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Elektrische Stadtbahn

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Interessierte:
Ich habe dazu zwei (naja, eigentlich ganz viele, aber zwei mal jetzt) Fragen zur elektrischen Stadtbahn:

Die wohl erste, leichtere Frage:

Hat die These etwas Denkmögliches an sich, dass der Name "Wiener elektrische Stadtbahn" (der sich amtlich bis zum Ende der Stadtbahn in den 80ern so [mit "e"] gehalten hat, wie sich u.a. aus der Verwaltungsliteratur wie Amtsblätter der Stadt Wien entnehmen lässt), schlichtweg bloß ein - wenn auch genialer - Marketingtrick der damaligen Gemeinde Wien (Stichwort: das Rote Wien) war: Dies um die von der Stadt übernommenen und elektrifizierten Wiental-, Donaukanal- und Gürtelstrecken, die nun mit schönen neuen Straßenbahnwagen befahren wurden, womit man sich damit von der stinkenden, rußenden und die Bahnanlagen und die Umgebung verschmutzenden Dampfstadtbahn, von der Staatsbahn des schwarzen Bundes betrieben bzw. schon einige Jahre eingestellt, abzuheben? Kurz: Um die nun von der Gemeinde Wien - städtische Straßenbahnen betriebenen elektrischen Stadtbahn der Bevölkerung rasch schmackhaft zu machen, damit allenfalls auch möglichst recht bald die Investitionen für Streckenumbau, Elektrifizierung und neues Rollmaterial zurückverdient werden kann?

Die zweite, wohl schwierigere Frage, betrifft die Frage nach der Konzession bzw. den Betrieb der elektrischen Stadtbahn:

Unzweifelhaft ist, dass die Gemeinde bei der Übertragung der von ihr seit 1925 betriebenen el. StB in ihr Eigentum (nebstbei genau betrachtet noch einmal teuer erkauft, da die rote Stadt im Gegenzug dem schwarzen Bund etliche Zuckerl geben musste, wie z.B. das Flugfeld Aspern, Benützungsrechte an Schulen etc. pp.) im Jahr 1934 gleichzeitig für diese Strecken die notwendigen Konzessionen für den Kleinbahnbetrieb der Stadtbahn erhalten hat.

Doch wie war das zwischen 1925 und 1934, als die Gemeinde die el. StB im straßenbahnähnlichen Betrieb betrieben hat, Streckeneigentümerin aber nach wie vor die Kommission für Verkehrsanlagen in Wien war? Errichtet wurden die Strecken ja als Vollbahn (die Gürtellinie als Hauptbahn, die Wiental- und die Donaukanallinie als Lokalbahnen "ganz im Charakter der [Stadtbahn-]Hauptbahnen ausgeführt"). Nach dem Umbau 1924/25 - Anhebung des Gleisbettes, Gleisverlegung näher an die Bahnsteige heran - war wohl nicht mehr an einen weiteren Vollbahnbetrieb zu denken ohne Rückbau. Irgendwo habe ich auch gelesen, wo ausdrücklich von der Abkopplung vom Vollbahnnetz der Staatsbahn die Rede ist.

Für mich ergeben sich daraus zwei Varianten:
a) die drei Stadtbahnstrecken wurden der Eigentümerin Kommission für Verkehrsanlagen sofort auf Kleinbahn umkonzessioniert und waren schon ab 1925 keine Vollbahn mehr?
b) offiziell blieben die Strecken zwar weiterhin als Vollbahn konzessioniert, die Gemeinde Wien - städtische Straßenbahnen als Betreiberin der von der Kommission auf 30 Jahre gepachteten Strecken bekam jedoch das Recht zugestanden, ihre el. StB als straßenbahnähnliche Kleinbahn zu betreiben?
Einleuchtend für mich ist, dass sich straßenbahnähnlicher Betrieb und gleichzeitig Vollbahn zu sein nicht miteinander ausgeht.

Für b) würde sprechen, dass mit § 2 in das Bundesgesetz vom 11. Jänner 1924, betreffend die Überlassung mehrerer Linien der Wiener Stadtbahn an die Gemeinde Wien - Städtische Straßenbahnen zur Elektrifizierung und Betriebsführung ein Sonderpassus hineingeschrieben wurde:
§ 2. Die Bundesregierung kann für die Dauer des im § 1 erwähnten Vertrages Abweichungen von den gesetzlichen und konzessionsmäßigen Rechtsgrundlagen der Wiener Stadtbahn im Rahmen der durch die geplante Art der sich ergebenden Notwendigkeit gestatten.

Nachtragsfrage:

War die "Wiener elektrische Stadtbahn" je irgendwann besonders im Bewusstsein der Bevölkerung verankert? Meiner Kenntnis nach war das immer - wenn überhaupt mit Zusatz "Wiener" - dann, jedenfalls in den maßgeblichen Jahrzehnten nach Betriebswiederaufnahme 1945, doch nur max. die "Wiener Stadtbahn"? Sind je in valider Anzahl Menschen mit der "elektrischen Stadtbahn" gefahren, analog wie andererseits ja "die Elektrische" für die Tramway durchaus gängig war? Wäre es daher nicht eher so, dass "Wiener Dampfstadtbahn" versus "Wiener Stadtbahn" wäre? (Stichwort: enzyklopädisches Lemma.)

Mit Dank für erhellende Anworten bzw. Diskussionsbeiträge,

sagt die Interessierte,
die selbst noch Stadtbahnbenützerin in den 1960ern und 1970ern war und die Bezeichnung "(Wiener) elektrische Stadtbahn" erst seit kurzem kennt.

Ferry:

--- Zitat von: Interessierte am 09. November 2018, 05:58:43 ---War die "Wiener elektrische Stadtbahn" je irgendwann besonders im Bewusstsein der Bevölkerung verankert? Meiner Kenntnis nach war das immer - wenn überhaupt mit Zusatz "Wiener" - dann, jedenfalls in den maßgeblichen Jahrzehnten nach Betriebswiederaufnahme 1945, doch nur max. die "Wiener Stadtbahn"? Sind je in valider Anzahl Menschen mit der "elektrischen Stadtbahn" gefahren, analog wie andererseits ja "die Elektrische" für die Tramway durchaus gängig war? Wäre es daher nicht eher so, dass "Wiener Dampfstadtbahn" versus "Wiener Stadtbahn" wäre? (Stichwort: enzyklopädisches Lemma.)

--- Ende Zitat ---

"Wiener elektrische Stadtbahn" war die amtliche Bezeichnung für dieses Verkehrsmittel, um sich von den zur Zeit ihrer Inbetriebnahme noch überwiegend mit Dampf betriebenen Vollbahnstrecken abzugrenzen. Umgangssprachlich wurde aber immer nur von der "Stadtbahn" (ohne "Wiener", welche Stadtbahn sollte es sonst noch in Wien geben?) gesprochen. Ich habe selbst auch noch Stadtbahnzeiten und die N1/n2 Züge erlebt und kann mich noch erinnern, wie mir meine Mutter einmal auf die Frage nach einem Fahrziel in Währing gesagt hat: "Da fahrst mit der Stadtbahn bis Währinger Straße und dann mit dem 41er.". Interessanterweise war die Verwendung von Linienbezeichnern bei der Stadtbahn nicht üblich; ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass ein solcher umgangssprachlich verwendet worden wäre. Bestenfalls war von der "Wiental-Linie" und der "Gürtel-Linie" die Rede, ansonsten war die Stadtbahn einfach nur "die Stadtbahn".

Interessierte:

--- Zitat von: Ferry am 09. November 2018, 09:48:25 ---
--- Zitat von: Interessierte am 09. November 2018, 05:58:43 ---War die "Wiener elektrische Stadtbahn" je irgendwann besonders im Bewusstsein der Bevölkerung verankert? Meiner Kenntnis nach war das immer - wenn überhaupt mit Zusatz "Wiener" - dann, jedenfalls in den maßgeblichen Jahrzehnten nach Betriebswiederaufnahme 1945, doch nur max. die "Wiener Stadtbahn"? Sind je in valider Anzahl Menschen mit der "elektrischen Stadtbahn" gefahren, analog wie andererseits ja "die Elektrische" für die Tramway durchaus gängig war? Wäre es daher nicht eher so, dass "Wiener Dampfstadtbahn" versus "Wiener Stadtbahn" wäre? (Stichwort: enzyklopädisches Lemma.)

--- Ende Zitat ---

"Wiener elektrische Stadtbahn" war die amtliche Bezeichnung für dieses Verkehrsmittel, um sich von den zur Zeit ihrer Inbetriebnahme noch überwiegend mit Dampf betriebenen Vollbahnstrecken abzugrenzen. Umgangssprachlich wurde aber immer nur von der "Stadtbahn" (ohne "Wiener", welche Stadtbahn sollte es sonst noch in Wien geben?) gesprochen. [...] Bestenfalls war von der "Wiental-Linie" und der "Gürtel-Linie" die Rede, ansonsten war die Stadtbahn einfach nur "die Stadtbahn".

--- Ende Zitat ---

Ja, eben. Das meine ich auch.
In der Wikipedia ist man, besser gesagt: der betreffende deWP-Autor, mit allem Bestemm anderer Meinung. :-( ... So wie er sich - unter vielem anderen auch - mit Bestemm darauf kapriziert, die Donaukanal- und Wientallinie wären im letzten Moment noch von Lokalbahnen zu Hauptbahnen hochkonzessioniert worden, weil er dies bei Kortz (1905), Wien im XX. Jahrhundert, verklausuliert herausgelesen haben will (dummerweise hat er halt nicht weitergelesen im selbigen Text, das hätte ihm ein paar Absätze weiter seine Interpretation umgehend widerlegt - typische wie durchgängig Arbeitsweise dieses deWP-Autors) ...

Ob sich noch irgendjemand findet, der was Belastbares zu der Fragestellung die Konzession betreffend sagen kann?

Ergänzend noch, abseits der Konzessionsfrage, drei zusätzliche Fragen im Themenbereich an die hiesigen Spezialisten (und Spezialistinnen?) nachgeschickt:

* Ab 1957 fuhr die Stadtbahn wohl (wie später per Bescheid vom 3. Sept. 1976 die U-Bahn Type U, siehe hierzu letzter Absatz in meinem Posting vom 17.11. in U-Bahn > Notbremsung im Tunnel) unter dem Ausnahmetatbestand "Straßenbahnen besonderer Art" nach § 30 StrabVO 1957?
Seit Änderung des Eisenbahngesetzes (EisbG 1957), BGBl. Nr. 452/1992 (vgl. Textgegenüberstellung in Regierungsvorlage, S. 33), womit unter dem Begriff der Straßenbahn die bis dahin im Gesetz fehlenden U-Bahnen u.dgl. aufgenommen und nunmehr ausdrücklich unter § 5 Abs 1 Z 2 EisbG 1957 als Straßenbahn subsumiert wurden, sowie der späteren StrabVO 1999, gibt es ja für die seit den 70er Jahren fahrende U-Bahn keine Zweifel mehr.
Wie war das demnach für die Stadtbahn ab 1925 über die unseligen Jahre 1934 bis 1938 bzw. 1938 bis 1945 und in der zweiten Republik 1945-1957?
* Hat die aufgestellte Behauptung in der deWP im Artikel Wiener Elektrische [sic!] Stadtbahn (in dem, wie auch im zugehörigen Artikel Wiener Stadtbahn, samt den beiden abstrusen, wider die Wirklichkeit seienden Lemmata, mE ganz viel Unsinn und ganz viele eigene Schlussfolgerungen des WP-Autors und dessen Eigeninterpretationen von ihm gelesener Texte drinnen stehen!) die im Abschnitt Umkonzessionierung zur Straßenbahn nach dem "Anschluss" Österreichs (1938) etwas auf sich?, wonach, Zitat, kursiv und Anführungszeichen übernommen:
"Im Zuge dieser Rechtsumstellung [reichsdeutsche BOStrab etc., wie in den Sätzen davor angeführt; Anm.] klassifizierte das deutsche Reichsverkehrsministerium 1938 auch die Wiener Elektrische Stadtbahn als 'Straßenbahn'. Eine direkte Folge davon war, dass ihr Fahrplan fortan nicht mehr im amtlichen Kursbuch aufgeführt war. Im ab dem 15. Mai gültigen Sommerkursbuch des Jahres 1939 ist beispielsweise nicht mehr enthalten." - Zu letzterem ist als Beleg, ohne Direktlink, auf Deutsches Kursbuch Sommer 1939 verlinkt.
Das ist mbMn Stuß - wieso soll ausgerechnet erst 1938 vom Reichsverkehrsministerium die el StB als Strab klassifiziert worden sein und der Betrieb (wohlgemerkt, nicht die Strecken, die wahrscheinlich wirklich noch bis 1934 als Vollbahnstrecken galten) nicht längst als Strab klassifiziert gewesen sein?, sprich seit 1925 unter der Ägide der Gemeinde Wien - städtische Straßenbahnen, spätestens aber seit der Eigentumsübertragung der betreffenden Stadtbahnstrecken im Jahr 1934, wo doch an die Stadt Wien die Konzessionserteilung als Kleinbahn (sic!) erging. Warum zum Henker soll hier zum Strab-Betrieb eine Verbindung mit der "Anschluss"-Gesetzgebung 1938 gegeben gewesen sein?
* Durch den WP-Autor (der, das sei an dieser Stelle erwähnt, als mutmaßlich gleichnamiger twf-"Schwarzfahrer" sich reichlich u.a. des twf bedient/e, zwar zulässig durch Übernahmen historischer Bild mit abgelaufenen Urheberrecht, sowie aber auch - ohne Quellennennung - Textverwurschtung in "seine" deWP-Artikel) steht überdies in der sog. Infobox ganz am Anfang des deWP-Artikels zur elektrischen Stadtbahn als Kursbuchstrecke: 1, 11 drinnen, wobei der Autor sich dabei auf die von ihm als Beleg in der Fußnote nicht verlinkte "Wiener Ortsverkehrs-Karte, Oktober 1926" beruft. (Diese ist mitsamt den zugehörigen Kursbuchseiten im hierorts wohlbekannten fpdwl-Forenarchiv zu finden im Reply #3 und ff. von Conducteur am 15.10.2009 im Thread "Eingestellter innerstädtischer Eisenbahn-Personenverkehr".) Darin sind zwar wirklich in der eingebundenen Ortsverkehrs-Karte von 1926 die von der Gemeinde Wien - städtische Straßenbahnen elektrifizierten und betriebenen Stadtbahnstrecken weiterhin als Kursbuchstrecken 1 und 11 drinnen, in den Fahrplanbildern selbst sind sie ab 1926 selbstredend jedoch nicht mehr aufscheinend, was uns wiederum zu Pkt. 2 zuvor führt: Die elektrifizierten Stadtbahnstrecken mögen ja vielleicht wirklich noch bis 1934 als Vollbahnstrecken gegolten haben, aber die elektrische Stadtbahn als straßenbahnähnlicher Betrieb war es doch seit Betriebsaufnahme 1925 nicht mehr? Spätestens seit 1934, nun auch mit den Strecken mit der Konzession als Kleinbahn, doch schon erst recht nicht? In Summe waren also die Strecken der elektrischen Stadtbahn, wenn schon überhaupt, im Vergleich zur Gesamtbetriebszeit doch ohnehin nur sehr kurze Zeit kursbuchrelevant, sodass schon aus diesem Blickwinkel die Angabe der Kursbuchstrecken in der sog. Infobox ausgemachter Humbug ist, oder?
BTW: Ebenfalls in der sog. Infobox weist der Autor drei Betreiber aus - was insofern auch Quatsch ist, da die Betreiberin ja immer dieselbe geblieben ist, nur Name und Rechtsform (einerseits als eigene im Handelsgesetzbuch/Firmenbuch eingetragene Gesellschaften und damit mittelbar der Stadtverwaltung unterstellt, sowie andererseits als Abteilung der zuständigen Magistratsabteilung geführt) haben sich halt mehrmals geändert.

W_E_St:
Meine einzige nicht-fachliche Quelle: Johannes Mario Simmel lässt soweit ich mich erinnern in Das geheime Brot der Armen seinen Protagonisten überlegen, ob er sich zur Beendigung seines Lebens unter die Räder der elektrischen Stadtbahn werfen soll. Ansonsten kenne ich immer nur Stadtbahn alleine, ohne Zusatz. Meine Großmutter hat das bis ans Ende ihres langen Lebens verwendet. Die Straßenbahn war bei ihr "die Elektrische", sie ist an der Elektrischen Lokalbahn Graz - Mariatrost aufgewachsen.

Taurus:
Welche Einteilungen gab es eigentlich damals?
Heute gibt es Vollbahnen (unterteilt in Haupt- und Nebenbahnen) sowie Straßenbahnen.


--- Zitat von: Interessierte am 09. November 2018, 05:58:43 ---


b) offiziell blieben die Strecken zwar weiterhin als Vollbahn konzessioniert, die Gemeinde Wien - städtische Straßenbahnen als Betreiberin der von der Kommission auf 30 Jahre gepachteten Strecken bekam jedoch das Recht zugestanden, ihre el. StB als straßenbahnähnliche Kleinbahn zu betreiben?
Einleuchtend für mich ist, dass sich straßenbahnähnlicher Betrieb und gleichzeitig Vollbahn zu sein nicht miteinander ausgeht.



--- Ende Zitat ---
Ich denke man hat die Vollbahnkonzession so belassen. Man hat wohl kaum mit der neuen Betriebsform dagegen verstoßen oder war dadurch im Betrieb eingeschränkt.
Abgesehen davon: Die Stadtbahn war einer Vollbahn vom Betrieb sowieso auch näher als eine Straßenbahn.

Straßenbahnähnlicher Betrieb und Vollbahn geht sich unter Umständen schon auch aus.

Diese Uraltkonzessionen sind sowieso von den Begrifflichkeiten (aus heutiger Sicht) mit Vorsicht zu genießen -> Die WLB wäre z.B. so eine Vollbahn mit straßenbahnähnlichem Betrieb. Ursprünglich konzessioniert folgendermaßen: " als normalspurige Localbahn (Dampftramway) auszuführenden Locomotiveisenbahn..."

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