Autor Thema: U-Bahn, historisch  (Gelesen 89234 mal)

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #165 am: 02. Januar 2022, 17:15:05 »
Also in Rom ist das seit den 1970ern Standard. In Teheran (7 Linien, ab 1999 gebaut) ebenso. Andere neue Netze kenne ich nicht so gut, bilde mir aber ein das auch in Barcelona gesehen zu haben. Paris ist freilich ein historisches Netz und entsteht auch eher in den Dimensionen eines unterirdischen Straßenbahnersatzes.

Ich habe irgendwo ein Lehrbuch für den Bau von Verkehrsanlagen, transpress-Verlag  aus DDR-Zeiten, wo getrennte Zu- und Ausgänge für U-Bahnen als unerlässlich angesehen wurden (wobei der Bau neuer U-Bahnen in der DDR wohl bescheiden gewesen sein dürfte).

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #166 am: 02. Januar 2022, 17:29:59 »
Ich habe irgendwo ein Lehrbuch für den Bau von Verkehrsanlagen, transpress-Verlag  aus DDR-Zeiten, wo getrennte Zu- und Ausgänge für U-Bahnen als unerlässlich angesehen wurden (wobei der Bau neuer U-Bahnen in der DDR wohl bescheiden gewesen sein dürfte).

Glücklicherweise sind wir nicht in der DDR, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass so mancher Politiker auch heute noch den real existierenden Sozialismus lebt (zumindest was das Bonzendasein, die eigene Unfehlbarkeit, Realitätsfremde und Abgehobenheit angeht).

Man kann getrost davon ausgehen, dass die Ratschläge aus dem DDR-Handbuch mittlerweile längst verkehrswissenschaftlich überholt sind, sofern sie das nicht damals ohnehin schon waren.
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fr3

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #167 am: 02. Januar 2022, 18:28:53 »
Man kann getrost davon ausgehen, dass die Ratschläge aus dem DDR-Handbuch mittlerweile längst verkehrswissenschaftlich überholt sind, sofern sie das nicht damals ohnehin schon waren.
Also das Buch war fachlich gut, weil man damit Stiegenbreiten, Stufenhöhen, Dimensionierung von Gängen, Rolltreppen, Aufzügen etc berechnen konnte, für Anforderungen, die es eben nur bei Verkehrsknoten gibt.

Im wesentlichen stützte sich der Inhalt auf Jahrzehnte Erfahrung mit den Berliner Verkehrsanlagen. Nachdem sich die Bewegung von Menschenmassen im Prinzip immer nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten abspielt, ist das Wissen dazu auch heute nicht überholt. Mit der Ideologie des realen Sozialismus hat das wenig zu tun.

Dabei hätte man in Wien mit Otto Wagner auch eine illustre Schule. Dieser wurde zwar stilistisch anerkannt. Dass manche seiner technischen Lösungen aber durchaus auch heute Gültigkeit hätte, wurde bei der Rezeption seines Erbes hingegen übersehen. Bestes Beispiel dazu die bequemen Treppen der alten Stadtbahnstationen, welche man in den neuen U-Bahnstationen vergeblich sucht.

abc

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #168 am: 02. Januar 2022, 18:33:45 »
Ich habe irgendwo ein Lehrbuch für den Bau von Verkehrsanlagen, transpress-Verlag  aus DDR-Zeiten, wo getrennte Zu- und Ausgänge für U-Bahnen als unerlässlich angesehen wurden (wobei der Bau neuer U-Bahnen in der DDR wohl bescheiden gewesen sein dürfte).

Glücklicherweise sind wir nicht in der DDR, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass so mancher Politiker auch heute noch den real existierenden Sozialismus lebt (zumindest was das Bonzendasein, die eigene Unfehlbarkeit, Realitätsfremde und Abgehobenheit angeht).

Man kann getrost davon ausgehen, dass die Ratschläge aus dem DDR-Handbuch mittlerweile längst verkehrswissenschaftlich überholt sind, sofern sie das nicht damals ohnehin schon waren.

Wobei man sich bei der Erschließung von Neubaugebieten mit öffentlichen Verkehrsmittel ruhig etwas von der DDR abschauen könnte. Abgesehen von der Seestadt glänzt Wien da nicht wirklich. Und wenn man sich die einzige zu DDR-Zeiten gebaute U-Bahn-Strecke (in Berlin Friedrichsfelde - Tierpark 1973, weiter zum Elsterwerdaer Platz 1988 und nach Hönow 1989) ansieht, ist die Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern auch sehr vorbildlich: an den Stationen Tierpark, Hellersdorf und Louis-Lewin-Straße wurden direkte Zugänge zu allen Straßenbahn- und Bushaltestellen geschaffen, so dass man beim Umsteigen keine einzige Straße queren muss (in Hellersdorf mit einer Ausnahme, wo es aber kaum Umsteigeverkehr gibt, weil die hiesige Buslinie mehrere Stationen parallel zur U-Bahn geführt wird). Ja, natürlich stecken noch Reste der autogerechten Stadt hinter dieser Planung, aber den Fahrgästen werden hier auch keine zusätzlichen Treppen zugemutet, nur um den Autoverkehr nicht zu stören, im Grunde haben also beide Seiten etwas davon. In Wuhletal halten S- und U-Bahn am gleichen Bahnsteig.

Das ist etwas, was mich in Wien wirklich stört: dass bei der Wegeplanung oft nicht aus Nutzendenperspektive gedacht wird und deshalb auch Opportunitäten ignoriert werden. Wieso hat man beim Bau der Mitte-Mall nicht einen direkten Zugang vom Zwischengeschoss U3/U4 zur Invalidenstraße (neben dem Aufzug) berücksichtigt? Das würde den Weg zwischen der U3 und dem O-Wagen und zu Zielen in der Invalidenstraße deutlich verkürzen. Die Chance ist nun auf Jahrzehnte hinaus vergeben.

Ähnliches übrigens am Karlsplatz (hat der Architekt in seiner Freizeit zufällig "Das verrückte Labyrinth" erfunden?). Da gibt es einen Aufzug vom McDonald`s zum U2-Abfahrtsbahnsteig, aber keine parallele Stiege. Wer aus Richtung Operngasse kommt, nimmt entweder den Aufzug oder geht mehrere Minuten treppauf-treppab und mehrmals im Kreis (zumindest fühlt es sich so an). Und was soll eigentlich die Glaswand am Zugang vom U4-Bahnsteig zur Passage, die den direkten Weg von der U4 zum Ausgang Wiedner Hauptstraße versperrt?

Oder in Floridsdorf: warum gibt es keinen direkten Zugang vom U6-Bahnsteig zur Schloßhofer Straße? Die Bebauung an der Ecke Schloßhofer Straße/ Rechte Nordbahngasse scheint mir nicht wesentlich älter als die U6 zu sein, sodass der Zugang hätte berücksichtigt werden können. So wären nicht nur die Wege zwischen U6 und (heute) 25er/26er kürzer gewesen, die Fahrgastströme wären auch entzerrter.

Man kann getrost davon ausgehen, dass die Ratschläge aus dem DDR-Handbuch mittlerweile längst verkehrswissenschaftlich überholt sind, sofern sie das nicht damals ohnehin schon waren.
Also das Buch war fachlich gut, weil man damit Stiegenbreiten, Stufenhöhen, Dimensionierung von Gängen, Rolltreppen, Aufzügen etc berechnen konnte, für Anforderungen, die es eben nur bei Verkehrsknoten gibt.

Im wesentlichen stützte sich der Inhalt auf Jahrzehnte Erfahrung mit den Berliner Verkehrsanlagen. Nachdem sich die Bewegung von Menschenmassen im Prinzip immer nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten abspielt, ist das Wissen dazu auch heute nicht überholt. Mit der Ideologie des realen Sozialismus hat das wenig zu tun.

Die nach der Wende in die TU Dresden eingegliederte Hochschule für Verkehrswesen hat ja bis heute einen guten Ruf. Gerade bei im weitesten Sinne städtebaulichen und architektonischen Fragen würde ich die ideologischen Unterschiede zwischen Ost und West auch nicht überschätzen. Abgesehen von einer Phase in den frühen 50er Jahren verliefen die großen städtebaulichen Trends durchaus in Ost und West parallel, wenn auch natürlich im Detail in unterschiedlicher Ausprägung und gelegentlich zeitversetzt.

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #169 am: 02. Januar 2022, 18:39:12 »
Hm - in Berlin habe ich eigentlich auch nur ganz klassische Stationstypen, eher klein dimensioniert gesehen. Ist nicht der eigentliche Flaschenhals der Einstieg in den Zug? Wenn dann der Bahnsteig einigermaßen breit genug ist, sollten die weiteren Wege eigentlich keine Probleme darstellen? In Rom oder Teheran war ich allerdings nicht.

Zum Wiener Karlsplatz: Die U2-Lifte wurden erst nachträglich eingebaut, die Suche nach einem passenden Platz war schwierig. Die Glaswand zur Wiedner Hauptstraße wurde allerdings von Anfang an kritisiert.
Harald A. Jahn, www.tramway.at

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #170 am: 02. Januar 2022, 18:49:26 »
Es geht darum, die Bahnsteige möglichst schnell zu räumen und die Massen nur in eine Richtung zu bewegen. Gerade bei Kreuzungsstationen kommt es ja zu 50 und sogar mehr Prozent Fahrgastwechsel. Bei vier Türen pro Wagen kein Problem, aber am Bahnsteig schon.

Breite Bahnsteige in der Tiefe sind teuer, offenbar teurer als ein zusätzlicher Zu- bzw Abgang.

Mittelbahnsteige funktionieren so lange gut, so lange nicht in beiden Richtungen gleichzeitig ein Zug hält. Und wenn man keine Säulen oder Pfeiler am Bahnsteig will, muss man erst recht eine große Halle über den Bahnsteig bauen (zB Schottentor).

Ganz schlecht gebaut ist das Zwischengeschoss zwischen U1 und U2 bzw Durchgang zur U4 unter dem Wienfluß: da stehen die Säulen praktisch vor den Rolltreppen.

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #171 am: 02. Januar 2022, 18:50:40 »
Ich habe irgendwo ein Lehrbuch für den Bau von Verkehrsanlagen, transpress-Verlag  aus DDR-Zeiten, wo getrennte Zu- und Ausgänge für U-Bahnen als unerlässlich angesehen wurden (wobei der Bau neuer U-Bahnen in der DDR wohl bescheiden gewesen sein dürfte).

Glücklicherweise sind wir nicht in der DDR, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass so mancher Politiker auch heute noch den real existierenden Sozialismus lebt (zumindest was das Bonzendasein, die eigene Unfehlbarkeit, Realitätsfremde und Abgehobenheit angeht).

Man kann getrost davon ausgehen, dass die Ratschläge aus dem DDR-Handbuch mittlerweile längst verkehrswissenschaftlich überholt sind, sofern sie das nicht damals ohnehin schon waren.

Da das angesprochene Buch "Bahnanlagen des Nahverkehrs" von der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden herausgegeben wurde, das Thema fundiert wissenschaftlich abarbeitet sowie Quellen von Brasilien über die seinerzeitige BRD, Westeuropa allgemein, eben der DDR und anderer Ostblockstaaten bis nach Wien nennt, kann man getrost davon ausgehen, daß die in diesem Buch dargestellten Sachverhalte wohl größtenteils nach wie vor Bestand haben.  ;)  :lamp:

Was die Trennung von Zu- Und Abgängen angeht, gibt das Buch meiner Meinung nach keine Empfehlung ab, jedoch wird auch ausführlich die Lösung der "spanischen Bahnsteige" - nach den Metros Madrid und Barcelona benannt - und deren Anwendung in München beschrieben.

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #172 am: 02. Januar 2022, 18:51:36 »
Das ist etwas, was mich in Wien wirklich stört: dass bei der Wegeplanung oft nicht aus Nutzendenperspektive gedacht wird und deshalb auch Opportunitäten ignoriert werden. Wieso hat man beim Bau der Mitte-Mall nicht einen direkten Zugang vom Zwischengeschoss U3/U4 zur Invalidenstraße (neben dem Aufzug) berücksichtigt? Das würde den Weg zwischen der U3 und dem O-Wagen und zu Zielen in der Invalidenstraße deutlich verkürzen. Die Chance ist nun auf Jahrzehnte hinaus vergeben.
Weil es dort auf Grund von anderen Einbauten kein Platz für einen Fußgängertunnel gibt.

[author=abc link=topic=2935.msg404547#msg404547 date=1641144825]
Ähnliches übrigens am Karlsplatz (hat der Architekt in seiner Freizeit zufällig "Das verrückte Labyrinth" erfunden?). Da gibt es einen Aufzug vom McDonald`s zum U2-Abfahrtsbahnsteig, aber keine parallele Stiege. Wer aus Richtung Operngasse kommt, nimmt entweder den Aufzug oder geht mehrere Minuten treppauf-treppab und mehrmals im Kreis (zumindest fühlt es sich so an). Und was soll eigentlich die Glaswand am Zugang vom U4-Bahnsteig zur Passage, die den direkten Weg von der U4 zum Ausgang Wiedner Hauptstraße versperrt?
[/quote]
Das liegt daran, dass der Aufzug erst im Nachhinein installiert wurde und man offensichtlich keinen anderen Platz gefunden hat. Man braucht ja nur schauen, wo sich nachträglich eingebaute Aufzüge befinden. Da gibt es noch etliche, die für den Fahrgast nicht sinnvoll sind, aber wo es keinen anderen Platz gegeben hat.

Oder in Floridsdorf: warum gibt es keinen direkten Zugang vom U6-Bahnsteig zur Schloßhofer Straße? Die Bebauung an der Ecke Schloßhofer Straße/ Rechte Nordbahngasse scheint mir nicht wesentlich älter als die U6 zu sein, sodass der Zugang hätte berücksichtigt werden können. So wären nicht nur die Wege zwischen U6 und (heute) 25er/26er kürzer gewesen, die Fahrgastströme wären auch entzerrter.

Auch hier stellt sich mir die Frage, ob dort ein entsprechend dimensionierte Ausgang wirklich Platz hat. Und von den Fahrgastströmen ist es sogar besser, wenn die Fahrgäste zwischen den einzelnen Verkehrsmittel etwas gehen müssen. Damit entzerren sich nämlich auch die Verkehrströme. So teilen sich Fahrgäste von Einer U-Bahn automatisch schon auf 2 Straßenbahnen auf. Noch dazu würdest du die Fahrgäste dahin erziehen, dass die meisten bei der U-Bahn in den ersten Wagen Richtung Floridsdorf einsteigen. Man braucht ja nur andere Stationen beobachten, wo man die Zugänge kopfseitig hat.

Ich nehme mich da nicht aus, dass ich nach Möglichkeit bei der U-Bahn so einsteige, dass ich beim Aussteigen einen relativ kurzen Weg zum Ausgang habe.
Bitte meine Kommentare nicht immer als Ausrede für die WL ansehen

Klingelfee

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #173 am: 02. Januar 2022, 18:53:01 »
Hm - in Berlin habe ich eigentlich auch nur ganz klassische Stationstypen, eher klein dimensioniert gesehen. Ist nicht der eigentliche Flaschenhals der Einstieg in den Zug? Wenn dann der Bahnsteig einigermaßen breit genug ist, sollten die weiteren Wege eigentlich keine Probleme darstellen? In Rom oder Teheran war ich allerdings nicht.


Da hast du das Problem erkannt. Denn bedingt durch den Herdentrieb versuchen viele Fahrgäste nur bei einer Türe zuzusteigen. Überhaupt dann, wenn die anderen Türen nicht geöffnet sind.
Bitte meine Kommentare nicht immer als Ausrede für die WL ansehen

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #174 am: 02. Januar 2022, 19:07:51 »
Da das angesprochene Buch "Bahnanlagen des Nahverkehrs" von der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden herausgegeben wurde, das Thema fundiert wissenschaftlich abarbeitet sowie Quellen von Brasilien über die seinerzeitige BRD, Westeuropa allgemein, eben der DDR und anderer Ostblockstaaten bis nach Wien nennt, kann man getrost davon ausgehen, daß die in diesem Buch dargestellten Sachverhalte wohl größtenteils nach wie vor Bestand haben.  ;)  :lamp:

Ich glaube nicht, dass sich die aktuelle U-Bahn-Planung nach wie vor am Stand der frühen 1980er-Jahre bewegt (das Buch wurde 1982 herausgegeben).

Hm - in Berlin habe ich eigentlich auch nur ganz klassische Stationstypen, eher klein dimensioniert gesehen. Ist nicht der eigentliche Flaschenhals der Einstieg in den Zug? Wenn dann der Bahnsteig einigermaßen breit genug ist, sollten die weiteren Wege eigentlich keine Probleme darstellen? In Rom oder Teheran war ich allerdings nicht.

In normalen Situationen ist sicher der Einstieg der Flaschenhals. Die Leute kommen ja kontinuierlich und müssen dann in kurzer Zeit in den Zug. Anders ist es in Extremsituationen, zum Beispiel beim Stadionverkehr. Dort steht der Zug relativ lang in der Station und der Flaschenhals sind die Zugänge, weil sich die Masse nur langsam fortbewegt.

Das Entflechten von Zu- und Abgangsströmen ist meiner Ansicht nach kein Problem, wenn genügend Platz vorhanden ist – das regelt sich dann mehr oder weniger von selber. In engeren Stationen und bei hohem Verkehrsaufkommen stehen sich die Leute gegenseitig im Weg herum (U6 Westbahnhof, U3 Landstraße, "blies jus oll endränzis").
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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #175 am: 02. Januar 2022, 19:12:28 »
Hm - in Berlin habe ich eigentlich auch nur ganz klassische Stationstypen, eher klein dimensioniert gesehen.

Kommt drauf an, welche Du im Sinne hast: die vor dem ersten Weltkrieg gebauten Stationen (sowie einige der heutigen U6 und U7) befinden sich in einfacher Tieflage, so dass die Ausgänge z.T. nur auf den Mittelstreifen führen. Der erste Abschnitt der heutigen U5 (Alexanderplatz - Friedrichsfelde, eröffnet 1930) war in mehrfacher Hinsicht ein Meilenstein: einmal durch den Neubau des U-Bahnhofs Alexanderplatz, der für die zahlreichen Aufgaben, die er hat (vier U-Bahnlinien [bis heute gibt es nur drei davon], Übergang zur S-Bahn, zur Straßenbahn und Erschließung des Berliner Stadtzentrums) relativ übersichtlich gestaltet ist, bei sehr kurzen Umsteigewegen zwischen U2/U5 und U5/U8 und einer Trennung der verschiedenen Umsteigendenströme.

Aber auch, weil es für fast alle anderen Stationen gab es einen Standardentwurf, mit relativ hohen Bahnsteighallen, Zugängen auf beiden Seiten des Bahnsteigs, die sich auf einer Zwischenebene nochmal teilten, um auf beiden Straßenseiten Zugänge anzubieten, und mit einer Kennfarbe für jede Station. Das Prinzip wurde nicht nur bei den Erweiterungen aus DDR-Zeiten fortgeführt, sondern auf den ältesten Stationen bei der Sanierung 2004/05 wieder hergestellt. Nur bei der jüngsten Verlängerung zum Hauptbahnhof wurde es leider aufgegeben. Für Stammfahrgäste ist das Prinzip extrem praktisch: wenn man nachts müde nach Hause fährt, braucht man die Augen nur leicht öffnen, um die  Stationsfarbe wahrzunehmen, und weiß sofort: "Hellgrün = Madgalenenstraße".

Tut mir Leid, dass ich off-topic schreiben, aber zur Berliner U-Bahn-Architektur könnte man wahrscheinlich ganze Bücher füllen. Und ich finde es jedesmal spannend, wie man bei einer simplen U-Bahn-Fahrt in Berlin fast alle Architekturstile des 20. Jahrhunderts erleben kann (außer Jugendstil). Zurück nach Wien:

Ist nicht der eigentliche Flaschenhals der Einstieg in den Zug?

Und hier kann man m.E. dazu beitragen, dass es sich weniger staut, indem man an den wichtigsten Stationen einer Linie die wichtigsten Zugänge immer an anderen Stellen plant, um für eine gleichmäßigere Verteilung der Fahrgäste in den Zügen zu sorgen.

Das hat man m.E. bei der U3, immerhin jüngste Wiener Linie, ganz gut hinbekommen: am Stephansplatz liegt der Zugang in der Mitte, am Westbahnhof zwischen Mitte und Bahnsteigende Richtung Simmering (und auch noch auf zwei Stiegen aufgeteilt), in Landstraße am Bahnsteigende Richtung Ottakring und bei vielen weniger bedeutenden Stationen dazwischen jeweils an den Bahnsteigenden.

Zum Wiener Karlsplatz: Die U2-Lifte wurden erst nachträglich eingebaut, die Suche nach einem passenden Platz war schwierig. Die Glaswand zur Wiedner Hauptstraße wurde allerdings von Anfang an kritisiert.

Danke für die Info! Wurde da ja ein Grund genannt, welchen Sinn diese Glaswand haben soll?

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #176 am: 02. Januar 2022, 19:23:52 »
Das ist etwas, was mich in Wien wirklich stört: dass bei der Wegeplanung oft nicht aus Nutzendenperspektive gedacht wird und deshalb auch Opportunitäten ignoriert werden. Wieso hat man beim Bau der Mitte-Mall nicht einen direkten Zugang vom Zwischengeschoss U3/U4 zur Invalidenstraße (neben dem Aufzug) berücksichtigt? Das würde den Weg zwischen der U3 und dem O-Wagen und zu Zielen in der Invalidenstraße deutlich verkürzen. Die Chance ist nun auf Jahrzehnte hinaus vergeben.
Weil es dort auf Grund von anderen Einbauten kein Platz für einen Fußgängertunnel gibt.

Wieso Fußgängertunnel? Es geht um eine simple Stiege, wahrscheinlich mit 180°-Drehung auf halber Höhe, direkt neben dem Aufzug.

[author=abc link=topic=2935.msg404547#msg404547 date=1641144825]
Ähnliches übrigens am Karlsplatz (hat der Architekt in seiner Freizeit zufällig "Das verrückte Labyrinth" erfunden?). Da gibt es einen Aufzug vom McDonald`s zum U2-Abfahrtsbahnsteig, aber keine parallele Stiege. Wer aus Richtung Operngasse kommt, nimmt entweder den Aufzug oder geht mehrere Minuten treppauf-treppab und mehrmals im Kreis (zumindest fühlt es sich so an). Und was soll eigentlich die Glaswand am Zugang vom U4-Bahnsteig zur Passage, die den direkten Weg von der U4 zum Ausgang Wiedner Hauptstraße versperrt?
Das liegt daran, dass der Aufzug erst im Nachhinein installiert wurde und man offensichtlich keinen anderen Platz gefunden hat. Man braucht ja nur schauen, wo sich nachträglich eingebaute Aufzüge befinden. Da gibt es noch etliche, die für den Fahrgast nicht sinnvoll sind, aber wo es keinen anderen Platz gegeben hat.[/quote]

Ganz im Gegenteil, der Aufzug ist dort extrem sinnvoll, weil er den Zugang zur U2 aus Richtung Operngasse stark verkürzt. Die Frage ist, ob es der Zielgruppe von Aufzügen hilft, wenn viele andere Fahrgäste sie auch benützen, weil die Alternative zur kurzen Aufzugfahrt ein mehrminütiger Fußweg mit der Kirche ums Kreuz ist.

Oder in Floridsdorf: warum gibt es keinen direkten Zugang vom U6-Bahnsteig zur Schloßhofer Straße? Die Bebauung an der Ecke Schloßhofer Straße/ Rechte Nordbahngasse scheint mir nicht wesentlich älter als die U6 zu sein, sodass der Zugang hätte berücksichtigt werden können. So wären nicht nur die Wege zwischen U6 und (heute) 25er/26er kürzer gewesen, die Fahrgastströme wären auch entzerrter.

Auch hier stellt sich mir die Frage, ob dort ein entsprechend dimensionierte Ausgang wirklich Platz hat. Und von den Fahrgastströmen ist es sogar besser, wenn die Fahrgäste zwischen den einzelnen Verkehrsmittel etwas gehen müssen. Damit entzerren sich nämlich auch die Verkehrströme. So teilen sich Fahrgäste von Einer U-Bahn automatisch schon auf 2 Straßenbahnen auf. Noch dazu würdest du die Fahrgäste dahin erziehen, dass die meisten bei der U-Bahn in den ersten Wagen Richtung Floridsdorf einsteigen. Man braucht ja nur andere Stationen beobachten, wo man die Zugänge kopfseitig hat.

In den Hauptverkehrszeiten entzerrt das überhaupt nichts, denn bis die nächste Straßenbahn kommt, sind auch schon die ersten Fahrgäste der nächsten ankommenden U-Bahn(en) an der Bim-Haltestelle. Überhaupt hat das Entzerren halt nur Sinn, wenn die Straßenbahn wesentlich häufiger fährt als die U-Bahn, was ja in Floridsdorf nicht der Fall ist.

Und in den Schwachverkehrszeiten bedeutet das Verpassen der Straßenbahn eine Fahrzeitverlängerung von 10-15 min. Da können kurze Wege sogar sinnvoller für die Planung von Anschlüssen sein, weil die Zeitunterschiede nicht so groß sind.

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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #177 am: 02. Januar 2022, 19:27:23 »
(Karlsplatz) Danke für die Info! Wurde da ja ein Grund genannt, welchen Sinn diese Glaswand haben soll?

Als Erklärung wurde gelegentlich genannt, dass sich die Passagierströme da ungünstig beim U4-Stiegenaustritt kreuzen würden. Wenn PAX zB aus oder von der U2 Richtung Wiedner Hauptstraße / TU gehen, kommen sie den U4-PAX in die Quere.
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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #178 am: 02. Januar 2022, 20:12:41 »
Ist nicht der eigentliche Flaschenhals der Einstieg in den Zug?
Selbst bei dem dichten Intervall der U6 sind die Fahrgäste im Allgemeinen auch in der Alser Straße schon weg vom Bahnsteig, wenn die nächste Ubahn einfährt. Und selbst wenn das Ende der "Schlange" noch in der Halle ist, stören sie die Fahrgäste des nächsten Zuges auch nicht.
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Re: U-Bahn, historisch
« Antwort #179 am: 02. Januar 2022, 20:32:09 »


Ich glaube nicht, dass sich die aktuelle U-Bahn-Planung nach wie vor am Stand der frühen 1980er-Jahre bewegt (das Buch wurde 1982 herausgegeben).
Zugegeben, ich habe mir das Buch in meiner Studienzeit - 1980er zugelegt. Aber is wird dazu nicht so viel Literatur geben, vielleicht irgendwelche Texte aus China, wo viel U-Bahn gebaut wird... Grundlagen in der Architektur und Raumgestaltung ändern sich jedoch nur wenig. Die technischen Aufstiegshilfen - Rolltreppe und Lift - sind immer noch die gleichen, Bahnsteigtüren gab es auch damals schon in manchen Städten, und die selbstfahrenden Systeme, bei denen nicht unbedingt ein Aufpasser/Antreiber vor Ort oder im Zug dabei ist, brauchen erst recht eine optimale Steuerung des Fahrgastflusses.

Zitat
Das Entflechten von Zu- und Abgangsströmen ist meiner Ansicht nach kein Problem, wenn genügend Platz vorhanden ist
Genau an diesem Wenn scheitert es. Bei breiteren Seitenbahnsteigen ist man schnell unter der Bebauung oder zu nahe an den Gebäuden - Rohrleitungen und Einbauten brauchen auch noch Platz unter einer Straße.  Und in der Tiefe, wo die Trasse nicht unter Straßenzügen verläuft, ist alles noch viel aufwendiger.
Bei Mittelbahnsteigen müssen die Gleise weit auseinander geführt werden um den Bahnsteig zu verbreitern, was auch nicht überall möglich ist.

Zitat
In engeren Stationen und bei hohem Verkehrsaufkommen stehen sich die Leute gegenseitig im Weg herum (U6 Westbahnhof, U3 Landstraße, "blies jus oll endränzis").
Wenn es eine eindeutige Bewegungsrichtung am Bahnsteig gibt - Aussteiger zum Ausgang, Bahnsteig füllen über den Eingang - stehen die Leute nicht am Bahnsteig sondern sind gezwungen, sich zu verteilen.  Bei der U3 Landstraße beispielsweise drängt sich alles um den stadtseitigen Eingang, weil es dort zu den anderen Linien geht, während an anderen Eingang fast nicht los ist.
Hier währe eine Fortführung des Zwischengeschosses über die halbe Bahnsteiglänge mit getrennten Ab- und Zugängen zweckmäßig gewesen.
Beim Schottentor wurde das ja meines Wissens nachträglich so gelöst, wenn auch ohne Einbahn.
Auch an Westbahnhof wäre das bei der U3 kein unmöglicher Aufwand gewesen. Aber es wurde in Wien offenbar überhaupt nicht angedacht.
In Rom - wo ich die meiste Zeit die U-Bahn benutze, gibt es in den Stationen trotz extremer Nutzung kaum Staus, eben weil die Fahrgastströme getrennt sind. Nur bei den alten Stationen der Linie B (gebaut ab 1938, ohne Fahrgastflüsse) gibt es ähnliche Staus wie in Wien.