Wer sich die Fotos auf Facebook angeschaut hat (Link im vorherigen Post, übrigens kein Zugang nötig, um die Fotos zu sehen), hat die bessere Zeit der Tifliser Straßenbahn gesehen. Nun kommen wir zur aktuellen Situation, und die ist tatsächlich deprimierend.
Wie bereits erwähnt, wurde die Straßenbahn endgültig 2006 eingestellt. Gestern war ich im ehemaligen Depot in Avchala. Es steht zwar noch, bietet aber einen echt traurigen Anblick. Alles, was Schrottwert oder sonstigen Nutzen hatte, ist inzwischen geplündert. Der Rest ist noch da, gemeinsam mit einer Menge Müll. Sensible Tramwayfreunde sollten sich die folgenden Bilder vielleicht nicht anschauen
Das Depot Avchala dürfte in den 1970ern gebaut worden sein. Ich habe einen Porzellanisolator gefunden (und gleich eingepackt), der einen Aufdruck "hergestellt in der UdSSR 197?" trägt. Ausgerechnet bei der Einerstelle war er ausgeschlagen. Es ist übrigens eine riesige Anlage und stellt wahrscheinlich alle Remisen, die in Wien so existieren, locker in den Schatten.
Die Zerstörungen der Straßenbahn ist weithin sichtbar. Am ganzen Gelände und in der Umgebung liegen noch die Schwellen herum und stehen die Masten. Alle Gleise und Leitungen wurden jedoch entfernt. Es schaut aus, wie wenn afrikanische Wilderer die Elefanten ermordeten um deren Stoßzähne zu entfernen, die restlichen unbrauchbaren Körper aber einfach verrotten lassen.
Was mit den Straßenbahnen selbst passiert ist, kann ich nicht sagen. Sicher ist jedoch, dass einige verschrottet wurden. Am Vorkopf liegen zahlreiche zersplitterte Fenster mit dazugehörigen Gummidichtungen herum, und zwar schön regelmäßig. Das weist darauf hin, dass die Fenster systematisch gelöst und durch Gravitation zerstört wurden, entweder durch die Schrottarbeiter oder durch Vandalen.
In der Umgebung finden sich auch zahlreiche Karosseriebleche als Gartenzaunelemente wieder.
Deprimierend ist es auch in der Halle. Diese ist immer noch imposant. Aber es ist alles zugemüllt. Es finden sich übrigens dutzende handgeschriebene Bände mit Listen von Fahrern, Einsätzen usw. Es wurde einfach alles geplündert, was benutzbar ist, der Rest wurde zurückgelassen. Ich hätte ja gerne eine Routentafel mitgenommen, aber leider, dafür war ich wohl 4 Jahre zu spät.
Bemerkenswert ist noch, dass der Bahnhof auch über Wohngebäude verfügt. Früher wohnten dort Straßenbahner mit ihren Familien. Wer heute dort wohnt, weiß ich nicht. Entweder immer noch Straßenbahner, die keine neue Wohnung beziehen konnten, oder evtl. auch Flüchtlinge aus Südossetien. Auch einige ehem. Büros und Pausenräume sind derzeit bewohnt, wenn auch illegal. Die Herrschaften haben mir aber nett Auskunft über den Bahnhof gegeben.
Ach ja, obwohl wir uns am Stadtrand einer Hauptstadt befinden, findet man Subsistenz- bzw. Zuerwerbslandwirtschaft. Ein paar verhungerte Hendln und Kühe laufen dort herum. Und in einem ehemaligen Betriebsraum verrotten derzeit ein paar Dutzend Gasmasken. Diese wurden wohl in der Sowjetzeit als Atomkriegprophylaxe eingelagert.
So, nun zu den Fotos...
Bild 9179: die Totale des Depots
Bild 9108: Der Vorkopf nordseitig
Bild 9154: Der Vorkopf südseitig - wo wohl der Basketballkorb herkommt?
Bild 9132: Die ehem. Gleise auf der Hinterseite des Bahnhofes
Bild 9115 und 9125: Das Innere der Halle
Bild 9110: Spuren systematischer Zerstörung der Tramwayfenster
Bild 9123: Zurückgelassene Einsatzlisten warten auf ihre Verrottung. Ein gutes Beispiel für die Hinter-mir-die-Sintflut-Mentalität.
Bild 9147: Karrosseriebleche finden neue Funktion als Gartenzaun
Bild 9153: Das Wohngebäude, sogar mit direktem Zugang zur Abstellhalle.
Bild 9148: Die südliche Ausfahrt ist heute gleislos, dafür mit verrostetem PAZ-672
Bild 9168: ein paar ausgemergelte Rindviecher werden über den ehem. Betriebsbahnhof nach Hause getrieben.
Bild 9159: Weltkriegsvorbereitungen? Ein paar dutzend Gasmasken gammeln in einem Nebengebäude vor sich hin.
Bild 9097: Die Straßenseitige Ansicht des Bahnhofs mit Wohngebäude.
Bild 9102: Um die 15 Bilder auszuschöpfen, noch eine Gartenzaunimpression
Das Depot ist ein gutes Beispiel, was passiert, wenn man moderne Infrastruktur zuerst 30 Jahre nicht pflegt und danach mutwillig zerstört. In der Wirtschaftssprache nennt man sowas Desinvestition. Die ÖBB können das auch gut