Autor Thema: Alt Wien um 1900 - Fotografien von August Stauda - untergegangene Stadtwelten  (Gelesen 225656 mal)

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moszkva tér

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Ja, vor allem im Mittelalter war Bier sowas wie ein Grundnahrungsmittel, weil das Wasser oft nicht trinkbar war und der Alkohol keimtötend ist - die müssen ständig bsoffen gewesen sein. Ansonsten sollte um die Jahrhundertwende, also zur Zeit der hier gezeigten Fotos, das Essen eher deftiger als heute gewesen sein, aber mit unserer heutigen Wirtshauskultur durchaus kompatibel.

Nicht nur Bier. Man hat Brunnenwasser generell mit Wein "verdünnt", um es zu desinfizieren. Vom Baby bis zum Greis. Oder: Woher kommt der G'spritzte?

Und die Tradition des "Verdauungsschnapserls" nach einem üppigen Essen kommt auch genau daher.

In südlicheren Ländern hat man zur Desinfektion eher scharfe Gewürze genommen. Die wachsen dort ja auch besser und müssen nicht erst teuer importiert werden.

haidi

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[quote author=tramway.at link=topic=7047.msg245467#msg245467 date=1480527908
Nicht nur Bier. Man hat Brunnenwasser generell mit Wein "verdünnt", um es zu desinfizieren. Vom Baby bis zum Greis. Oder: Woher kommt der G'spritzte?
Der Desinfektion duch 3-5% Ethanol vertraue ich nicht. Wein war sicher deshalb nicht mit schädlichen Bakterien verunreinigt, weil in ihm kein Fremdwasser ist bzw. sein sollte.
Bei Bier schaut es schon anders aus, da wird Wasser zugesetzt, allerdings wäre das Geschäft schnell ruiniert, wenn es da viele Erkrankte gegeben hätte die auf eine bestimmte Biermarke zurückzuführen gewesen wäre.
Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.

moszkva tér

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Bei Bier schaut es schon anders aus, da wird Wasser zugesetzt, allerdings wäre das Geschäft schnell ruiniert, wenn es da viele Erkrankte gegeben hätte die auf eine bestimmte Biermarke zurückzuführen gewesen wäre.
Da kann man auch heute noch krank werden. Wenn man nach einem ausgiebigen Bierabend einen Durchfall aufreißt, liegt das meist an einem schlecht gereinigtem Zapfhahn.

nord22

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Alsergrund
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nord22

18er

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Wenns um die "Wertdichte" geht (also Wertsteigerung pro Kilogramm, wir müssen das Zeug ja auch wieder in die Gegenwart zurücktragen, wer weiß, obs da Freigepäck gibt) bleib ich bei Klimt+Schiele :)
Sollte man gar nichts mitnehmen dürfen, müsste man in Immobilien investieren. So ein kleines Grundstückerl irgendwo draußen in Oberlaa - damals eine Gstetten, heute Gold wert  :up:

Übrigens, welche Fragen sollte man im Restaurant anno 1909 keinesfalls stellen:
Ist das Fair-Trade-Kaffee?
Kommt das Gemüse aus nachhaltiger, biologischer Landwirtschaft?
Ist das glutenfrei / laktosefrei / vegan?
Ist Ihr Schnitzel vom Strohschwein?

Unter anderem weil damals vermutlich eh noch mehr Bio war und die Leut sowieso viel weniger Fleisch gegessen haben.

Tramwaycafe

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Unter anderem weil damals vermutlich eh noch mehr Bio war und die Leut sowieso viel weniger Fleisch gegessen haben.
Wie's um 1900 war, entzieht sich meiner Kenntnis; aber in der Zwischenkriegszeit: Da gehen einem bei einem Blick in gängige Kochbücher (für die Alltagsküche; legendär: Ziegenbein-Eckel) die Augen über ob der fleischlastigen und üppigen Kost. Bei den dortigen Menüvorschlägen für die einfache Hausfrau selbst in normalen Wochen würden wir bei heutiger typischer nichtkörperlicher Arbeitsbelastung auseinandergehen wie ein Germteig. Mangel herrschte viel eher an Gemüse und insbesondere Obst. Nota bene: Aus wenig Ausgangsmaterial viel Energie herausholen.

moszkva tér

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Wie's um 1900 war, entzieht sich meiner Kenntnis; aber in der Zwischenkriegszeit: Da gehen einem bei einem Blick in gängige Kochbücher (für die Alltagsküche; legendär: Ziegenbein-Eckel) die Augen über ob der fleischlastigen und üppigen Kost. Bei den dortigen Menüvorschlägen für die einfache Hausfrau selbst in normalen Wochen würden wir bei heutiger typischer nichtkörperlicher Arbeitsbelastung auseinandergehen wie ein Germteig. Mangel herrschte viel eher an Gemüse und insbesondere Obst. Nota bene: Aus wenig Ausgangsmaterial viel Energie herausholen.
Wobei mageres Fleisch nicht dick macht oder ungesund ist. Die Energie wiederum bekommt man aus den Kohlehydraten (zB Erdäpfel, Getreide aller Art wie z.B. Nudeln oder auch Mehl als Soßenbinder). Und die Energie, die man durch körperliche Belastung nicht verbraucht, wird im Körper als Fett gespeichert - sozusagen als Polster für schlechte Zeiten.

Ich glaube, dass um 1900 schon eine Mangelernährung geherrscht hat bei den "normalen Menschen". In der Zwischenkriegszeit kann ich es nicht sagen, aber zumindest im Krieg und in der Nachkriegszeit gab es praktisch kein Fleisch zu essen - maximal zu Festtagen. Man ist jedenfalls gerne zum Pferdefleischer gegangen, wo man Fleisch günstig bekommen hat. Damals gab es ja noch viele Nutzpferde, die nach dem Ausdienen verarbeitet werden konnten. Zugegeben, dass man dort einkaufen geht, hat es kaum wer.

Der Mangel an Gemüse und Obst, den du beschreibst, gab es eher saisonal. Obst und Gemüse konnte damals noch viel schlechter haltbar gemacht werden als heute. Im Winter musste man auf haltbares Wintergemüse (Kohl, Rüben, Erdäpfel usw.) oder auf Eingemachtes zurückgreifen. Obst gab es überhaupt nur zur Saison. Tiefkühltruhen gab es ja nicht und nur wenige Obstsorten konnten länger als einige Tage oder Wochen aufbewahrt werden (z.B. Äpfel). Obst- und Gemüseproduktion außerhalb der Saison z.B. in Glashäusern oder in Substratkulturen waren damals noch komplett unbekannt.


coolharry

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Wobei mageres Fleisch nicht dick macht oder ungesund ist. Die Energie wiederum bekommt man aus den Kohlehydraten (zB Erdäpfel, Getreide aller Art wie z.B. Nudeln oder auch Mehl als Soßenbinder). Und die Energie, die man durch körperliche Belastung nicht verbraucht, wird im Körper als Fett gespeichert - sozusagen als Polster für schlechte Zeiten.

Für meinen Opa war nur richtig fettes Fleisch gut. Alles andere gab nicht aus.
Btw.: Früher gabs kaum bis gar kein Fleisch. Um 1900 hat der Standard Arbeiter (angestellte waren selten und hattens auch nicht besser) sich über jeden Teller Brotsuppe, Milchsuppe oder ähnliche Dickmacher gefreut. Auch beliebt war es, zu jeder Suppe eine Einbrenn zu machen.
Fleisch, seis auch nur Pferdefleisch, war für den Standard Arbeiter unleistbar. Das gabs wirklich nur zu Feierlichkeiten. Daher kommen ja die Festtagsbraten. Rouladen waren ja auch nur ein Versuch aus wenig Fleisch viel Masse heraus zu holen.

Erdäpfeln hielten sich im Keller mehrere Monate. Allerdings waren sie dann in einem Zustand, in dem sie heute niemand mehr Essen täte. Detto Äpfel.

Und Kochbücher waren immer so etwas wie Wunschtraumbücher. Nachdem Motto: Einmal im Leben werd ich das Essen. Ähnlich wie wenn heute einer ein Reiseprospekt der Malediven (oder Wunschdestination der Wahl) anschaut.  ;)
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

nord22

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nord22

nord22

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luki32

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... mit einem G-Triebwagen der späteren Line 2.  :)
Vorsicht, Bösuser!
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nord22

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nord22

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War das die Thurnstiege, wie sie bis zum Umbau vor ca. 10 Jahren (?) aussah? Ich kannte die alte Stiege leider nicht.
"das korrupteste Nest auf dem weiten Erdenrund"
Mark Twain über die Wienerstadt.

moszkva tér

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War das die Thurnstiege, wie sie bis zum Umbau vor ca. 10 Jahren (?) aussah? Ich kannte die alte Stiege leider nicht.
Ja, bis zum Umbau hat sie tatsächlich genauso ausgesehen - die gepflasterten Rinnsale (für Starkregen?) links und rechts waren am Ende aber schon sehr zugewachsen.
Hier eine Info (wien.gv.at) zum geplanten Neubau (2004): https://www.wien.gv.at/verkehr/brueckenbau/pdf/thurnstiege.pdf

Hier ein Bild vor dem Neubau von der Seite der Bezirksmuseen: