Hast du schon einmal eine Wegbeschreibung für Blinde gelesen - da wird angegeben, wie viele Stationen mit der Ubahn oder einem anderen Verkehrsmittel gefahren wird. Diese Wegbeschreibungen sind für Blinde äußerst exakt ausgeführt.
Genau. Soll er doch zählen, der blinde Pöbel!
1. Gerade bei längeren Strecken kann man sich leicht verzählen.
2. Das Haltestellenzählen funktioniert nur so lange, wie es keine Bedarfshaltestellen gibt (im Bus und vielen Regionalzügen fällt es also völlig aus). Oder Ampeln/Signale, an denen man wartet - denn wie möchte man als Blinder unterscheiden, ob man gerade an einer Station (es muss ja nicht an jeder Station jemand im Hörbereich ein- und aussteigen) oder aus anderen Gründen steht?
Ich verstehe weiterhin nicht, wieso sich hier einige in ihrer Ehre gekränkt (oder in ihrem Leben erheblich eingeschränkt?) zu fühlen scheinen, weil man minimale Standards an Barrierefreiheit fordert. Im konkreten Fall also die Ansage der nächsten Station inkl. Ausstiegsseite und an strategisch klugen Punkten von Linie und Fahrtrichtung. Ich verstehe es nicht: verschlechtert sich Euer Leben, wenn Stationen angesagt werden?
Nochmal: es geht nicht um ein akustisches Unterhaltungssystem zwischen den Stationen, wozu es zuweilen bei den ÖBB ausufert, es geht um das gezielte Zur-Verfügung-Stellen von Informationen auf verschiedenen Kommunikationswegen (optisch, akustisch) zur richtigen Zeit.
Und was macht der Blinde, wenn die Durchsagen ausfallen?
Was machen Rollstuhlfahrer, wenn der Aufzug ausfällt? Was macht ein Pendler, wenn die S-Bahn ausfällt?
Hier wie da: einen Weg suchen, mit der Situation umzugehen. Die Möglichkeit, dass ein System ausfällt, spricht nicht pauschal gegen das System.
Die Englischen Ansagen find ich persönlich unnötig. Sie dauern zu lange und eine Ansage hat immer das gleiche Schema "Zug nach 'xy'. Nächster Halt 'abc'. Der nächste Bahnhof wird sowieso noch angeschrieben und ich glaube man kann davon ausgehen, dass eine sehbeeinträchtigte Person in einem fremden Land über solche Ansageschemen zuerst einmal informiert.
Gestern habe ich in einem Cityjet auf der S2 nach "Zug nach..." das klassische "Nächster Halt - Next stop" gehört. Das ist m.E. ein guter Kompromiss.
Ich finde, dass es bei den WL auf der anderen Seite das nicht ganz so gut gehandhabt wird, vor allem bei der Straßenbahn. Von wo weiß ein sehbeeinträchtigter, der auf der Friedensbrücke in die Bim einsteigt, ob er im 5er oder 33er sitzt. Meines Erachtens sollte dann am Wallensteinplatz nach den Umstiegsmöglichkeiten gesagt werden 'Sie befinden sich in der Linie 33 nach Friedrich-Engels-Platz'.
Zumindest diejenigen, die sich auskennen, können ja hier nach Ausschlussprinzip vorgehen ("wenn ich zum 5er umsteigen kann, bin ich offensichtlich im 33er"). Andererseits: stören würde es auch nicht wirklich, zumindest mich nicht. Nur nicht bitte wie in den Cityjets an jeder Station, sondern zielgerichtet. Dann hilft es vielleicht auch dem einen oder der anderen, der/die etwas unaufmerksam in die Bim gestiegen ist.
Das Dresdner System ist auch nett: Blinde haben eine Fernbedienung, mit denen sie Außenansagen mit Linie und Fahrziel ("Linie 9 nach Prohlis") auslösen sowie eine Wiederholung der Haltestellenansage auslösen können. Der Charme besteht in der Verknappung der Informationen (denn auch das zeichnet eine gute Informationspolitik aus - Auswahl und Priorisierung. Deshalb finde ich ja z.B. die drei- bis sechsmalige Ansage der nächsten Station im Cityjet überflüssig, genauso die Ansage des Ziels an jeder Station).