Autor Thema: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn  (Gelesen 104758 mal)

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nord22

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #210 am: 24. Mai 2023, 14:52:14 »
Anschlussgleis Liebenberggasse: Text und Dokumente: Michael Vitecek

Als im ersten Weltkrieg die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln immer schwieriger wurde, kam die Straßenbahn zu Hilfe, indem einige Schleppgleise speziell zum Umschlag von Kartoffeln angelegt wurden.
1915 errichtete man auch ein Gleis zur ehemaligen Detailmarkthalle in der Zedlitzgasse. Diese Halle wurde 1871 als Wiens einzige Markthalle in Leichtbauweise gebaut, sie war zudem die einzige in der Innenstadt. Wegen mangelnden Interesses begann bereits 1899 ein Umbau, danach wurde sie ab 1902 an den Hagenbund, neben Künstlerhaus und Sezession der dritte große Künstlerbund in Wien, zu Ausstellungszwecken vermietet. Die dort vom freisinnigen Hagenbund ausgestellten Bilder, vornehmlich Ausstellungen der Jahre 1911 und 1912 mit Werken von Schiele und Kokoschka, führten aber zu massiven Negativreaktionen seitens maßgeblicher öffentlicher Funktionäre, wobei auch der die moderne Kunst völlig ablehnende Thronfolger Franz Ferdinand eine eher unrühmliche Rolle spielte. Daher wurde 1912 der Vertrag gekündigt, der Hagenbund konnte aber ab 1920 wieder ausstellen. Ab 13. Jänner 1925 war die Halle jedenfalls als Garage für städtische Autobusse in Verwendung. Abgesehen von der Verwendung für Lebensmittellagerungen und –verkauf (siehe unten) wurde die Halle nach der ab 1. Jänner 1942 erfolgten Auflassung als Garage noch als Lazarett, nach anderen Quellen wieder als Ausstellungsraum benutzt. 1965 erfolgte jedenfalls der Abriss, an Stelle der schönen Markthalle steht heute ein Umspannwerk.

Im Jahr 1915 aber wollte die städtische Straßenbahn über Intervention der Magistratsabteilung III ein Stockgleis anlegen, welches vom Parkring (bis 1919 Kaiser-Wilhelm-Ring) ausgehend in die Liebenberggasse führte und eine Abzweigung in die Cobdengasse besaß.
Die Erteilung des Baukonsenses erfolgte am 23. November. Die Länge betrug insgesamt 179,92 m, davon entfielen 66,95 m auf das Gleisstück in der Cobdengasse.
Wie lange die Anlage in Verwendung stand, ist nicht geklärt, in einem Schreiben vom 11. Mai 1920 wird erwähnt, dass die Gleise noch für Lebensmitteltransporte benötigt werden, und am 5. August 1922 teilte die Direktion der Straßenbahnen dem Bundesministerium für Verkehrswesen mit, dass auf der genannten Anlage noch Lastfahrten für das amerikanische Hilfslagerhaus (in der Markthalle) stattfinden würden; zudem wurde ein Hydrant in der Liebenberggasse noch zum Befüllen des Sprengwagens verwendet und daher das Gleis als Aufstellungsplatz genützt.
Eine Anfrage vom 9. November bei der Magistratsabteilung 42 bezüglich der Abtragung, bei der auch auf die Befristung auf Kriegsdauer hingewiesen wurde, ergab allerdings, dass das städtische Wirtschaftsamt wegen der „...Einlagerung von Kartoffeln, Fetteiern und Wurzelgemüse“ sowie großer Warenmengen, die noch im städtischen Lagerhaus liegen, die Anlage in nächster Zeit wieder benötigen werde. Das Bundesministerium lies aber nicht locker und so wurde am 24. Jänner 1924 erneut bei der Straßenbahn urgiert, „...ob die Anlage abgetragen worden ist.“ Eine Antwort erfolgte nicht gerade umgehend, erst am 7. September 1934 wurde gemeldet, dass bereits im Jahre 1925 die Einbindungsweiche in das Gleis an der Ringstraße entfernt wurde, die Abtragung des restlichen Gleises erfolgte 1932. Diese Abtragung wurde am 8. November 1934 nachträglich genehmigt – das Stockgleis Liebenberggasse war Geschichte.

Lobende Anmerkung: Michael Vitecek hat mit wissenschaftlicher Akribie ein längst vergessenes Kapitel der Wiener Tramwaygeschichte dokumentiert.

michael-h

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #211 am: 25. Mai 2023, 00:05:54 »
Anschlußgleise in der Molitorgasse

Die Gleisanlagen in der Molitorgasse im 11. Wiener Gemeindebezirk wurden im Herbst 1914 errichtet und später erweitert. Sie dienten ursprünglich dem Materialtransport für großflächige Bodenaufschüttungen im Zuge der Errichtung einer Kontumaz-Anlage für Schlacht- und Stechvieh mit Seuchenhof und einer Marktabteilung in unmittelbarer Nähe zum Schlachthof St. Marx und zum Wiener Zentralviehmarkt. Die Gleisanlagen dürften bis Anfang der 1930er-Jahre bestanden haben.

Diese Kontumaz-Anlage ("Kontumaz" war ein im 19. Jahrhundert gebräuchlicher Begriff für "Quarantäne") diente zur Verbesserung der Fleischversorgung Wiens und bot gleichzeitig Schutz vor aus dem Ausland eingeschleppten Tierkrankheiten. Baubeginn durch die Wiener Baugesellschaft Rella & Neffe war schließlich im September 1916. Nach Verzögerungen wegen mangelnden finanziellen Mitteln der Stadt Wien wurde die Anlage schließlich am 3. Mai 1922 eröffnet. Zur besseren Auslastung der neuen Schlachtanlagen wurde das erst im Mai 1908 in Favoriten eröffnete Wiener Zentral-Pferdeschlachthaus bereits am 8. Dezember 1922 wieder aufgelassen. 1924 wurde schließlich der Großhandel mit Pferdefleisch von der Großmarkthalle ebenfalls in die Kontumaz-Anlage verlegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg bürgerte sich die Bezeichnung "Auslandsschlachthof" ein.

Ab 1975 wurde die nun als "Arena" bezeichnete Anlage für Kunst- und Kulturpräsentationen alternativer Jugendgruppen genützt. Nach der Besetzung der "Arena" wurden die Gebäude im Jahr 1977 abgetragen.

LG Michi
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Paulchen

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #212 am: 25. Mai 2023, 00:12:20 »
Die Gleisanlagen in der Molitorgasse im 11. Wiener Gemeindebezirk wurden im Herbst 1914 errichtet und später erweitert. Sie dienten ursprünglich dem Materialtransport für großflächige Bodenaufschüttungen im Zuge der Errichtung einer Kontumaz-Anlage für Schlacht- und Stechvieh mit Seuchenhof und einer Marktabteilung in unmittelbarer Nähe zum Schlachthof St. Marx und zum Wiener Zentralviehmarkt. Die Gleisanlagen dürften bis Anfang der 1930er-Jahre bestanden haben.

Eine Gleisverbindung zur Schlachthausbahn hat da aber nicht bestanden, oder?

michael-h

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #213 am: 25. Mai 2023, 00:19:59 »
Eine Gleisverbindung zur Schlachthausbahn hat da aber nicht bestanden, oder?

Angeblich haben die später erweiterten Gleisanlagen die Schlachthausbahn gequert. Eine gleismäßige Verbindung hat mWn aber nicht bestanden.

LG Michi
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nord22

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #214 am: 27. Mai 2023, 19:36:36 »
Der Fotograf erregte die Aufmerksamkeit der Zugsmannschaft von K + kl + kl 11011 in der Simmeringer Hauptstraße kurz vor der Querung der Ostbahn. Die Aufnahme dürfte etwa 1945 - 1950 entstanden sein; die mit Brettern verschlagenen Fenster des Altbaus links und die autoleere  Simmeringer Hauptstraße sind für diese Zeit typisch (Quelle: Flohmarkt MStM, Bildautor nicht bekannt).
kl 11011 wurde auf dem Untergestell von DT 11 aufgebaut, per 15.12.1972 in 7536 umnummeriert und ist heute bei der Museumstramway Mariazell.

LG nord22

Erdberg

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #215 am: 27. Mai 2023, 21:59:24 »
Und auch eine schöne Erinnerung an das alte Bahnhofsgebäude Simmeringer Hauptstraße. Ich fuhr da noch mit alten Dieseltriebwagen (bis Erzherzog Karl-Straße) und stieg einmal da aus.

Erich Mladi

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #216 am: 28. Mai 2023, 03:13:39 »
Banale Frage? Welchen Auftrag hatten die Bediensteten auf den Loren? Immerhin gab es ja eigene Sitzbankerl.

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #217 am: 28. Mai 2023, 03:28:00 »
Banale Frage? Welchen Auftrag hatten die Bediensteten auf den Loren? Immerhin gab es ja eigene Sitzbankerl.

Bremser, bedient bei Bedarf die mechanische Handbremse.

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #218 am: 28. Mai 2023, 08:58:07 »
Beachtenswert auch die fünfstellige Wagennummer.
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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #219 am: 28. Mai 2023, 13:10:06 »
Beachtenswert auch die fünfstellige Wagennummer.

kl 11011 wurde im Dezember 1972 in kl 7536 umgezeichnet und mit 17.4.1984 außer Stand genommen.
Sollte jemand einen Tipp- oder Rechtschreibfehler finden darf er diesen behalten!

nord22

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #220 am: 29. Mai 2023, 18:21:52 »
L2 2569 schleppt den schadhaften Zug  G1 998 + k1 (k2); Aufnahmeort fraglich (Foto: Mag. Alfred Luft; Archiv Standenat). L2 2569 wurde 1958 in L3 468 umgebaut; vom L2 blieb nur der Fahrwerksrahmen übrig.

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #221 am: 29. Mai 2023, 19:23:51 »
Nachdem die Sonne im Rücken des Fotografen steht (no na, Wiener Schule ;)) und ich aber keinen Schattenwurf einer hinter dem Fotografen befindlichen Häuserzeile sehe, könnte es vielleicht die Obere Donaustraße sein?
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
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benkda01

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #222 am: 29. Mai 2023, 19:42:42 »
Nachdem die Sonne im Rücken des Fotografen steht (no na, Wiener Schule ;)) und ich aber keinen Schattenwurf einer hinter dem Fotografen befindlichen Häuserzeile sehe, könnte es vielleicht die Obere Donaustraße sein?
Die Sonne steht doch offensichtlich nicht im Rücken des Fotografen, sondern rechts (von der Kameraposition aus gesehen)? ???

95B

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #223 am: 29. Mai 2023, 22:21:54 »
Nachdem die Sonne im Rücken des Fotografen steht (no na, Wiener Schule ;)) und ich aber keinen Schattenwurf einer hinter dem Fotografen befindlichen Häuserzeile sehe, könnte es vielleicht die Obere Donaustraße sein?
Die Sonne steht doch offensichtlich nicht im Rücken des Fotografen, sondern rechts (von der Kameraposition aus gesehen)? ???

Stimmt, ändert aber nichts daran, dass es keinen Schattenwurf einer hinter dem Fotografen befindlichen Häuserzeile gibt.
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nord22

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Re: Lastentransporte bei der Wiener Straßenbahn
« Antwort #224 am: 12. Juni 2023, 23:44:18 »
Ein G2 oder G3 + al + al 7002 in der Wallensteinstraße (Foto: Mag. Alfred Luft, 22.05.1953). al 7002 machte schon einen sehr klapprigen Eindruck und wurde per 01.08.1954 skartiert. Etliche al wurden trotz ihres hohen Alters nochmals gründlich generalüberholt, gelb lackiert und erst 1976 - 1979 skartiert; siehe auch https://www.strassenbahnjournal.at/wiki/index.php?title=Type_al_(1904-1979).

LG nord22