Autor Thema: Hausabriss und Mietenpreise  (Gelesen 870488 mal)

0 Mitglieder und 4 Gäste betrachten dieses Thema.

tramway.at

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 7697
    • www.tramway.at
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2055 am: 26. März 2021, 19:16:57 »
Zitat
Wenn der Abrissbagger anrückt, sorgt das in vielen Grätzeln für Aufregung. Oft muss nämlich ein altes Haus einem Neubau weichen, den viele im besten Fall als gesichtslos und im schlimmsten Fall als geschmacklos empfinden.
[...]
Wenn schon Neubau, möchte man angesichts der Empörung von Anrainerinnen und Anrainern fragen, warum baut man dann nicht anders? Warum erfindet man nicht die Gründerzeitfassaden neu, wenn sie so wichtig für die Stadt sind? Warum baut man nicht neue Gründerzeithäuser, wenn die Menschen offenbar so gern darin wohnen?
Dafür muss man zuerst einmal wissen, was den Charme der alten Häuser überhaupt ausmacht. [...]
Aus: https://www.derstandard.at/story/2000125365475/zurueck-in-die-gruenderzeit-warum-haeuser-heute-ganz-anders-ausschauen

Was die Fassaden betrifft ist es ja weniger der ganze Schmuck als die Proportionen und die Symmetrie. Hier zwei Beispiele von Durchschnittsbauten ich hab bewusst kein Gründerzeithaus genommen, sondern ähnlich voluminöse Standardhäuser der jeweiligen Epoche. Welches wirkt auf den ersten Blick "schöner", welches hätte man gern in seiner Gasse stehen?
Harald A. Jahn, www.tramway.at

N1

  • Verkehrsführer
  • *
  • Beiträge: 2190
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2056 am: 26. März 2021, 20:01:28 »
Den Plattenbauten der 70er- und 80er-Jahre wurde verschiedentlich ihre Monotonie zum Vorwurf gemacht. Deshalb hat sich unter den Architekten offenbar in einem hohen Maß die Vorstellung durchgesetzt, man müsse beispielsweise nur die Fenster völlig wirr auf dem Baukörper verteilen, damit der Angelegenheit die Monotonie und Fadesse genommen wird. Ein ideales Gebäude sieht nach dieser Denkschule überhaupt so aus, als hätte es der Charakter Numerobis aus dem Zeichentrickfilm "Asterix und Kleopatra" entworfen (abzüglich des Zierrats). Da die Statik in der Realität des 21. Jahrhunderts zweifellos fortgeschrittener ist als im fiktionalen alten Ägypten, fallen diese Prachtbauten auch nicht bei der ersten falschen Bewegung in sich zusammen. Kommen noch begrünte Fassaden ins Spiel, wird der verantwortliche Architekt gleichsam zum Klimaretter, wenigstens ein Stück weit. Spätestens dann ist ihm der Applaus der vereinigten Architektenschaft und aller fortschrittlichen Geister sicher. Man kann allerdings davon ausgehen, dass das Grün von der Fassade nach wenigen Jahren verschwinden wird, das Gebäude selbst nach wenigen Jahrzehnten. Aber da sind die Claqueure längst weitergezogen.

Interessanterweise sieht das übliche österreichische Einfamilienhaus, bei dem in der Regel der Bauherr auch später darin wohnt, nur in den seltensten Fällen so aus wie auf dem ersten Bild von tramway.at.
"Der Raum, wo das stattfand, ist ziemlich groß."
Hans Rauscher

DieTram

  • Fahrer
  • ***
  • Beiträge: 289
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2057 am: 26. März 2021, 20:25:56 »
Den Plattenbauten der 70er- und 80er-Jahre wurde verschiedentlich ihre Monotonie zum Vorwurf gemacht. Deshalb hat sich unter den Architekten offenbar in einem hohen Maß die Vorstellung durchgesetzt, man müsse beispielsweise nur die Fenster völlig wirr auf dem Baukörper verteilen, damit der Angelegenheit die Monotonie und Fadesse genommen wird. Ein ideales Gebäude sieht nach dieser Denkschule überhaupt so aus, als hätte es der Charakter Numerobis aus dem Zeichentrickfilm "Asterix und Kleopatra" entworfen (abzüglich des Zierrats). Da die Statik in der Realität des 21. Jahrhunderts zweifellos fortgeschrittener ist als im fiktionalen alten Ägypten, fallen diese Prachtbauten auch nicht bei der ersten falschen Bewegung in sich zusammen. Kommen noch begrünte Fassaden ins Spiel, wird der verantwortliche Architekt gleichsam zum Klimaretter, wenigstens ein Stück weit. Spätestens dann ist ihm der Applaus der vereinigten Architektenschaft und aller fortschrittlichen Geister sicher. Man kann allerdings davon ausgehen, dass das Grün von der Fassade nach wenigen Jahren verschwinden wird, das Gebäude selbst nach wenigen Jahrzehnten. Aber da sind die Claqueure längst weitergezogen.

Interessanterweise sieht das übliche österreichische Einfamilienhaus, bei dem in der Regel der Bauherr auch später darin wohnt, nur in den seltensten Fällen so aus wie auf dem ersten Bild von tramway.at.

Ich glaube, dieses Haus Ecke Donaufelder Straße/Wagramer Straße ist ein besonderes Gustostückerl bezüglich wirrer Fensteranordnung:
https://www.google.com/maps/@48.250104,16.4433953,3a,61.6y,319.71h,112.98t/data=!3m6!1e1!3m4!1s2VUA9Wp6P0kvWXyreTTDlw!2e0!7i16384!8i8192

Tramwaybastler

  • Fahrgast
  • *
  • Beiträge: 87
    • Tramwaybastler
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2058 am: 26. März 2021, 22:45:18 »
Welches wirkt auf den ersten Blick "schöner", welches hätte man gern in seiner Gasse stehen?

Mir gefällt das obere Gebäude mit seinen französischen Balkonen und Loggien um einiges besser als das zweit mit den kleinen Fensteröffnungen und dem ganzen Disneyland Kitsch.

Aber Geschmäcker sind verschieden.

LG Tramwaybastler

DieTram

  • Fahrer
  • ***
  • Beiträge: 289
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2059 am: 26. März 2021, 23:10:35 »
Welches wirkt auf den ersten Blick "schöner", welches hätte man gern in seiner Gasse stehen?

Mir gefällt das obere Gebäude mit seinen französischen Balkonen und Loggien um einiges besser als das zweit mit den kleinen Fensteröffnungen und dem ganzen Disneyland Kitsch.

Aber Geschmäcker sind verschieden.

LG Tramwaybastler

Ist traditionelle Architektur schlecht, nur weil Disneyland sie sich zum Vorbild genommen und verunstaltet/verulkt hat?

Unsere Städte sind grau genug, das brauchen wir nicht auch noch auf den Fassaden. Wer das mag, kann gerne in einer Wohnung mit geschliffenem Zementestrich und Sichtbetonwänden und -Decken leben.

Über Fensteröffnungen bis zum Boden freut sich der neugierige Nachbar von Gegenüber sicher!

N1

  • Verkehrsführer
  • *
  • Beiträge: 2190
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2060 am: 26. März 2021, 23:24:39 »
Mir gefällt das obere Gebäude mit seinen französischen Balkonen und Loggien um einiges besser als das zweit mit den kleinen Fensteröffnungen und dem ganzen Disneyland Kitsch.
Die Behauptung, die Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit hätten "kleine Fenster", entstammt ursprünglich der zeitgenössischen Polemik und ist insofern nachvollziehbar, als die damals gewohnten Fenster von Gründerzeithäusern infolge der reichhaltigen Fassadengliederung größer wirken, als sie sind. Man vergleiche nur den alten Franz-Josefs-Bahnhof vor und nach der Entstuckung. Wie man allerdings beim Vergleich mit Bauten der Jetztzeit zu dieser Behauptung kommt, entzieht sich meinem Verständnis.

Über Fensteröffnungen bis zum Boden freut sich der neugierige Nachbar von Gegenüber sicher!
Ein klassischer Einsatzzweck von Französischen Fenstern war der Nachkriegswohnbau. Die monotone Aneinanderreihung von gleich breiten Fensterachsen war modern, aber für mittelgroße Räume war in puncto Belichtung ein zweiflügeliges Fenster zu wenig und deren zwei zu viel des Guten. Deshalb gab's eben die ansonsten ziemlich sinnbefreiten Französischen Balkone.

Apropos Fenster bis zum Boden: Wenn ich mir dieses Scheusal von einem Haus bei der U-Bahn-Station Kagraner Platz mit den kleinen Fenstern auf Bodenhöhe ansehe, dann denk ich mir, das hat der Architekt wohl für Hund und Katz gemacht. Die haben immerhin auch ein Recht auf einen schönen Ausblick. >:D
"Der Raum, wo das stattfand, ist ziemlich groß."
Hans Rauscher

Tramwaybastler

  • Fahrgast
  • *
  • Beiträge: 87
    • Tramwaybastler
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2061 am: 26. März 2021, 23:53:05 »
Unsere Städte sind grau genug, das brauchen wir nicht auch noch auf den Fassaden.
Ganz deiner Meinung deshalb finde ich Gebäude wie am zweiten Foto mit einem großen Anteil an Fassade abstoßend da hilft auch der ganz Disneyland Kitsch nicht. Gebäude mit Loggien, Balkonen und großen Fenstern so wie Freiflächen für jede Wohnung sehen hingen nach leben und nicht nach Bunker aus.

Über Fensteröffnungen bis zum Boden freut sich der neugierige Nachbar von Gegenüber sicher!
Wenn man Angst vor den Nachbarn von Gegenüber hat gibt es Vorhänge.

Traditionelle Architektur hat nichts mit diesem Disneyland Kitsch, wie am Gebäude vom Foto, zu tun.

LG Tramwaybastler

tramway.at

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 7697
    • www.tramway.at
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2062 am: 27. März 2021, 00:30:55 »
wo siehst du bei dem Gemeindebau Disneylandkitsch? Er hat keinen Fassadenstuck, nur die rückspringende Fassade und die angedeuteten Erker. Aber nehmen wir was ganz unverdächtiges, ein modernes völlig stuckloses, aber symmetrisches Gebäude aus den 1980ern. Das ist doch wesentlich ansehnlicher als die heutigen Klötze, oder?
Harald A. Jahn, www.tramway.at

Tramwaybastler

  • Fahrgast
  • *
  • Beiträge: 87
    • Tramwaybastler
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2063 am: 27. März 2021, 01:46:30 »
Dieser angedeutete und nicht vorhandene Stuck wie die Rahmen um die Fenster oder der Fassadengesims empfinde ich als Disneyland Kitsch. Generell schauen für mich Gemeindebauten meistens wie Wohn- oder Wehrburgen aus mit kahlen Wänden und kleinen Fenstern, der gelegentlich mit Disneyland Kitsch verziert ist, hinter denen sich die ängstlichen Bewohner verstecken weil sie sich vor den Nachbarn fürchten.

Das Haus mit Garten sieht für mich steril und leblos aus.

Gebäude wo das Leben nicht hinter Mauern eingesperrt wird sondern sich auch auf Freiflächen abspielt finde ich viel freundlicher und angenehm zum Wohnen.

LG Tramwaybastler

coolharry

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 6422
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2064 am: 27. März 2021, 07:32:04 »

Gebäude wo das Leben nicht hinter Mauern eingesperrt wird sondern sich auch auf Freiflächen abspielt finde ich viel freundlicher und angenehm zum Wohnen.
Das von dir gewünschte hat nichts mit der Fassadengestaltung eines Hauses zu tun. Ob sich das Leben drinnen oder draußen abspielt hängt vom Umfeld ab. Ausserdem haben die meisten Bauten, schon durchaus belebte Innenhöfe. Aber wie belebt etwas ist hängt auch vom Durchschnittsalter der Bewohner ab. Viele junge Familien nutzen eher die gebotene Infrastruktur als alte Familien die lieber ihre Ruhe haben wollen. Diesen Effekt sieht man bei Neubaugebieten im Laufe der Jahre sehr deutlich.
Weil ein menschlicher Hühnerstall nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

N1

  • Verkehrsführer
  • *
  • Beiträge: 2190
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2065 am: 27. März 2021, 11:20:16 »
@ Tramwaybastler: Die Behauptung mit den "kleinen Fenstern" wird durch ständiges Wiederholen nicht wahrer. Und der Begriff "Disneyland-Kitsch" scheint mir für Bauten, die nachweislich Jahrzehnte vor dem ersten Disneyland errichtet wurden, ziemlich deplatziert. Was die angeblich ängstlichen Bewohner betrifft, die sich hinter kahlen Wänden verstecken, weil es, wie suggeriert wird, keine ausreichenden Freiflächen gibt, so erspare ich mir einen Kommentar und zeige stattdessen ein Bild vom vergangenen Sommer:
[ Für Gäste keine Dateianhänge sichtbar]
Die Bewohner trauen sich übrigens auch an normalen Tagen, also an solchen, an denen kein Konzert im Hof stattfindet (das war bis dato ein einmaliges Ereignis), aus ihren Wohnungen.
"Der Raum, wo das stattfand, ist ziemlich groß."
Hans Rauscher

Tramwaybastler

  • Fahrgast
  • *
  • Beiträge: 87
    • Tramwaybastler
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2066 am: 27. März 2021, 12:16:39 »
Die Frage war aber
Welches wirkt auf den ersten Blick "schöner", welches hätte man gern in seiner Gasse stehen?
Weshalb ich in meinem vorherigen Posting zwei Wörter fett herausgehoben hab.

Es bringen mir belebte Innenhöfe nichts wenn ich aus meiner Wohnung oder wenn ich dort unterwegs bin nur die trostlosen Außenwände sehe.

LG Tramwaybastler

haidi

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 14509
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2067 am: 27. März 2021, 12:42:47 »
Generell schauen für mich Gemeindebauten meistens wie Wohn- oder Wehrburgen aus mit kahlen Wänden und kleinen Fenstern, der gelegentlich mit Disneyland Kitsch verziert ist, hinter denen sich die ängstlichen Bewohner verstecken weil sie sich vor den Nachbarn fürchten.

Wenn du die Gemeindebauten der 1. Republik meinst, da kannst durchaus Recht haben, sie waren auch Wehrburgen gegen die christlich-sozialen Kräfte, die auch Militär gegen die Arbeiterschaft und Gemeindebauten eingesetzt haben. Versteckt und gefürchtet haben sich die Bewohner nicht vor den Nachbarn, sondern s.o. Mir gefallen diese Gemeindebauten wesentlich besser als die Nachkriegsware, die zu einem Einheitsbrei verkommen sind.
Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.

D 3XX

  • Zugführer
  • *
  • Beiträge: 620
  • Flexity Wien
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2068 am: 27. März 2021, 16:24:52 »

Was die Fassaden betrifft ist es ja weniger der ganze Schmuck als die Proportionen und die Symmetrie. Hier zwei Beispiele von Durchschnittsbauten ich hab bewusst kein Gründerzeithaus genommen, sondern ähnlich voluminöse Standardhäuser der jeweiligen Epoche. Welches wirkt auf den ersten Blick "schöner", welches hätte man gern in seiner Gasse stehen?
Das obere der beiden.
D 3XX

W_E_St

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 7246
Re: Hausabriss und Mietenpreise
« Antwort #2069 am: 01. April 2021, 20:27:47 »
Über Fensteröffnungen bis zum Boden freut sich der neugierige Nachbar von Gegenüber sicher!
Ein klassischer Einsatzzweck von Französischen Fenstern war der Nachkriegswohnbau. Die monotone Aneinanderreihung von gleich breiten Fensterachsen war modern, aber für mittelgroße Räume war in puncto Belichtung ein zweiflügeliges Fenster zu wenig und deren zwei zu viel des Guten. Deshalb gab's eben die ansonsten ziemlich sinnbefreiten Französischen Balkone.

Nicht zwangsläufig, gerade in den 50ern gab es durchaus Zimmer mit zwei französischen Fenstern.
"Sollte dies jedoch der Parteilinie entsprechen, werden wir uns selbstverständlich bemühen, in Zukunft kleiner und viereckiger zu werden!"

(aus einer Beschwerde über viel zu weit und kurz geschnittene Pullover in "Good Bye Lenin")