Autor Thema: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit  (Gelesen 6434 mal)

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nord22

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Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« am: 14. November 2022, 18:54:58 »
Anbei eine rätselhafte Fotografie, welche G 847 + a (noch mit dem unvorteilhaft kurzen Achsstand von 1,90 m, welcher 1908 - 1909 auf 2,20 m verlängert wurde) beim Befahren eines Gleiswechsels am Burgring zeigt. Das Bild wirft einige Fragen auf: Der Straßenbahnverkehr auf der Ringstraße war damals sehr dicht. Hatte G 847 + a in den Gleiswechsel zurückgeschoben? Die beträchtliche Verkehrsbehinderung durch das Befahren des Gleiswechsels ist evident (Foto: Onlinearchiv Wien Museum).
Wie lange hat dieser Gleichswechsel bestanden? Hat vielleicht jemand einen Gleisplan, wo er eingezeichnet ist?
Anmerkung: die pittoresk komplizierten Gleisanlagen an Verkehrsknoten waren für die Wiener Tramway in dieser Zeit typisch; z.B. beim Südbahnhof oder am Schottentor, wo die Züge bis um Umbau 1924 kreuz und quer über die Ringstraße gefahren sind.

nord22   

T1

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #1 am: 14. November 2022, 19:19:57 »
Kommt der Zug nicht einfach aus der Babenbergerstraße? ???

nord22

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #2 am: 14. November 2022, 19:38:10 »
@ T1: ich glaube, da hast du recht. Die Gleisverbindungen im Vordergrund führen dann in die Eschenbachgasse. Die Szenerie wirkt durch die Brennweite der Plattenkamera und die perspektivische Verzerrung weitläufiger als in der Realität.

nord22

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #3 am: 14. November 2022, 19:39:36 »
Ahoi,
ich verstehe die Frage auch nicht ganz - Linksverkehr, der linke Zug kam aus der Babenbergerstraße, wohin der rechte fährt weiß ich nicht, aber da ist nichts seltsames?! Wenn du vielleicht eine Parallelweiche quer über den Ring meinst, sowas gab es nicht.
Harald A. Jahn, www.tramway.at

nord22

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #4 am: 14. November 2022, 20:05:31 »
Danke für den Gleisplan - alles klar.

nord22

T1

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #5 am: 14. November 2022, 20:09:14 »
Was der Gleisplan nicht zeigt, aber im Generalstadtplan 1912 gut erkennbar ist: Die beiden Strecken waren nicht 100% parallel – dadurch ist womöglich auch der Bogen weiter als gedacht und so passt das imaginäre Stadtbild nicht mit dem abgebildeten zusammen :)

Nulltarif

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #6 am: 14. November 2022, 23:08:57 »
Immer wieder zum Weinen über den heutigen Zustand, wenn man sieht, was für ein dichtes Straßenbahnnetz Wien einmal hatte.
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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #7 am: 13. Februar 2023, 20:08:16 »
Ich hänge mich mal hier dran: Ich habe auf einer Postkarte einen Doppelgleisbogen entdeckt, der mir unbekannt war und mir auch Rätsel aufgibt - von der Nussdorferstr in die Viriotg! Er ist in meinem 1915er-Gleisplan nicht eingetragen und auch nicht in den Stadtplänen aus der Epoche, die sonst sehr akkurat sind. Die Viriotg. ist auch eigentlich etwas sehr steil für eine Tramway - Erklärung, anybody?
Harald A. Jahn, www.tramway.at

25er

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #8 am: 13. Februar 2023, 20:18:17 »
Die Pläne dürften eh alle korrekt sein, da die Strecke durch die Viriotgasse nur von 08.01.1902 bis 12.10.1907 Bestand hatte.  :)

Elin Lohner

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #9 am: 13. Februar 2023, 20:20:06 »
Ich hänge mich mal hier dran: Ich habe auf einer Postkarte einen Doppelgleisbogen entdeckt, der mir unbekannt war und mir auch Rätsel aufgibt - von der Nussdorferstr in die Viriotg! Er ist in meinem 1915er-Gleisplan nicht eingetragen und auch nicht in den Stadtplänen aus der Epoche, die sonst sehr akkurat sind. Die Viriotg. ist auch eigentlich etwas sehr steil für eine Tramway - Erklärung, anybody?
Laut dem Generalstadtplan um 1904 (und 1912) lagen auf der Viriotgasse Schienen zur Liechtensteinstraße.
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Edit: @25er war schneller.
Ich bin der Meinung, dass man eine neue Remise am Gelände des ehemaligen Nordwestbahnhofes bauen, und dann die bestehende Remise Brigittenau dem VEF/WTM übergeben sollte.

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #10 am: 13. Februar 2023, 20:27:02 »
Wow! Irgenwelche Informationen dazu? Wars doch zu steil, oder warum hat man das gleich wieder aufgelassen?
Harald A. Jahn, www.tramway.at

25er

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #11 am: 13. Februar 2023, 21:21:51 »
Die Strecke durch die Liechtensteinstraße hat der NWT gehört, während die Strecken in der Althanstraße und Nußdorfer Straße der WT gehört haben. Die Althanstraße wurde 1900 und die Nußdorfer am 03.01.1902 elektrifiziert, die Liechtensteinstraße wiederum wurde erst 1903 elektrifiziert.

Auf diesem Tramwayplan von "ca. 1900" - da die Viriotgasse enthalten ist, dürfte er frühestens nach der Eröffnung der Viriotgasse veröffentlicht worden sein, aber spätestens vor der Auflassung der NWT-Strecke in der Gatterburggasse im August 1902  - gibt es zwei Linien, die durch die Althanstraße fahren: einmal Simmering - Ring - FJB und einmal Simmering - Ring - FJB - Döbling via Viriotgasse. Man wollte wohl im Zuge der Elektrifizierung Döbling direkt an den FJB anbinden?

In der "Zeitschrift für Elektrotechnik" Nr. 33 wurde vermeldet, dass mit der Inbetriebnahme der Schleife Börsenplatz (sic!) am 26.07.1902 letztere Linie nur mehr Börseplatz - FJB - Viriotgasse - Döbling verkehrte.

Mit der Vereinigung der WT und NWT unter städtischer Führung wurde mit 22.07.1903 der Betrieb auf der Viriotgasse eingestellt und diese fortan nur mehr als Betriebsstrecke verwendet. (Wiener Zeitung, 17.07.1903)

Am 19.06.1906 ereignete sich scheinbar ein Unfall, als ein Triebwagen zu schnell die Viriotgasse passieren wollte, welche "die größte Steigung der ganzen Wiener Strecke aufweis[t]". Anmerkung: "Spittelauer Gasse" war der alte Name der Althanstraße.  ("Das Vaterland", 30.01.1907)


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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #12 am: 13. Februar 2023, 21:39:52 »
Na Hui! Danke!
Harald A. Jahn, www.tramway.at

Nulltarif

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #13 am: 13. Februar 2023, 21:50:22 »
Im Slezak-Buch "Wiener Straßenbahn-Panorama" aus 1982 bzw. 1995 gibt es auf Seite 44 ein Bild mit folgender Bildunterschrift:
Zitat
Diese Ansichtskarte hält eine verkehrshistorische Rarität fest: Um 1902 den Straßenbahnverkehr zwischen dem Stadtzentrum und Nußdorf trotz Kanalbauarbeiten in der Liechtensteinstraße (auf ausdrücklichen Wunsch der Kahlenbergbahn) aufrechtzuerhalten, fuhren die Wagen bei den von Otto Wagner stilvoll gestalteten Gürtelbrücken einen Umweg (Heiligenstädter Straße - Glatzgasse - Döblinger Hauptstraße - Nußdorfer Straße - Viriotgasse - Liechtensteinstraße). Der Statdbahnzug auf der Brücke kommt von der Station Friedensbrücke (damals Brigittabrücke) und fährt zur Station Nußdorfer Straße.
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nord22

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Re: Eine rätselhafte Fotografie aus der Kaiserzeit
« Antwort #14 am: 13. Februar 2023, 22:39:24 »
In tramway&modell Ausgabe 1/ 2021 findet sich im Artikel über die Linie 36 von Peter Macho folgender Text:
 
"Ab 3. April 1907 erhielt die Linie nach Nußdorf entsprechend der neuen Linienbezeichnungen das Signal 36. Noch im gleichen Jahr waren auch die Bauarbeiten soweit fortgeschritten, dass die Linie 36 die neuen Gleise auf der Heiligenstädter Straße befahren konnte. Außerdem wurden bei der Neugestaltung der Heiligenstädter Straße auch die Gleisanlagen in der Umgebung optimiert: Von der Liechtensteinstraße wurde zur Heiligenstädter Straße ein Doppelgleisbogen eingelegt und die bisher von der Althanstraße in die Viriotgasse führenden Gleise in die Liechtensteinstraße eingebunden. Dies ermöglichte ein einfacheres Einschieben und Einziehen der Züge vom Bahnhof Gürtel und damit die Auflassung der steilen und unfallträchtigen Strecke durch die Viriotgasse".

Die Streckenführung lt. Text ist ist auch in den Netzplänen in posting 7 und 9 dokumentiert. Die Linie 36 wurde wegen Kanalbauarbeiten in der äußeren Liechtensteinstraße ab 3. Juli 1922 ab der Kolingasse über die Porzallangasse und Althanstraße nach Nußdorf geführt. Der durchgehende Betrieb der Linie D von der Althanstraße weiter bis nach Nußdorf wurde erst am 27. Juli 1931 aufgenommen.

LG  nord22