Weiter im Kontext: Der Masterplaner stellte anhand einer Reihe von typischen Architekten-CAD-Visualisierungen (mit hunderten fröhlich dreinschauenden jungen Menschen auf der Straße) sein Projekt vor, ohne auch nur im Geringsten auf die Umgebung "seines" Stadttteils einzugehen. Er verglich frischfröhlich die Größe des Flugfelds mit der Inneren Stadt oder den Bezirken 6 und 7, wollte (oder konnte?) aber nicht darauf eingehen, wie sich ein aus dem Boden gestampfter Stadtteil dieser enormen Größenordnung auf die Umgebung im 22. Bezirk auswirkt. Ja... Autos waren auf den Bildern nicht zu sehen, die Straßen schienen alle reinste Fußgängerzonen zu sein, bisweilen durchpflügt von futuristisch anmutenden, überbreiten Straßenbahnzügen. Eine Abbildung zeigte eine U-Bahn-Station in Hochlage: ohne Windschutz, nur aus einem Mittelbahnsteig samt Dach bestehend! Auch wenn es nicht sehr schön aussieht: Es hat schon seinen Grund, warum die Mittelbahnsteig-Hochstationen unserer U-Bahn eingehaust sind. Wer erinnert sich nicht an das Warten in der früher noch nicht eingehausten Station (Zentrum) Kagran, wo man im Winter trotz dichter Intervalle zum Eiszapfen wurde? Natürlich... eine Darstellung der U-Bahn mit Blick vom Bahnsteig auf eine große Piazza (mit hunderten fröhlich dreinschauenden jungen Menschen auf der Straße - haben die alle keine Arbeit?) ist nicht möglich, wenn man die Station realistischerweise eingehaust darstellt...
Weitere Bilder zeigten den heute üblichen gesichtslosen Mix aus Wohnbauten mit Geschäftszonen im Erdgeschoß und Hochhäusern. Na, ich möchte nicht wissen, wie der Wind dort durch die Straßen pfeift, wenn das wirklich so errichtet wird. Schließlich ist nirgends ein Grünraum eingeplant, der die Funktion eines Windfängers übernimmt. Die Bäume werden, wie heute üblich, mehr nach ästhetischen als nach praktischen Gesichtspunkten gepflanzt... und bis so ein junges Krewegerl einmal ein ausgewachsener Baum ist, dessen Krone ordentlich Schatten und Windschutz bietet, vergehen auch ein, zwei Jahrzehnte - wenn es in seiner Baumscheibe nicht vorher eingeht.
Der ebenfalls anwesende Reinhard Seiß fuhr in der Diskussion, die an die Vorträge anschloss (neben dem Flugfeld wurden auch Alterlaa und das Kabelwerk als Projekte der Stadtentwicklung vorgestellt), schwere Geschütze gegen das Flugfeld auf - freilich nicht in Richtung des Masterplaners Tovatt, der ja nichts dafür kann, dass sein in sich durchdachtes (gleichwohl aber nicht an die Umgebung angepasstes) Projekt für eine Reihe negativer Entwicklungen sorgen wird, sondern vielmehr in Richtung Stadtregierung, die für die unzulängliche Verschmelzung des Flugfelds mit seiner Umgebung verantwortlich ist. So werden weiterhin in der Umgebung Standorte für "Nah-"Versorger eingerichtet werden, die nur mit dem Auto erreichbar sind, und auch der zukünftige Bewohner des Flugfelds wird dann ein Auto brauchen, da er die Dinge seines täglichen Bedarfs nicht in den leerstehenden Geschäftslokalen der Seestadt bekommen wird. Seiß prangerte vor allem an, dass die Erschließung des Flugfelds rein durch die U2 erfolgen wird (bei gleichzeitiger De-facto-Einstellung der S80) und vor allem die kleinräumigen Verbindungen innerhalb Transdanubiens vernachlässigt würden. Die U2 lädt höchstens zum Verlassen des Geländes ein.
Und so komme ich wieder zurück zum Anfang meines Postings, den unsäglichen CAD-Visualisierungen und ihren hunderten fröhlich dreinschauenden jungen Menschen auf der Straße. Wie wird es wirklich einmal ausschauen, wenn das Flugfeld fertig bebaut ist? Im Sommer werden die Straßen leer sein. Die Sonne brennt unnachgiebig auf die weiten, ebenen, zubetonierten Flächen, durch die Wasserfläche ist die Luft unangenehm feucht - kein einladendes Mikroklima. Im Herbst und Winter peitscht der Wind über die Plätze und pfeift durch die Straßen. Nirgends findet er Widerstand, da es keine Kanten gibt - alles ist gerade oder abgerundet, sodass der Wind ideal kanalisiert werden kann. Da muss man schon froh sein, dass dank unserer hirnrissigen Gesetzgebung ausreichend Pkw-Stellplätze mitgebaut wurden und die Autos in der hauseigenen Tiefgarage stehen und nicht auf der unwirtlichen, identitätslosen Straße.
Zugegeben, das war jetzt sehr tendenziell formuliert - aber es entspricht meiner Meinung: Ich halte absolut nichts von so einer großflächigen Reißbrett-Stadtentwicklung und schon gar nichts von dem ideen- und formlosen weiß-grauen Einheitsbrei der heutigen Architekten. (Der Einheitsbrei der Gründerzeit war auch nicht viel ideenreicher, mag man jetzt einwenden, die damaligen Bauten haben auch alle mehr oder minder dasselbe Aussehen. Ja! Aber die Proportionen haben damals noch gepasst, sodass die Bauten im Gegensatz zu den heutigen Elaboraten stimmig wirken.)