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moszkva tér:
Ihr denkt beim Bahnhof Zoo nur an das Schlimmste.  ;)
Mir fällt nur ein ausgezeichnetes Kinderbuch ein, dass als Thema hat, dass Emil nicht beim Bahnhof Zoo, sondern Friedrichstraße aussteigen muss. Natürlich hält er sich nicht dran, aus nachvollziehbaren Gründen, und dann macht er auch noch mit seinen neuen Freunden, den Detektiven, am Nollendorfplatz einen Langfinger dingfest.  :)

13er:
Hier gibt es übrigens eine gute Dokumentation über die Berliner S-Bahn, die ja lange vom Westen boykottiert wurde:

www.1961-1989.de | Die Berliner S Bahn - Ein Ost West Problem - Doku in 3 Teilen von 1982 - Teil 1

95B:

--- Zitat von: 13er am 14. August 2011, 21:39:32 ---Wer sich über die frühere Haltestelle "Betriebsausweiche" am Wiener 31er lustig gemacht hat, der wird schön schauen, dass es in Berlin einen U-Bahnhof "Gleisdreieck" gibt :)
--- Ende Zitat ---
Die BVG haben mit ihren seltsam klingenden Haltestellennamen ein gutes Geschäft gemacht: Sie verkauften Unterwäsche mit entsprechendem Aufdruck: So gab es beispielsweise Damenunterwäsche "Gleisdreieck" oder Herrenunterwäsche "Rohrdamm".

13er:

--- Zitat von: 95B am 15. August 2011, 21:41:07 ---Die BVG haben mit ihren seltsam klingenden Haltestellennamen ein gutes Geschäft gemacht: Sie verkauften Unterwäsche mit entsprechendem Aufdruck: So gab es beispielsweise Damenunterwäsche "Gleisdreieck" oder Herrenunterwäsche "Rohrdamm".

--- Ende Zitat ---
Ich würde ja ein Kopfbekleidungsgeschäft aufmachen und es "Onkel Toms Hüte" nennen :D

MK:
Danke für die Bilder, allerdings möchte ich zum Thema "ÖV im geteilten Berlin" einige Korrekturen/zusätzliche Informationen anbringen.

Bahnhof Friedrichstraße
Der Bahnhof Friedrichstraße lag zwar im Ostsektor, wurde aber nach dem Mauerbau in zwei Teile geteilt. Es gab den "Westteil", den man nur vom Westen aus erreichen konnte und in dem man sich im Wesentlichen frei bewegen konnte, und den "Ostteil", den man nur vom Osten aus erreichen konnte. Zwischen den beiden Teilen lag u.a. der erwähnte Tränenpalast, der zur Ausreise aus der DDR diente.

Fahrkarten konnte man in beiden Teilen kaufen: im Westteil gegen Westgeld und im Ostteil gegen Ostgeld. Die im Westteil gegen Westgeld verkauften NV-Fahrkarten waren allerdings keine "normalen" West-BVG-Fahrkarten, sondern wurden von der Ost-BVG ausgegeben und nur in der West-S-Bahn und in der West-U-Bahn anerkannt, nicht aber in den West-Bussen. (Dies war nur für Bürger der Bundesrepublik relevant, DDR-Bürger hatten in West-Berlin Freifahrt.) Umgekehrt wurden die gegen Ostgeld verkauften Fahrkarten natürlich nur von der Ost-BVG anerkannt.

Eisenbahnfahrkarten wiederum waren zwar grundsätzlich überall gültig, allerdings gab es einige Zeit lang die Bestimmung, dass nur DDR-Bürger Fahrkarten ins nichtsozialistische Ausland gegen Ostgeld kaufen durften.

Im Westteil verkaufte die DDR nicht nur Fahrkarten, sondern auch Zigaretten und Alkoholika gegen Westgeld, um einiges billiger als im Westen, da sie keine Steuern oder Zoll zahlen musste - eine schöne Deviseneinnahmequelle für die DDR. Die Einfuhr nach West-Berlin war allerdings verboten und es gab stichprobenartige Zollkontrollen in den Zügen in West-Berlin.

U-Bahn
Die U-Bahn fuhr auch noch nach der Spaltung der BVG in die BVG-West und die BVG-Ost 1949 unverändert weiter; die Mehrheit der Linien wurden zu BVG-West-Linien, die mit Westzügen und Westpersonal auch im Ostsektor fuhren. Dazu gab es noch eine BVG-Ost-Linie und eine gemeinsam betriebene Linie. Aufgeteilt wurde auch das Streckennetz (ungefähr nach Sektorengrenzen) und die Stromversorgung (recht unabhängig von den Sektorengrenzen, abhängig von den bestehenden Stromleitungen).

Der Fahrgast merkte davon nichts; er konnte mit Westfahrscheinen, die er um Westgeld gekauft hatte, auch im Ostsektor fahren; umgekehrt konnte man mit Ostfahrscheinen in den Westsektoren fahren. Der Betrag der Tarife war zu Beginn gleich (allerdings bei Kauf in den Westsektoren in Westgeld und bei Kauf in den Ostsektoren in Ostgeld zu zahlen).

Nach dem Mauerbau wurde zunächst der Betrieb beidseitig unterbrochen, d.h. es wurde jeweils zur letzten Wendemöglichkeit im jeweiligen Sektor gefahren. Im Westen war man darauf vorbereitet: als beim Aufstand 1953 die DDR bzw. die Sowjetarmee alle U-Bahn-Linien an der Sektorengrenze unterbrach,  konnte die BVG-West manche Stationen gar nicht mehr bedienen, weil Wendeanlagen fehlten. Daher baute man aus Sicherheitsgründen an jedem Grenzbahnhof eine Wendeanlage, die nun genutzt wurden.

Einen Tag später begann dann der Transitbetrieb: zwei Linien, die im Westen begannen und endeten, aber durch den Osten fuhren, hielten bis auf den Bahnhof Friedrichstraße nicht mehr im Osten. Die Netze waren jetzt endgültig getrennt; es gab das Westnetz mit Transitstrecken durch den Osten, das Ostnetz und keine Gleisverbindungen zwischen den Netzen.

Dabei gab es einen Streit zwischen BVG-West und der DDR. Die BVG-West erkannte nämlich die DDR und die Schließung der U-Bahnhöfe nicht an und wollte weiter auf den "Geisterbahnhöfen" halten (gegebenenfalls auch nur symbolisch). Die DDR verlangte umgekehrt ein Durchfahren ohne Geschwindigkeitsreduktion; schließlich wurde vereinbart, dass die Züge mit 15 km/h, später mit 25 km/h durch die Bahnhöfe fahren.

Die Geisterbahnhöfe waren in den Westplänen zunächst weiter verzeichnet (man erkannte die Schließung ja nicht an), in der DDR waren sie nicht existent (man mauerte z.B. die Eingänge zu). So kam es zu der Kuriosität, dass der Bahnhof "Walter-Ulbricht-Stadion" 1973 in "Stadion der Weltjugend" unbenannt wurde - und man diese Änderung ausschließlich in westlichen Plänen sah.

Übrigens gab es außer den Kontaktplatten noch eine weitere, sehr perfide Art der Sicherung: drei übereinander angeordnete Lichtschranken. Ein Zug löste stets alle drei Lichtschranken zur selben Zeit aus, ein Mensch hätte allerdings entweder nicht alle oder alle, aber zu unterschiedlichen Zeiten ausgelöst. Trotzdem gelang mindestens einem Techniker gemeinsam mit seiner Familie die Flucht (er nutzte einen Betriebstunnel, in dem keine Lichtschranken waren, und legte das letzte Stück in den Westen in einem Zug zurück, den er zuvor durch Signalmanipulation angehalten hatte).

Der Transitbetrieb blieb im Wesentlichen ohne Änderungen bis zum Mauerfall bestehen.

S-Bahn
Bei der S-Bahn stellte sich die Situation etwas anders dar: hier hatte nämlich kurz nach Kriegsende die "Deutsche Reichsbahn" die Betriebsrechte für (Gesamt-)Berlin erhalten. Das ist auch der Grund, warum die DDR-Staatsbahn den Namen "Deutsche Reichsbahn" übernahm, obwohl man ansonsten alle "Reichs"-Bezeichnungen entfernte.

Das heißt, dass die S-Bahn im gesamten Berlin unter DDR-Regie fuhr und ein gemeinsames Netz betrieben wurde. Zu zahlen war für Weststreckenabschnitte in Westgeld, für Oststreckenabschnitte in Ostgeld.

Mit dem Mauerbau kam es auch hier zur Streckenunterbrechung und zur Einrichtung von Transitstrecken mit dazugehörigen Geisterbahnhöfen, durch die die S-Bahn im Gegensatz zur U-Bahn mit unverminderter Geschwindigkeit fuhr. West- und Ostnetz waren zwar linienmäßig getrennt, allerdings gab es im Bahnhof Friedrichstraße noch eine Gleisverbindung.

Nach dem Mauerbau begann der S-Bahn-Boykott in West-Berlin (mehr dazu im von 13er eingebetteten Video). Nicht in der Doku (da 1982 entstanden) erwähnt ist, dass 1984 die Betriebsrechte der West-Berliner S-Bahn an die BVG-West übergingen. Allerdings wurde zum Teil weiter mit DR-Personal gefahren. Nach dem Mauerbau blieb bis Ende 1993 der gemeinsame Betrieb der Berliner S-Bahn von BVG und DR erhalten (jetzt natürlich mit grenzüberschreitenden Linien), danach ging das gesamte Netz an die DB.

Fernzüge (Transitzüge)
Auch die Fernzüge wurden in West-Berlin von der DR betrieben. Durch West-Berlin fuhren ausschließlich Transitzüge, also Züge, die die Relation Bundesrepublik - West-Berlin befuhren. Diese (D-)Züge hielten in der Bundesrepublik "normal", also nur an wichtigen Bahnhöfen, dann am letzten Bahnhof im Westen, am ersten Bahnhof im Osten, (ggf. an Bahnhöfen im Osten zum Lokwechsel), am letzten Bahnhof vor West-Berlin, in West-Berlin am Bahnhof Zoo (später auch in Spandau und Wannsee) und endeten im Westteil des Bahnhofs Friedrichstraße. Teilweise fuhren die Züge danach als normale Züge weiter zum Ostbahnhof und ins Ausland (es gab z.B. einen Zug Paris - Moskau, der über Berlin fuhr und gleichzeitig Transitzug Bundesrepublik - West-Berlin war).

Grundsätzlich galt, dass man bei solchen Zügen im Osten nicht ein- oder aussteigen durfte. Allerdings gab es immer wieder (auch kurzlebige) Ausnahmen, z.B. durften bei manchen Grenzübergängen manchmal Bürger der Bundesrepublik auf Besuchsreise am ersten Bahnhof im Osten aussteigen, oder DDR-Bürger, denen die Ausreise genehmigt wurde, am letzten Bahnhof im Osten einsteigen. Die DDR-Transportpolizisten fuhren nur zwischen dem ersten und dem letzten Bahnhof im Osten mit.

Es gab zwei Phasen bei den Transitzügen:
- Zwischen 1961 und 1972 (Inkrafttreten des Transitabkommens) wurden die Fahrgäste und ihr Gepäck sowohl bei der Ein- als auch bei der Ausreise genauestens gefilzt; es wurde alles beschlagnahmt, was in der DDR verboten war (wie etwa westliche Zeitungen) und DDR-Flüchtlinge wurden verhaftet. Zusätzlich musste eine Gebühr für den Transit bezahlt werden.
- Ab 1972 wurde nur eine Passkontrolle im fahrenden Zug vorgenommen, es gab beim Gepäck keine Beschränkungen. Auch Verhaftungen durften nur in Ausnahmefällen (z.B. bei Fluchthelfern oder Deserteuren) vorgenommen werden; die Transitgebühr wurde durch eine Pauschalzahlung der Bundesrepublik abgegolten.

Trotz des Namens konnte man die Transitzüge auch zur Ein- oder Ausreise in bzw. aus der DDR nutzen, indem man am Bahnhof Friedrichstraße die Grenzkontrollen durchlief.

Auch wenn dieses Posting etwas länger geraten ist, vielleicht interessiert ja den einen oder anderen dieser kleine Einblick in den öffentlichen Verkehr des geteilten Berlins.

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