. Es ist schwer, sich Dinge vorzustellen, die neu sind.

Wenn wir auf materielle Dinge verzichten müssen, die Generationen vor uns auch nicht hatten, werden wir erleben, dass der Verzicht eine Bereicherung auf anderen Ebenen darstellt. Wenn ich nicht virtuell kommunizieren kann, nicht nur Abgepacktes im Supermarkt kaufen kann, dann muss ich wieder real kommunizieren oder Urban Gardening betreiben.

Nachhaltigkeit ist, wie wir wirtschaften und leben sollten. Da braucht es sicher heute Mut, denn die Gesellschaft übt sozialen Druck aus. Wer nicht dabei sein will, also z.B. heute kein Handy oder Internet haben möchte, der wird ausgegrenzt. Das war ja immer schon in der Geschichte so.

In Niederösterreich und dem Burgenland sprießen Spa-Hotels und riesige Einkaufszentren aus dem Boden. Das schafft neue Arbeitsplätze und die lokale Bevölkerung nimmt die Zentren an. Widerspricht das nicht Ihrer Theorie, dass wir wieder zurück zum Ursprung sollten?

Diese Entwicklung wird unter Aufwand externer Ressourcen betrieben. Wie würde das Einkaufszentrum ohne Erdöl funktionieren? Alleine wie viel wertvoller Boden durch seine Errichtung zubetoniert worden ist! Es ist eine Illusion zu glauben, dass uns die negativen Effekte unserer Wirtschaft nicht betreffen, nur weil wir sie jetzt noch nicht sehen. Die westliche Welt steht doch nur deshalb gut da, weil wir CO2-intensive Produktionsprozesse nach Asien ausgelagert haben. Wenn wir alles selbst herstellen müssten, würde unsere Bilanz anders aussehen.

Aber es stimmt, wir haben hier sicher zwei Pole, die sich unterschiedlich entwickeln: auf der einen Seite die Stadt mit den Trends Urban Gardening, Smart Cities, Begrünung - da passiert eine Rückorientierung zur Natur, weil sie verschwunden ist. Draußen vor der Stadt hingegen sperrt ein Einkaufszentrum nach dem anderen auf. Die Entleerung des ländlichen Raums ist dadurch aber nicht aufzuhalten. Die passiert durch die Verkehrsstrukturen, die wir dort errichten. Konsum ist keine Lösung. All diese Gegenden waren früher autark. Es gab Höfe, die bewirtschaftet wurden, zweifellos unter enormen körperlichen Aufwand.

Es geht mit nicht um eine Idealisierung der "guten alten Zeit", sondern um eine Symbiose zwischen den Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte und unseren Wurzeln. Strom kommt nicht aus der Steckdose, und das Essen nicht aus dem Supermarkt. Wenn das Wirtschaftswachstum wirklich die Antwort auf alles wäre, müssten wir ja bereits seit den 70ern Vollbeschäftigung haben. Aber die Formel stimmt ja so nicht.

Eben. Die Arbeitslosigkeit steigt, immer weniger Menschen werden klassisch angestellt, sollen dafür aber immer flexibler werden und auch auf Jobinserate antworten, die als Adresse Spargelfeld 32 angeben. Sie treten für eine Verlangsamung des Verkehrs ein: Wie soll das zusammenpassen?

Da muss man aufpassen. Wenn ich das Verkehrssystem verlangsame, ändern sich auch die Strukturen. Sie sehen das am Pendlerverkehr. Die Menschen fahren heute doppelt so weit als etwa in den 70er Jahren. Machen sie das freiwillig? Nein, die Geschwindigkeit hat sich erhöht. Für eine Firma vergrößert das den Erwartungsradius, aus dem ich qualifizierte Kräfte lukrieren kann. Wenn jeder nur öffentlich unterwegs sein kann, muss dieser Radius schrumpfen. Leute können nicht mehr von so weit her kommen, und es gibt Chancen für andere, die näher wohnen. Das schafft Vielfältigkeit und wirkt dem derzeit stattfindenden Konzentrationsprozess entgegen.

Es geht auch nicht darum, das Auto abzuschaffen, sondern Chancengleichheit zu erzielen. Durch den einseitigen Ausbau der Autofahrer-Infrastruktur haben wir Barrieren errichtet und auf den Fußgänger und Radfahrer einfach vergessen. Das hat zu Problemen geführt. Es wird für Kranken- und Warentransporte immer einen Autoanteil in der Stadt geben. Eine Stadt der kurzen Wege ist aber definitiv nur möglich als eine Stadt der niedrigen Geschwindigkeit. Viele können sich ohnehin kein Auto leisten. Und Städte haben existiert, Leute haben gelebt, Menschen sind nicht verhungert, bevor es das Auto gegeben hat.

Ein echtes Hindernis sind für mich die steigenden Kosten fürs Wohnen. Wohnen und Mobilität sind immer in Wechselwirkung. Wohnen in Wien wird massiv teurer. Das hängt natürlich wieder mit dem Wirtschaftssystem zusammen. Man muss aber sagen, dass man innerhalb von Wien die meisten Gebiete gut öffentlich erreichen kann. Dem steht gegenüber, dass man heute flexiblere Arbeitszeiten in Kauf nehmen muss, was neue Herausforderungen an den öffentlichen Verkehr stellt.

Haben Sie selbst ein Auto?

Ja, aber ich benutze es sehr selten. Jetzt ist ja Carsharing stark im Kommen. Es rentiert sich nicht, ein Auto zu haben, wenn man weniger als 5.000 Kilometer im Jahr fährt. Trotz der Änderungen der letzten Jahre steigt übrigens die Zahl der SUVs in Wien. Im Jahr 2011 konnte die Straßenbahn 3.000 Mal wegen eines geparkten Autos nicht weiter fahren. Rechnen sie sich einmal aus, wie viele Menschen dadurch zu Schaden kommen. Praktisch gibt es da keine Diskussion, aber der Zugang zum Auto ist ja oft ein emotionaler.

Was wünschen Sie sich verkehrspolitisch für Wien und das Umland?

Für Wien sehe ich die Mariahilfer Straße als das Vorzeigeprojekt der nächsten zwei Jahre. Ich würde mir eine Fußgängerzone wünschen, aber stattdessen wird es wohl weiter Zufahrtsmöglichkeiten geben, immerhin ohne Durchfahrtsmöglichkeit. Entscheidend ist, dass die parkenden Autos verschwinden werden. Ebenso wichtig ist, die Straßenbahnlinien entlang der Wienerberg-Tangente zu aktivieren und das Nordbahnhof-Gelände besser anzubinden. Verkehrspolitisch sollten wir die Stellplatz-Verpflichtung aus der Bauordnung entfernen, sie steht einer nachhaltigen Entwicklung im Weg. Ich bin außerdem generell dafür, weg vom U-Bahnbau hin zur Straßenbahn zu planen.

Für das Umland sehe ich die Schiene als den idealen Weg. Gerade auf der Weststrecke wurden durch den Wienerwaldtunnel enorme Kapazitäten für den Pendlerverkehr frei. Negativ ist die Entwicklung im Burgenland, wo Strecken eingestellt werden. Es mangelt nicht an der Infrastruktur, sondern an Organisation und der Budgetierung durch die Politik. Wenn ich alles in den Straßenbau stecke statt in den öffentlichen Verkehr, kann auch die beste Planung das nicht in einem Jahr wieder rückgängig machen.

Interview: Denise Riedlinger

Quelle: http://science.orf.at/stories/1708649
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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #1 am: 28. November 2012, 21:48:02 »
Ich glaube, diesem Beitrag ist nichts hinzuzufügen, viele meiner Gedanken der letzten Jahr finde ich hier wieder!

Linie 41

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #2 am: 29. November 2012, 00:49:09 »
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

W_E_St

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #3 am: 29. November 2012, 00:50:33 »
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.
Dem Experten glaube ich sofort, aber zeig mir die Politiker, die das auch umsetzen!
"Sollte dies jedoch der Parteilinie entsprechen, werden wir uns selbstverständlich bemühen, in Zukunft kleiner und viereckiger zu werden!"

(aus einer Beschwerde über viel zu weit und kurz geschnittene Pullover in "Good Bye Lenin")

Linie 41

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #4 am: 29. November 2012, 00:51:52 »
Dem Experten glaube ich sofort, aber zeig mir die Politiker, die das auch umsetzen!
Politiker? Was ist das, ein neues Schimpfwort? Guy Fawkes, Guy Fawkes 'twas his intent, to blow up the King and the Parliament.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

coolharry

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #5 am: 29. November 2012, 07:28:19 »

Das einzige was mich an dem Artikel stört ist, dass er vollkommen ausser acht lässt, dass es auch Leute gibt die in diesen Umlandgemeinden auf die Welt gekommen sind. Diese wollen natürlich lieber in ihrem Wohnort bleiben als wirklich nach Wien zu ziehen und werden somit zu Pendlern, weil die Jobaussichten in vielen Gegenden auch schon vor hundert Jahren schlecht waren und es in hundert Jahren auch noch sind.
Somit wird es immer Pendler geben aber hier immer mit der Moralkeule zu kommen halte ich für überflüssig.

Klar wurde und wird gerade im Umland viel zu viel Mist gebaut die wiederrum der Regionalenwirtschaft mehr schadet als nutzt aber was kann der kleine Mann dafür, dass er zum Spielball der Politik wird nur weil er nicht den ganzen Tag auf eine graue Wand schauen will?
Wohnte selber im 20. im tiefsten Betonviertel und die einzige wirklich nutzbare Grünfläche war der Augarten, aber ich würde dort einfach nicht mehr wohnen wollen. Es stinkt mich einfach an. An jeder Ecke Hundescheiße (ich mach den Hunden keinen vorwurf wo sollens sonst hinmachen). Es stinkt vom Türkensupermarkt am Eck und regelmässig geht bzw. ging irgendwo eine Alarmanlage mitten in der Nacht los. Im Sommer ist es auch nachts unerträglich heiß, weil es durch den ganzen Beton einfach nicht auskühlt. Und dann waren noch die ganzen anderen Probleme und Problemchen die mehr mit der Bausubstanz zu tun haben als mit der Gegend an sich.

Ich wohne immer noch in Wien und werde auch in Wien bleiben, aber weniger weils dann nicht soweit zum Arbeiten ist sondern weils meine Heimat ist. Und seine Heimat verlässt man nur mit guten, sehr guten Gründen. Das gilt auch für Leute aus den Bundesländern.
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

13er

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #6 am: 29. November 2012, 08:15:35 »
Ich kenne auch einige von diesen Pendlern, die immer schon am Land gewohnt haben und in die Stadt arbeiten fahren müssen. Das ist sicher kein Honigschlecken und sie haben sich das nicht ausgesucht... nur ist das die Minderheit, für die man sicher ein Gesetz zustandebringen könnte.
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

schaffnerlos

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #7 am: 29. November 2012, 11:40:35 »
Das Problem der "Landleute" ist, dass Politik und Wirtschaft heute Pendeln als gesellschaftlich anerkannt voraussetzen. Würde man das Pendeln erschweren statt zu erleichtern, würde es auch in den als "strukturschwach" bezeichneten Gebieten mehr Arbeitsplätze geben, eben weil dort die Arbeitskräfte sind. Im Gegenzug müssen sich aber auch die Arbeitnehmer fragen, ob ihnen ein "etwas besserer" Job wirklich wert ist, zum Pendler zu werden. Ich selbst habe schon auf viel besser bezahlte Jobs verzichtet, weil diese zu weit weg von meinem Wohnort waren. Und umgerechnet auf den Zeitverlust und die höheren Kosten durch den längeren Arbeitsweg wären diese Jobs eh nicht mehr soviel besser bezahlt gewesen, aber da lügen sich viele selbst an, weil die mit gierigen Augen auf den Lohnzettel samt der dort aufscheinenden Pendlerpauschale starren und die tatsächlichen (Zeit-)Kosten fürs Pendeln einfach ignorieren.

HLS

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #8 am: 29. November 2012, 12:20:43 »
Das Problem der "Landleute" ist, dass Politik und Wirtschaft heute Pendeln als gesellschaftlich anerkannt voraussetzen. Würde man das Pendeln erschweren statt zu erleichtern, würde es auch in den als "strukturschwach" bezeichneten Gebieten mehr Arbeitsplätze geben, eben weil dort die Arbeitskräfte sind. Im Gegenzug müssen sich aber auch die Arbeitnehmer fragen, ob ihnen ein "etwas besserer" Job wirklich wert ist, zum Pendler zu werden. Ich selbst habe schon auf viel besser bezahlte Jobs verzichtet, weil diese zu weit weg von meinem Wohnort waren. Und umgerechnet auf den Zeitverlust und die höheren Kosten durch den längeren Arbeitsweg wären diese Jobs eh nicht mehr soviel besser bezahlt gewesen, aber da lügen sich viele selbst an, weil die mit gierigen Augen auf den Lohnzettel samt der dort aufscheinenden Pendlerpauschale starren und die tatsächlichen (Zeit-)Kosten fürs Pendeln einfach ignorieren.
Ist es aber gesetzlich zumutbar, einen Anfahrtsweg von 1,5h zu akzeptieren.
In Deutschland sogar 150km!
Beide Fälle sind gängige Praxen bei den Arbeitsämtern. Die sagen es sind "nur" eine Stunde Wegzeit oder 100km und somit mußt du den vorgeschlagenen Job annehmen oder selber schnellst möglich eine Alternative bringen, da du sonst bis zu 3Monate gar kein Geld mehr bekommst.
Und ich hatte es ja schonmal erklärt, die Wegzeit kann innerhalb Wiens, auch diese 1,5h knacken, wenn ich die Öffis nutzen möchte. Da ist es z.B in meinem Fall, egal ob ich insgesamt 37km täglich pendeln muß oder in Wien wohne. Denn Wohnungen in Arbeitsplatznähe, sind meist nicht unbedingt erschwinglich bzw gar nicht verfügbar.
"Grüß Gott"

Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass derselbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunft und Verstand ausgestattet hat, von uns verlangt, dieselben nicht zu benutzen. Dieter Nuhr

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #9 am: 29. November 2012, 12:34:40 »
Mit einem Mobilitätskostenrechner kann man das überschlagsweise berechnen: http://www.mobilitaetsausweis.at/website/Vorlagen/Rechner.html
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
Entklumpertung des Referats West am 02.02.2024 um 19.45 Uhr planmäßig abgeschlossen!

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #10 am: 29. November 2012, 13:05:19 »
Würde man das Pendeln erschweren statt zu erleichtern, würde es auch in den als "strukturschwach" bezeichneten Gebieten mehr Arbeitsplätze geben, eben weil dort die Arbeitskräfte sind.
Und wo sollen diese Arbeitsplätze bitte herkommen?
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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #11 am: 29. November 2012, 13:11:18 »
Von dort wo ysie jetzt sind. Wenn du das Pendeln unattraktiv machst, dann hast im Grossraum Wien Arbeitskraeftemangel und die Firmen ziehen dort hin, wo Arbeitskraefte sind,  diese moeglichst billig.
Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.

Ferry

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #12 am: 29. November 2012, 13:20:55 »
Von dort wo ysie jetzt sind. Wenn du das Pendeln unattraktiv machst, dann hast im Grossraum Wien Arbeitskraeftemangel und die Firmen ziehen dort hin, wo Arbeitskraefte sind,  diese moeglichst billig.
Die Arbeitskräfte sind aber über das Umland zerstreut und nur in der Stadt konzentriert an einem Standort zu finden. Da müsste eine Firma in jedem Kuhdorf eine Dependance eröffnen, damit die dortigen Einwohner möglichst günstig als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Das wird's wohl kaum spielen.

Der Ansatz mit dem unattraktiven Pendeln würde vielleicht in speziellen Branchen funktionieren, in den meisten Fällen aber nicht. Ansonsten gäbe es das Pendeln ja nicht. Wer pendelt, wenn er nicht muss?  :lamp:
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coolharry

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #13 am: 29. November 2012, 15:10:57 »
Von dort wo ysie jetzt sind. Wenn du das Pendeln unattraktiv machst, dann hast im Grossraum Wien Arbeitskraeftemangel und die Firmen ziehen dort hin, wo Arbeitskraefte sind,  diese moeglichst billig.

Sorry aber das ist schwachsinn. Firmen ist grundsätzlich piep egal wo ihre Arbeitskräfte herkommen. Und gut ausgebildete Kräfte findet man in Ballungsräumen öfter als am Popo der Welt. Es wird eher darauf hinaus gehen, dass noch mehr Menschen nach Wien ziehen und die, die sich das Pendeln leisten können oder können wollen, es auch weiterhin tun.

Ausserdem gibts in Wien keinen Arbeitskräfte "mangel". Es gibt nur einen Mangel an für einen bestimmten Beruf qualifiziertem Personal. Somit wenn heute ein Pendler aufgibt es mit 100% Wahrscheinlichkeit eien der seinen Job übernimmt.

Ausserdem sind Pendler immer dankbare Arbeitnehmer. Meist wegen Hausbaus stark verschuldet können sich nicht anders als arbeiten und machen daher mehr mit als andere.

Vielleicht kommt ja wieder das Phänomen des Wanderarbeiters/Tagelöhners nach Österreich. Das waren die Pendler vor hundert Jahren.
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hema

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Re: [PM] Experte: Straßenbahn ausbauen statt Autofahren
« Antwort #14 am: 29. November 2012, 15:42:18 »
Der (individuelle) Weg zur Arbeit gehört überhaupt nicht gefördert und/oder öffentlich mit Geld unterstützt, weil das immer nur ungerecht sein kann. Ich kenne Leute, die fahren mit dem Auto 20 Minuten (nach Wien) in die Arbeit und kassieren Pendlerpauschale und andere, die fahren innerhalb Wiens öffentlich eine Stunde und mehr und müssen (richtigerweise) die Fahrten selber zahlen.


Seine Fahrtkosten muss eben jeder selber berappen, irgendwelche "Arme" gibt es immer, die Welt ist eben ungerecht.  8)
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