Im ehemaligen Ostblock ist die vorherrschende Netzstruktur das
Nachfrageliniennetz. Das bedeutet, dass auf den meisten Strecken mehrere Linien verkehren, die (jede für sich) schwache Intervalle haben. Durch die Linienüberlagerung entsteht ein bedarfsgerechtes Intervall, außerdem erreicht man dadurch viele umsteigefreie Verbindungen. Im "Westen" dominiert hingegen das
Achsenliniennetz. Das bedeutet, dass den meisten Strecken eine Stammlinie zugeordnet ist.
Bei Nachfrageliniennetzen ist klar, dass sich die Liniensignale dem Bedarf entsprechend häufig ändern. Viele von uns verfolgen ja, was im Krakau-Thread berichtet wird – dort kann man das sehr schön nachvollziehen. Viele Krakauer Linien haben zwar einen Stammast, aber das andere Ende ist bisweilen variabel. Daher wird man sich in solchen Netzen auch nicht darauf verlassen, dass die Linie XY eh immer zwischen A und B verkehrt (und daher kann man sich auch dort nicht leisten, derartig schlampig wie bei uns mit der Signalisierung umzugehen, à la
de Leit wissn eh, wo ma hifoahrn).
Bei Achsenliniennetzen hat sich zusätzlich in den letzten beiden Jahrzehnten der Trend entwickelt, die Linien nach ihrer Priorität absteigend zu ordnen – die wichtigen Linien haben die niedrigeren Nummern. Das ist beispielsweise bei den Berliner Metrolinien nachvollziehbar, aber auch beim Salzburger Obus (ja, ich weiß:
www.autobusforum.at). Das kommt daher, dass man analog zur U-Bahn (Primärnetz) innerhalb des Sekundärnetzes ein übergeordnetes Subnetz entwickeln will, wo die Linien öfter, rascher und zuverlässiger verkehren. Dann kann man damit werben, eine Straßenbahn mit U-Bahn-Qualität zu betreiben.
Gut, davon sind wir in Wien meilenweit entfernt. Aber der Ansatz, die wichtigeren Linien (also die Durchgangslinien und die als Ergänzung zur U-Bahn bedeutenden Rundlinien) mit niedrigeren Nummern zu bezeichnen, ist schon brauchbar. Allerdings würde ich das nur gemeinsam mit einem umfassenden Beschleunigungskonzept umsetzen, womit wir uns – Stichwort meilenweite Entfernung – wieder im Kreis drehen.
Auf die Touristen braucht man jedenfalls keine Rücksicht nehmen, die finden sich so oder so meistens nicht zurecht (uns "Schienenverkehrsfachinteressierte" jetzt einmal ausgenommen). Der ÖV ist für die Stadtbewohner da, nicht für eine Handvoll Urlauber.