Jetzt ist schon wieder was passiert… nein, so schlimm ist es nicht, aber wieder mal steht ein neues Trumm auf der Ringstraße, und wieder mal hofft man inständig, „lass‘ es bei dem einen bleiben!“. Die Haltestellenhütteln der Wiener Linien sind ja ein langes und beim Betrieb selbst unbeliebtes Thema; früher waren das im Prinzip Gewista-Plakatwände mit Seitenteilen, bis man sich 1989 einen Ruck gegeben hat und ein ganzes Stadtmöbelprogramm von Luigi Blau entwerfen ließ, umfassend Telefonzellen, Wartehütteln, aber auch sonstiges Kleinzeug. Dieses Programm war schlau konstruiert und gut zu Wien passend: Das Tonnendach der Haltestellen nimmt das Motiv der damals aktuellen U3-Stationen auf, ansonsten hat er auch mit Rollbalkenwellblech gearbeitet. Die Wartehäuschen sind theoretisch erweiterbar, mir ist aber nur ein ehemaliges Beispiel bekannt, eine Vorverkaufsstelle in Ottakring (1.Bild). Großes Manko sind die fehlende Beleuchtung trotz Stromanschluss fürs City-Light-Plakat, und die 1989 noch unbekannte, aber heute sinnvolle digitale Echtzeit-Information, die man integrieren müsste.
Nun hatte Ulli Sima die Idee, die Wartehäuschen zu begrünen, was testweise mit dem bestehenden Kiosk geschah: Zwei Pflanztröge, paar Stahlseile, fertig – und das hat sich beim Prototyp überraschend gut entwickelt, auch wenn es natürlich nur Propaganda ist und gesamt wenig bringt. Eigentlich wäre das DIE Gelegenheit gewesen, die bestehenden Elemente professionell zu überdenken und die Funktionen zusammenzufassen – der furchtbare neue Haltestellenpfosten, der ein Rückschritt in allen Belangen außer den Kosten darstellt, hätte so unauffällig und gesichtswahrend entsorgt werden können. Während anderswo sehr viel Hirnschmalz in die Weiterentwicklung dieser wichtigen Schnittstellen Passagier <> ÖPNV investiert wird, hat man sich in Wien auf den politischen Wunsch „Begrünung“ konzentriert und sich für einen Entwurf entschieden, der mit maximalem Aufwand ein minimales Ergebnis generiert, bei völliger Ignoranz der seit 30 Jahren bekannten Fehler: das neue Modell ist ungeschickt konstruiert (auskragende Formrohre mit ca 20 cm Stärke tragen Dachpflanztröge, das braucht ein massives Fundament), das Grünzeug beschränkt sich auf vom Boden unsichtbare Sukkulenten am Dach und drei Rankwände, es ist nicht beleuchtet, die Fahrgastinfo ist nicht integriert. Warum wird zB das Dach nicht von Gittermasten getragen, die berankt werden können?
International sind begrünte Haltestellen eher selten, in Nantes sah ich ein schönes Beispiel (inzwischen abgetragen), in Paris hat man sich ausführlich mit den Funktionen einer neuen Bushaltestelle beschäftigt, und viele haben nun eine kleine Sukkulentenfläche am Dach, das ist aber auch eher ein Werbeschmäh. Schön aber in Paris die Straßenbahnhaltestellen: sie sind beleuchtet und durchdacht, und neu gepflanzte Bäume verschmelzen optisch fast mit den Stehern. Am Busterminal von Rueil-Malmaison hat man die Dächer begrünt, allerdings ohne Monstersteher. Die sinnvolle Begrünung der Infrastruktur ist anderswo selbstverständlich (beachtet die letzten Bilder eines Streckenneubaus nahe Paris im Vergleich zur Baustelle des O-Wagens im Nordbahnhofviertel), und ich begrüße das auch sehr; mir wäre recht, würde sich das auch in Wien nicht nur auf Propaganda beschränken.
Am Ende der Bildserie ebenfalls eingereichte Alterantiventwürfe.
Eine interessante Slideshow zum Thema:
https://de.slideshare.net/RussellPublishing/european-bus-operators-forum-yo-kaminagai