Tramwayforum

Straßenbahn Österreich => Gmunden => Thema gestartet von: Tramwaycafe am 03. Juli 2021, 10:33:07

Titel: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 03. Juli 2021, 10:33:07
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

darf ich euch zu einer emotionalen Reise nach Gmunden und um Gmunden herum einladen? Gmunden hat in diesem Forum einen ganzen Bereich – daher habe ich mir herausgenommen, dafür einen eigenen Thread zu widmen.

Worum geht es denn? Diesen Absatz können diejenigen überspringen, die nur an den Fakten und Fotos interessiert sind – für alle anderen ein wenig Hintergrund ;) Die Coronaviruszeit hat mit uns allen etwas gemacht. Den einen fiel und fällt es leichter, den anderen schwieriger. Bedeutender noch: Was die “pain points” jedes und jeder einzelnen waren, ist so unterschiedlich wie die Menschheit divers ist. Ich habe in dieser Zeit erst gemerkt, wie ruhe- und rastlos ich eigentlich bin. Wie essentiell für meine Lebensqualität Bewegungsfreiheit ist, und wie unabdingbar das Ausbrechen aus den allzuengen Mauern des Zuhause. Dieses Zuhause ist nur dann ein erfüllendes, wenn man nach Hause kommen kann und nicht dauerhaft zu Hause sein muss. Und um nach Hause zu kommen, braucht es das von zu Hause weggehen und zurückkehren. Immer und immer wieder. Diese Freiheit ist uns auf eine noch Anfang 2020 unvorstellbare Art genommen worden; eigentlich unverzichtbare Grundrechte wurden anderen auch nicht ganz unwichtigen Grundrechten bedingungslos und radikal untergeordnet. Die Einheit wenigstens Kerneuropas ist innerhalb von Tagen in einen Trümmerhaufen zerbröselt; die Idee von Schengen ist nachhaltig zerstört. Österreich, das zwergerlkleine Österreich vorübergehend zu verlassen, wurde zum regulatorischen Spießrutenlauf. Daher: In Österreich bleiben. Und in Österreich gab es innerhalb der letzten 9 Monate genau zwei Miniausflüge anderswohin. Dazwischen war lange Zeit dunkelste Ausgangssperrennacht. Das hieß es zu akzeptieren, doch der seelische Preis dafür war immens. Die Lichtblicke davor und danach, das waren zwei Tage in Gmunden mit dem allersüßesten Duft von Freiheit, von Hinaus!, von Weite. Daher bedeuteten mir diese beiden Tage sehr viel mehr als nur «ein paar Fotos zu schießen».

Und so möchte ich einen Monat lang Tag für Tag die gesamte Strecke der neuen Traunseetram hier fototechnisch teilen, ein Foto pro Tag und jeweils allerlei Kontext dazu. Heute gab es schon überreichlich Kontext – daher in medias res. Wir werden uns von Vorchdorf nach Gmunden bewegen, wenig hin und her, eher linear – und so starten wir in Vorchdorf(-Eggenberg) bei der dortigen Endstation der Traunseetram mit Umsteigemöglichkeit in die Lokalbahn Richtung Lambach. Am 6. Oktober 2020 begibt sich hier Wagen 121 auf den langen und bunten Weg nach und durch Gmunden.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 04. Juli 2021, 11:46:33
Wenn wir schon in Vorchdorf(-Eggenberg) sind, darf’s ein kleiner Abstecher zur Vorchdorfer Bahn sein, genauer, zur Lokalbahn Lambach–Vorchdorf-Eggenberg? Die stellt auf Normalspur die Verbindung zum Hauptbahnnetz in Lambach her – und bietet in Vorchdorf Anschluss an die Traunseetram. Im Gegensatz zur konsequent ganztags durchgetakteten Traunseetram hat die Vorchdorfer Bahn Taktlücken, vor allem vormittags, wo zwei Stunden lang nix fährt, bevor nachmittags dann der Takt bis auf 30 Minuten verdichtet wird.

Die Vorchdorfer Bahn atmet noch das jahrzehntelang typische Stern&Hafferl-Flair dahin gehend, als der Wagenpark so lange ein Sammelsurium günstig erstandener Gebrauchtfahrzeuge war – so romantisch das auch war, die Ausstattung von Traunseetram und Attergaubahn mit den Vossloh Tramlinks war doch ein Quantensprung an Qualität und Fortschritt. Doch hier kommt uns auf dem ersten Bild der bald 70 Jahre alte (und tadellos unterhaltene) 20.111, ex Extertalbahn, entgegen – einer der Stammgarnituren auf der Vorchdorfer Bahn, wenn nicht die Stammgarnitur schlechthin. Die Aufnahme entstand am 22. Juni 2021 bei der Kreuzung mit der Messenbacherstraße in Vorchdorf.

Die zweite Aufnahme zeigt denselben Wagen ein paar Minuten später im Bahnhofsbereich von Vorchdorf. Es ist etwa 09:10, der Anschluss zur Traunseetram um 09:05 wurde natürlich hergestellt, und nun ist bis knapp vor 10:00 Pause. Der Bahnhof Vorchdorf gehört zu den lässigsten Umsteigeknoten im Bahnverkehr, die ich kenne; alles sehr familiär hier, keine Unter- oder Überführungen; man kennt einander und weiß das zu schätzen, was Stern & Hafferl bietet. Und auch das Wetter spielte mit: Sind Fotowolken sonst nicht so super, so hat sich die Fotowolke bei dieser Aufnahme gerade bequemt, ein Stückerl weiter zu ziehen, sodass der Hintergrund noch im Schatten lag, und der Triebwagen wie im Spotlicht erstrahlte. Glück gehabt an einem großartig schönen Tag :D
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 05. Juli 2021, 10:11:47
Nach dem Abstecher zur Nachbarbahn geht’s jetzt langsam Richtung Gmunden. Nachdem die Garnituren der Traunseetram das Vorfeld des Bahnhofs Vorchdorf(-Eggenberg) mit all seinen Weichen verlassen haben, wird es gleich eingleisig, und dann ist es nicht mehr weit bis zur ersten Haltestelle, Schloss Eggenberg – mit dem Zusatz «Brauerei», die ein paar hundert Meter südlich der Haltestelle liegt ^-^

Am 6. Oktober 2020, als die Aufnahme entstand, war die Haltestelle noch einfacher ausgestattet als heute; mit nur einem Minimalwetterschutz: Inzwischen ist das Standardwartehäuschen der Traunseetram dazugekommen, das auf späteren Aufnahmen noch zu sehen sein wird. Wagen 123 ist auf dem nur mehr kurzen Weg nach Vorchdorf gerade zum Stillstand gekommen und wird gleich zwei Fahrgäste aussteigen lassen – wie alle Haltestellen auf der Gesamtstrecke ist das hier eine Bedarfshaltestelle, wo die Fahrer nach Möglichkeit schon gerne mit hoher Geschwindigkeit durchfahren.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Bus am 05. Juli 2021, 11:06:18
Super! Danke...

Weiß eigentlich jemand, wie es zu der Farbgebung der neuen Garnituren gekommen ist? Ist ja etwas untypisch für S&H.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 06. Juli 2021, 11:50:57
Weiß eigentlich jemand, wie es zu der Farbgebung der neuen Garnituren gekommen ist? Ist ja etwas untypisch für S&H.
Ich bin all die Literatur, die mir zur Verfügung steht, durchgegangen – und zu dem «Warum?» bezüglich der Farbgebung habe ich bis jetzt nix gefunden. Zugleich: Die Farben, viel Rot und viel Weiß, sind ja die Stern&Hafferl-Hausfarben, sodass mir die Lackierung nicht so außergewöhnlich erscheint, auch wenn das Rot etwas gedeckter wirkt als noch zuletzt…

Die Fotoserie bringt uns nun ein paar Meter weiter Richtung Gmunden – mit einem «Postkartenmotiv». Die Landstraße L1306 entlang ergibt sich das eine oder andere Motiv, morgens Blickrichtung Gmunden, ab mittags Blickrichtung Vorchdorf. Hier, nicht weit von der Haltestelle Schloss Eggenberg, gleiten die so eleganten Traunseetramgarnituren typischerweise mit 60 km/h dahin – die große Herausforderung besteht darin, das Flackerdisplay halbwegs vollständig auf den Sensor zu bannen. 1/160s Belichtungszeit geht gerade noch soso-lala; selbst professionelle Fotos auf der Stern&Hafferl-Homepage (https://www.stern-verkehr.at/wp-content/uploads/2016/05/srt12-1920x1080.jpg) leiden an scheinbar zerfuzelter Zielanzeige.

Der 30-Minuten-Takt hier bringt beim Fotografieren einen Rhythmuswechsel zum hektischen Alltag mit sich – vor und nach einer Aufnahme ist viel Zeit zum Spazieren, Möglichkeiten Ausloten, Gegend Bestaunen; aber auch dafür, einfach einmal zu sein und nicht immer nur zu tun. Auf dieser Aufnahme vom 6. Oktober 2020 sehen wir wieder den allerersten Gmundner Tramlink V3 mit der Nummer 121: Im Jänner 2014 bestellt, im Dezember 2015 ausgeliefert, im März 2016 präsentiert, und seit Herbst 2016 im Einsatz.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 07. Juli 2021, 13:07:53
Jetzt gibt es eine größere (Strecken-)Lücke… Von der Gesamtstrecke fehlt mir die Gegend rund um Kirchham fototechnisch noch. Kirchham ist derzeit insofern ein spannendes Pflaster, als Stern&Hafferl das Paradebeispiel eines Unternehmens ist, wo kontinuierliche Verbesserung zur Kultur gehört: Nie ganz zufrieden mit dem Istzustand, immer auf der Suche nach niederschwelligem Weiterkommen. Gar nicht so niederschwellig ist die Baumaßnahme, die derzeit in Kirchham stattfindet: Eine neue Ausweiche wird samt neuer Haltestelle nicht weit von der Traunsteinarena gebaut. Vor allem die Ausweiche braucht es aus einem ganz konkreten Grund: Die Lage der Ausweichen erlaubt derzeit in Gmunden selbst nur einen 10+20-Minuten-Hinketakt; für einen reinen 15-Minuten-Takt muss die Kreuzung auf der Überlandstrecke von Eisengattern nordwärts wegverlegt werden – und genau das passiert derzeit.

Hier sind wir aber schon ein Stück weiter südlich Richtung Gmunden. Die Haltestelle Neuhub ist ein genauso netter wie rarer Platz, das Teleobjektiv für eine einmal etwas größere Brennweite auszupacken. Es ist abermals Wagen 121, der uns hier entgegengleitet; gut sieht man an den Masten im Hintergrund, wie die Strecke von Eisengattern heruntermäandert. In Neuhub ist nicht ganz unübliche Ausstattung zu finden: P&R für Zweiräder, insbesondere Fahrräder, dazu als außergewöhnliches Feature ein «Kiss-and-Ride»-Einzelparkplatzerl. Es ist der Nachmittag des heißen 22. Juni 2021.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 08. Juli 2021, 10:19:24
Bevor es uns weiter nach Gmunden zieht, geht es noch einmal ein kleines Stückerl nordwärts – eine ganz besondere Haltestelle ist «Karl z’Neuhub». Die Familie Kronberger, Eigentümer des Guts mit dem Hausnamen der Haltestelle, war maßgeblich beteiligt, dass dieses Haltestellchen im September 1990 eröffnet werden konnte; für zehn Kinder wurde, so sagt die Literatur, damit der Schulbusverkehr zugunsten direkter Lokalbahnanbindung überflüssig – und natürlich auch für ihre Familien ist damit der Bahnanschluss hergestellt. Die Haltestelle ist wegetechnisch de facto unerschlossen – über die Wiesen kann man in ein, zwei Minuten zu den Höfen des benachbarten Gutes spazieren, rechts vom Fotografen und außerhalb des Bildausschnittes.

«Ausstieg nur über die vorderen Türen möglich!» lautet der Zusatz der Haltestellenansage, und fast meint man sich damit an Karlsruhe erinnert, wo die dortigen Zweisystemzüge ebenfalls ein paar Minimalhaltestellen zu Minimalkosten für ein paar Fahrgäste täglich bedienen. Und doch befindet sich auch hier, bei aller Sparsamkeit, inzwischen das Traunseetram-Standardwartehäuschen.

Kaum etwas ist nutzloser und kundenunfreundlicher als eine Lokalbahn quasi vor der Haustüre, die mangels Haltestelle in der Nähe unzugänglich bleibt – und genauso wie hier, meine ich, gehört das Thema gelöst. Mit den starken, flinken neuen Garnituren reißen die gefühlten 10s Aufenthalt im Falle des Falles kein Loch in den Fahrplan, der auf der Gesamtstrecke offensichtlich auf einer Mischkalkulation Durchfahren/Stehenbleiben beruht – selbst bei der 4%-Neigung der Haltestelle nicht. Wir sehen Wagen 129 auf der einzigen Aufnahme des noch nicht so sonnigen 5. Oktober 2020.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 09. Juli 2021, 11:09:55
Außerhalb Gmundens, also nordöstlich vom Engelhof, gibt es derzeit zwei Ausweichen: Je eine in Gschwandt-Rabesberg und Eisengattern. Das zweite Gleis in Kirchham-Bahnhof ist nur mehr ein Stumpfgleis; die erwähnte Ausweiche in Kirchham-Traunsteinarena (oder wie auch immer der neue Bahnhof heißen wird ;) ) ist noch nicht in Betrieb. Von den beiden verwendbaren Ausweichen ist Eisengattern diejenige, wo die Kurse einander planmäßig kreuzen; in Gschwandt-Rabesberg hingegen gibt es nur zwei Kreuzungen in der Früh-HVZ, wobei einmal ein hier endender Verstärkerkurs von einem regulären Kurs umfahren wird.

Ja, wir sind hier nun am Nachmittag des 22. Juni 2021 in Gschwandt-Rabesberg, wo Wagen 122 nach einem kurzen Fahrgastwechsel gerade wieder Fahrt Richtung Gmunden aufnimmt. Die Ausweichen auf der Überlandstrecke werden alle im Linksverkehr befahren; in Gmunden selbst hängt's davon ab, ob wir uns im Straßenraum befinden oder nicht. Dass die Ausweichen mit Rückfallweichen ausgestattet sind, ist naheliegend – umso mehr bei Stern&Hafferl, wo Effizienz so wichtig ist.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: T1 am 09. Juli 2021, 11:38:42
Kirchham-Sportplatz ;)
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 10. Juli 2021, 16:36:35
Kirchham-Sportplatz ;)
Danke für die Info :D

Die nächste Haltestelle Richtung Gmunden ist dann «Unterm Wald», benannt nach einer expandierenden Siedlung nicht weit der Haltestelle. Die eine Aufnahme stammt vom 6. Oktober 2020, als nach einem strahlend schönen Vormittag die Wolken zunehmen zuzogen – darauf macht sich Wagen 123 gerade bereit, die letzten Kilometer bergab nach Gmunden in Angriff zu nehmen. Die Haltestellenausstattung ist ganz typisch, mit passend hohem Bahnsteig, dem Standardwartehäuschen, das wie üblich mit einem ePaper-Echtzeitfahrplan ausgestattet ist, und mit adäquater Beleuchtung über den gesamten Bahnsteig. Die von hinten zu sehende weiße Tafel am äußersten rechten Bildrand zeigt auf ihrer Vorderseite eine große Umgebungskarte mit allerlei Zusatzinformationen, vom Nahversorger bis zu den nächsten Wirten ;D Als am 15. August 1987 die Haltestelle Unterm Wald eröffnet wurde, war sie noch sehr viel einfacher gestaltet – doch inzwischen herrscht hier durchaus signifikanter Fahrgastverkehr.

Die zweite Aufnahme hingegen entstand am späten Vormittag des heißen, sonnenreichen 22. Juni 2021 – beim Mäandern durch die Dörfer nächst Gmundens hatte ich erst mittags an Sonnenschutz gedacht; der Abend fühlte sich dann «inwendig glühend» an ;) Wir sehen Wagen 127 zur Haltestelle Unterm Wald heraufgleitend: Dieses Szenario über Hügel, vor Bergen und durch Wiesen und Felder ist so paradigmatisch für die Überlandstrecke der Traunseetram.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: nord22 am 10. Juli 2021, 19:22:30
Wie immer ein sehr interessanter Beitrag von dir. Ich war auf dieser Strecke Anfang der 80er Jahre unterwegs, da fuhren vierachsige Rheinbahntriebwagen mit Laternendach. Es ist das Verdienst von Stern&Hafferl, diese Strecke gegen den Willen der Autobuslobby und der ÖVP in Betrieb gehalten zu haben; zur Illustration ein Foto aus Engelhof mit dem ältesten Bahnhofsgebäude Österreichs und einem ÖBB 5081 (Foto: Ludger K, bimmelbahn-forum.de)

nord22 
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: D 3XX am 10. Juli 2021, 21:16:03
Interessant, dass das Gebäude in Engelhof das älteste Bahnhofsgebäude Österreichs ist, wusste ich noch nicht.

Jedenfalls danke an @Tramwaycafe für die Reportage.
Den Abschnitt zwischen Vorchdorf-Eggenberg und Gmunden Engelhof habe ich übrigens letzten Herbst im Rahmen der "Hobbylokführeraktion" von Stern&Hafferl in einem Triebwagen aus den 20ern unter Aufsicht selbst befahren können.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Linie 360 am 11. Juli 2021, 09:22:48
Interessant, dass das Gebäude in Engelhof das älteste Bahnhofsgebäude Österreichs ist, wusste ich noch nicht.

Das Gebäude stammt aus dem Jahre 1836 und wurde schon von der Pferdeeisenbahn genutzt!
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Hawk am 11. Juli 2021, 13:30:43
Danke für das Bild!  :)
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: D 3XX am 11. Juli 2021, 14:48:09
Interessant, dass das Gebäude in Engelhof das älteste Bahnhofsgebäude Österreichs ist, wusste ich noch nicht.

Das Gebäude stammt aus dem Jahre 1836 und wurde schon von der Pferdeeisenbahn genutzt!

Danke für die Information!
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 11. Juli 2021, 17:17:15
Wenn wir schon beim Engelhof sind, dann ziehen wir doch gleich die Engelhof-Fotos der aktuellen Serie vor :D Danke für das historische Foto von dort: Inzwischen ist das Bahnhofsgebäude Engelhof dermaßen heruntergekommen, dass es eine Schande ist. Statt Fenstern nur mehr Verplankungen; zugleich: Alles denkmalgeschützt, wie auch aus einer Diskussion zwischen Fahrer und einem Fahrgast, die sich über den Bahnhof unterhielten, klar hervorkam. Wer weiß, ob sich mit dem anstehenden und schon begonnenen Umbau des Umfeldes – zB Park & Ride-Anlage dort – die Dinge nunmehr etwas positiver gestalten werden; im Moment ist dort eine Riesenbaugrube.

Und so ist die erste der beiden Aufnahmen in die gleiche Blickrichtung wie die historische entstanden, doch mit dem Standort ein paar Schritte weiter nordwärts – der im historischen Bild gezeigte linke Teil besteht derzeit aus dem beschriebenen traurigen Bild der Quasi-Hülle des Bahnhofs samt unmalerischem Expedit-Container davor plus allerlei Bauzeugs. Auf der ersten aktuellen Aufnahme vom 22. Juni 2021 ist Wagen 127 zu sehen, der gerade auf dem in Fahrtrichtung linken Gleis in die Ausweichanlage der Durchfahrtsgleise des Bahnhofs fährt. Früher war das das eine Meterspurgleis, wo Wagen 127 hier unterwegs ist; seit dem Umbau der letzten Jahre ist hier alles nur mehr meterspurig. Auch Gmunden Engelhof ist ein Bedarfshalt, und nur durch leichtes Mitziehen ließ sich bei der langen Belichtungszeit die Garnitur scharf abbilden, fuhr sie doch mit beachtlichem Tempo durch die Haltestelle durch: Damit «erstrahlt» die Laufen-Fabrik im Hintergrund, die auch auf der historischen Aufnahme zu sehen ist, mit einer ganz leichten Bewegungsunschärfe.

Die zweite aktuelle Aufnahme ist auf dem Areal entstanden, das dereinst die Normalspurgleise nach Laakirchen und weiter nach Lambach beherbergte. Nach der Unterbrechung dieser Strecke wegen Nichtbaus einer Eisenbahnkreuzung (oder -unter/-überführung) beim Bau der Umfahrung Gmunden (B120, Scharnsteiner Straße) ist das Reststück bis Gmunden abgebaut worden; die beiden dahinschlendernden Herren auf der Aufnahme gehen genau die ehemalige Bahntrasse entlang. Mal sehen, ob die immer wieder zwischen den Zeilen zu hörende Revitalisierung der Laakirchener Strecke nach Lambach irgendwann Wirklichkeit wird; dann wohl aller Wahrscheinlichkeit nach von Gmunden aus als Meterspurstrecke. Der zu sehende Wagen 128 ist der Feuerwehrwagen, der auf dem Abstellgleis in Gmunden-Engelhof typischerweise bereitgestellt ist – es war ein Glücksfall, dass er am Nachmittag des 6. Oktober 2020 gerade aufgerüstet wurde und sich als Linienfahrzeug auf den Weg durch Gmunden machte.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 12. Juli 2021, 16:04:52
Bevor es nach Gmunden hineingeht, lasst uns noch einmal einen kleinen Ausflug in das direkte Umfeld Gmundens machen… Die Aufnahme der Serie, die mir am allerbesten gefällt, entstand gleich innerhalb der Haltestelle Baumgarten-Waldbach. Zu sehen ist Wagen 122, gerade zwischen den Bäumen hervorgekommen, in voller Fahrt in die Haltestelle hineingleitend. Die zweite Aufnahme ist nochmals eine mit viel Feld am Bildrand – wir sind näher an Gmunden, die Bebauung wird dichter, und Wagen 127 wird in wenigen hundert Metern die Stadtgrenze nach Gmunden überqueren, um die lange Kurve in den Bahnhof Engelhof hinunterzurollen.

Beide Aufnahmen entstanden am 22. Juli 2021, die erste vormittags, die zweite nachmittags – es ist etwa Halbzeit in der Serie, nach noch einem Einblick in Engelhof und Umgebung geht es dann ’runter ins Tal, wo das Szenario sich komplett ändert. Genau dieses Verheiraten städtischen mit ländlichen Verkehrs zeigt so unglaublich machtvoll die Möglichkeiten zeitgemäßen Schienenpersonennahverkehrs: In und um Gmunden hatte ich das Gefühl, sehr viel von ganz zukunftsorientierter Verkehrspolitik zwischen Kleinstadt und Land zu sehen, durchaus unterlegt von dem einen oder anderen Gänsehautmoment.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 13. Juli 2021, 11:54:23
Mit der Eröffnung der Traunseetram gibt es nunmehr auch ganztags regelmäßig in Gmunden-Engelhof endende Kurse; zumindest jeder zweite Kurs fährt tagsüber nicht weiter als hierher. Mit dem Abbau der Normalspuranlagen in Engelhof ist nun die Bahnsteigkante 1 den hier endenden Garnituren gewidmet – sprich, der Hausbahnsteig am Stumpfgleis. Ganz rechts im Hintergrund ist der noch abgestellte «Feuerwehrwagen» 128 zu sehen, bevor er wie in einer der vorigen Aufnahmen gezeigt in den Linienbetrieb wechselte. Und am 6. Oktober 2020 war hier noch wenig Baustelle; dafür prangt der auch schon erwähnte Expeditcontainer hinter dem Wagen 130, der gerade die etwa 10 Minuten Wendezeit abwartet. Inzwischen würde die Aufnahme bei weitem nicht mehr in der Ruhe machbar sein, wie sie am 6. Oktober 2020 offenbar herrschte.

Und auf der zweiten Aufnahme geht es nun langsam stadteinwärts: Hier, bei der Haltestelle Lembergweg, ist noch sehr viel Grün umher. Hinten bei der zu sehenden Kreuzung mit der Laudachseestraße ist derzeit Endstation für die aus der Stadt kommenden Garnituren: Drei Wochen lang ist Schienenersatzverkehr (https://www.stern-verkehr.at/wp-content/uploads/2021/06/2021-07-10-D-Info-SEV-ENH-EIS.pdf) wegen Engelhof-Umbaus. Am 22. Juni 2021 hingegen war noch alles regulär in Betrieb, und Wagen 121 braust mit den hier erlaubten 60km/h Richtung Tal auf der Trasse des einstigen Drei- bzw. Vierschienengleises, das dereinst ÖBB und Stern&Hafferl teilten. Wer auch einmal nach Gmunden fotografieren kommen möchte: Beim Lembergweg ist nachmittags eine richtige Oase dafür, zumal bei den vier Garnituren pro Stunde und Richtung, die hier unter der Woche vorbeikommen.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 14. Juli 2021, 14:11:47
Hier, zwischen Traundorf und Engelhof, atmet die Traunseetram ganz besondere Geschichte – die Trasse folgt dem 1836 eröffneten Rampen-Abschnitt der Pferdebahn Budweis–Linz–Gmunden durch den bekannten Einschnitt. Natürlich hat die Traunseetram von ihrer Charakteristik nicht mehr viel mit dem Betrieb von vor bald 200 Jahren gemein; doch gibt es hier zahlreiche kleine Accessoires zu bestaunen, die an die Pferdebahn erinnern. Auf der ersten Aufnahme gleitet Wagen 121 am 6. Oktober 2020 unterhalb des Lembergwegs talwärts – vormittags steht die Sonne auf der Mastenseite der Strecke, da brauchte es eine etwas gewagtere Perspektive ;) Der Weg neben der Strecke begleitet die Traunseetramtrasse bis ins Tal hinunter und bietet einen netten Spaziergang.

Auf der zweiten Aufnahme, ebenfalls vom 6. Oktober 2020, sehen wir Wagen 129 vom Schloss Weyer kommend bergauf gleiten – hinter dem Wagen verbirgt sich unmittelbar neben der Trasse noch ein Stückerl Pferdebahnschienen. Die Bebauung arbeitet sich hier langsam bergwärts vor – mal sehen, wie viel offenes Gelände zumindest auf der linken Seite der Aufnahme in ein paar Jahren noch übrig bleibt. Nicht weit unterhalb des Schloss’ Weyer liegt dann die neue Haltestelle Seebahnhof, wo sich von der Charakteristik der Bahn so viel ändert; dort liegen auch die Gleismagneten, die die Traunseetramgarnituren von Straßenbahn- auf Eisenbahnmodus und zurück umschalten.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 15. Juli 2021, 15:48:54
Innerhalb des Seebahnhofs befindet sich das wunderbarste Stück der Traunseetram. Nein, nicht weil es so malerisch ist – sondern weil genau der Brückenschlag zwischen der Gmundner Straßenbahn und der Traunseebahn ein Meisterstück moderner Verkehrspolitik par excellence ist: Ein kurzer Brückenschlag (im wahrsten Sinne des Wortes) zwischen zwei vormals isolierten Schienenstrecken zugunsten eines größeren Ganzen, noch dazu als Straßenbahnstrecke in einer dazumals modernen und nun wieder zeitgemäßen, sanften Integration ins Stadtbild; viel besser geht das nicht! Darüber hinaus bietet dieser Brückenschlag nicht nur den Mehrwert der Streckenverbindung, sondern erschließt nunmehr aus beiden Richtungen das Zentrum Gmundens per se: Hier heißt es, ein paar Momente innezuhalten, und den Hut vor all den Proponenten dieses mutigen Projektes zu ziehen, die damit trotz des nicht immer lauen Gegenwindes ein genauso starkes wie mächtiges Zeichen in Richtung einer zukunftsorientierten Schienenverkehrspolitik zwischen Kleinstadt und Land gesetzt haben. Chapeau, chapeau, chapeau!

Ja, bei modernster Straßenbahn par excellence sind wir angelangt – hier repräsentiert durch Wagen 128 in der Traunsteinstraße, gleich innerhalb des Seebahnhofes. Links ein lokal bekanntes Blumengeschäft, rechts Kurzparkzone abseits des eigentlichen Straßenraumes, und dazwischen gleitet vier Mal pro Stunde und Richtung leise und unaufhaltsam die Straßenbahn als Lebensader Gmundens über die neuen Gleise, so wie hier am 22. Juni 2021 – zum ersten Mal mit einer Garnitur als Motiv, die Engelhof zum Ziel hat.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 16. Juli 2021, 17:09:28
Wenn wir vom Brückenschlag sprechen, darf die eigentliche Brücke als Kernverbindungsstück nicht fehlen: Traunbrücke, Trauntor und Rathausplatz waren wohl die eigentlichen Herausforderungen der neuen Trasse, die die beiden vormals isolierten Gmundner Meterspurstrecken zur neuen Traunseetram verbindet. Toll ist die Traunbrücke geworden; eine Begegnungszone mit 20km/h Geschwindigkeitsbeschränkung für alle Verkehrsteilnehmer, die sich den nur sanft getrennten öffentlichen Raum hier teilen, samt breitem Radweg und sehr ansprechend viel Platz für Fußgänger.

Kurzum: Ein lohnender Platz zu verweilen, zu eilen, zu schlendern, und natürlich auch mit der Tram nach Gmunden hinein oder aus Gmunden heraus zu fahren. Wagen 127 übernimmt diese Aufgabe auf dieser Aufnahme vom 22. Juni 2021 und zeigt, wie harmonisch sich eine Straßenbahn in ein historisches Kleinstadtzentrum integrieren lässt.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Halbstarker am 16. Juli 2021, 17:33:33
um welche Tageszeit wurde das letzte Bild aufgenommen - ohne Kfz, Radfahrer und Fußgänger? :o
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: 4498 am 17. Juli 2021, 07:49:54
Toll ist die Traunbrücke geworden; eine Begegnungszone mit 20km/h Geschwindigkeitsbeschränkung für alle Verkehrsteilnehmer, die sich den nur sanft getrennten öffentlichen Raum hier teilen, samt breitem Radweg und sehr ansprechend viel Platz für Fußgänger.
Wie ist das zu verstehen? Eine Begegnungszone, wo erst wieder die Fußgänger und Fahrräder aus dem Weg geräumt werden? Das ist doch ein Widerspruch in sich!
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: WVB am 17. Juli 2021, 09:04:50
Toll ist die Traunbrücke geworden; eine Begegnungszone mit 20km/h Geschwindigkeitsbeschränkung für alle Verkehrsteilnehmer, die sich den nur sanft getrennten öffentlichen Raum hier teilen, samt breitem Radweg und sehr ansprechend viel Platz für Fußgänger.
Eigentlich ein wunderbares Beispiel für jene die meinen Umfahrungsstraßen würden nichts bringen.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: T1 am 17. Juli 2021, 12:42:03
Toll ist die Traunbrücke geworden; eine Begegnungszone mit 20km/h Geschwindigkeitsbeschränkung für alle Verkehrsteilnehmer, die sich den nur sanft getrennten öffentlichen Raum hier teilen, samt breitem Radweg und sehr ansprechend viel Platz für Fußgänger.
Wie ist das zu verstehen? Eine Begegnungszone, wo erst wieder die Fußgänger und Fahrräder aus dem Weg geräumt werden? Das ist doch ein Widerspruch in sich!
Das sind Begegnungszonen per Definitionem in Österreich. Eine Lösung wie in der Schweiz wurde natürlich nicht gewählt, heißt: Kein Vortrittsrecht für Zufußgehende.

Was du meinst ist Shared Space. Das ist (rechtlich) etwas anderes.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: 4498 am 17. Juli 2021, 14:46:01
Wie ist das zu verstehen? Eine Begegnungszone, wo erst wieder die Fußgänger und Fahrräder aus dem Weg geräumt werden? Das ist doch ein Widerspruch in sich!
Das sind Begegnungszonen per Definitionem in Österreich. Eine Lösung wie in der Schweiz wurde natürlich nicht gewählt, heißt: Kein Vortrittsrecht für Zufußgehende.

Was du meinst ist Shared Space. Das ist (rechtlich) etwas anderes.

Das Gesetz scheint mir recht zu geben:

Paragraf 76c StVO (https://www.jusline.at/gesetz/stvo/paragraf/76c)

oesterreich.gv.at (https://www.oesterreich.gv.at/themen/freizeit_und_strassenverkehr/kfz/10/Begegnungszonen.html)
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: T1 am 17. Juli 2021, 16:04:54
Naja, da kann man streiten. In Österreich ist es ein sehr passives dürfen…

StVO §76c (https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/1960/159/P76c/NOR40147695)
(3) In Begegnungszonen dürfen Fußgänger die gesamte Fahrbahn benützen. Sie dürfen den Fahrzeugverkehr jedoch nicht mutwillig behindern.

…während das beispielsweise in der Schweiz mit einem Vortrittsrecht verbunden ist, was den Zufußgehenden schon mehr Rechte einräumt.

Signalisationsverordnung Art. 22b  (https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1979/1961_1961_1961/de#a22b)
1 Das Signal «Begegnungszone» (2.59.5) kennzeichnet Strassen in Wohn- oder Geschäftsbereichen, auf denen die Fussgänger und Benützer von fahrzeugähnlichen Geräten die ganze Verkehrsfläche benützen dürfen. Sie sind gegenüber den Fahrzeug­führern vortrittsberechtigt, dürfen jedoch die Fahrzeuge nicht unnötig behindern.

Aber auch unabhängig von der rechtliche Seite, eine Begegnungszone muss nicht darauf abzielen, dass Zufußgehende die gesamte Breite nutzen, es kann auch einfach nur der Querungsmöglichkeit über die ganze Länge dienen. Wobei letzteres wegen dem fehlenden Vortrittsrecht in der österreichischen Version natürlich wiedereinmal unattraktiver ist als das Vorbild.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: haidi am 17. Juli 2021, 17:33:23
§ 76 c StVO
Zitat
(2) In Begegnungszonen dürfen die Lenker von Fahrzeugen Fußgänger weder gefährden noch behindern,

(3) In Begegnungszonen dürfen Fußgänger die gesamte Fahrbahn benützen. Sie dürfen den Fahrzeugverkehr jedoch nicht mutwillig behindern.

Fußgänger dürfen weder gefährdet noch behindert werden. Das ist das, was die Schweizer als "Vortrittsrecht" bezeichnen. Derartige Ausdrücke gibt es in der österreichischen StVO nicht, aber klarstellende Umschreibungen, die das "Vortrittsrecht" genauer definieren¹].

Im Endeffekt ist die Schweizer Gesetzestelle gleich der Österreichischen (oder umgekehrt). Der Satz Sie dürfen den Fahrzeugverkehr jedoch nicht mutwillig behindern. ist in beiden gleichlautend und wird auch Gleiches bedeuten. Ich interpretiere den Satz so:
Der Autofahrer hat es zu akzeptieren, dass ihn der Fußgänger beim Queren seiner Fahrlinie zum Verlangsamen oder Abbremsen bis zum Stillstand zwingt, der Fußgänger darf aber nicht auf Dauer vor dem Fahrzeug in gleicher Linie gehen - das bedeutet das "mutwillig".

¹] Ähnliches: In der Bestimmung für Radfahrerüberfahrten findet man den Ausruck Vorrang oder Vortrittsrecht für Radfahrer nicht, sondern der Autofahrer hat ihm das Queren zu ermöglichen und erforderlichenfalls anzuhalten. Das ist meiner Meinung nach sogar mehr als Vorrang, weil damit auch der Vorrangverzicht des Radfahrers durch Anhalten wegfällt.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 17. Juli 2021, 20:03:45
um welche Tageszeit wurde das letzte Bild aufgenommen - ohne Kfz, Radfahrer und Fußgänger? :o
Das war der Kurs 328, gegen ½12 mittags aufgenommen – nicht immer geht das so, wie es auf der Aufnahme aussieht; am Vorabend gegen 18:00 habe ich es eine Stunde lang versucht, ohne auch nur eine quasi freigefahrene Front auf den Sensor zu bekommen…

Eine Begegnungszone, wo erst wieder die Fußgänger und Fahrräder aus dem Weg geräumt werden? Das ist doch ein Widerspruch in sich!
Guter Punkt. Für mich bot sich eine zwar grundsätzlich in unterschiedliche (Längs-)Bahnen gelenkte Verkehrsfläche da, die aber vor allem in lateraler Sicht sehr durchlässig war; sprich: Fußgänger kreuz und quer, genauso wie Radfahrer. Das zeigt das Foto nicht; dazu bräuchte es eher ein Video…

Bevor es ins Finale mit noch ein paar Aufnahmen auf der klassischen Gmunder Straßenbahnstrecke geht, noch ein paar Meter zurück zum Klosterplatz: Hier war knapp vier Jahre lang Endstation der 2014 nach Gmunden hinein verlängerten Traunseebahn (nicht -tram), bevor im September 2018 der “Missing Link” über den Rathausplatz das Licht der Welt erblickte. Anders als in den allerersten Planungs-Skizzen gedacht befindet sich hier ein mit umfangreichem Wetterschutz versehener Inselbahnsteig in der Mitte der Fahrbahn, und nach wie vor enden hier immer wieder Kurse, falls es die Situation spontan oder geplant erfordert, insbesondere bei Baumaßnahmen. Mit hinreichend Weitwinkelwumms lässt sich am Inselbahnsteig auch eine ganze Garnitur «freigestellt» abbilden, so wie wieder einmal Wagen 121, offensichtlich «Traunsee» getauft, am 6. Oktober 2020.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 18. Juli 2021, 13:47:10
…und hier sind wir nun angelangt, am Rathausplatz – lange Zeit war die Tram ganz verschämt an den Rand des Straßenraumes gezwängt (http://forum.strassenbahn.tk/userpix/1_S_1810k_1.jpg) worden, 1975 bekanntlich ganz verdrängt, und ist nun seit 2017 bzw. 2018 zeitgemäß und präsenter als je zuvor zurückgekehrt. Die Begegnungszone in ihrer Gmundner Ausprägung ist in diesem Thread schnell ein heißes Diskussionsthema geworden – typischerweise stellt sich in der Theatergasse der Verkehr nun so dar, dass die Straßenbahn mit dem langsam, aber stetig dahinströmenden Individualverkehr mitgleitet und den Verkehrsfluss an der Haltestelle kurz unterbricht, um dann insbesondere westwärts ungehindert das ampelgesteuerte und stark frequentierte Kreuzungsplateau Theatergasse#Am Graben passieren zu können. Natürlich ist ein selbständiger Gleiskörper mit Nullwartezeit an allen Interaktionsstellen mit dem Rest der Welt wünschenswert – doch gibt es hie und da Plätze, wo das mit erträglicher Disruptivität nicht ganz so einfach ist; und die Zentrumsdurchfahrt von Gmunden mit ihren wenigen hundert Metern fahrbahnbündiger Trasse ist für mich ein Paradebeispiel des pragmatischen Durchbrechens einer Eigentrassen-Dogmatik. Die Tramway ist erstaunlich anpassbar, wenn man sie sich anpassen lässt und vernünftig in vorhandene Gegebenheiten einzubetten versteht. Zu sehen ist Wagen 130 am 6. Oktober 2020.

Auch der Rathausplatz ist im Übrigen eine Bedarfshaltestelle – den Schweizer Einfluss kann Stern&Hafferl nicht verleugnen, wenn es wie bei den anderen Haltestellen auch heißt: «Nächster Halt auf Verlangen: …», akustisch «illustriert» durch die mitgelieferte Aufnahme.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: fr3 am 18. Juli 2021, 19:00:03
Vielen Dank für die interessante Serie.

Ich bin irgendwann in den 1970ern als Kind dort gefahren, sowohl auf der Vorchdorfer als auch auf der Tramway. Habe noch die alte Endstelle in Gmunden Traundorf in Erinnerung. Das war ein wunderschönes Jugenstil-Salettl.
Auch den ÖBB-Schienenbus vom Seebahnhof nach Laakirchen bin ich damals gefahren.

Der Bahnhof Englhof ist der älteste noch bestehende und im Betrieb befindliche Bahnhof Österreichs. Möglicherweise sind nördlich von Linz Richtung Budweis noch ältere Bahnhofsgebäude erhalten, da diese Strecke ja früher gebaut wurde - dem Bahnbetrieb dienen sie jedoch nicht mehr.

Das Bahnhofsgebäude in Englhof soll sehr wohl renoviert werden und dann das Fahrerexpedit beherbergen, sobald es Mittel für die Renovierung gibt.
Der jetzige Hallenbau über die Gleise wurde auch schon im Zuge des Lückenschlusses geplant und erst jetzt ausgeführt, nachdem die Finanzierung dafür kam.

Ähnliches gilt für die Verlängerung nach Laakirchen über die ehemalige ÖBB-Trasse, wobei dafür wieder einmal umgespurt werden muss, historisch bereits zum zweiten Mal. Die Pferdebahn hatte 1106 mm Spurweite.
Das Stück Pferdebahnschienen zwischen Englhof und Seebahnhof wurde irgendwann in den letzten Jahren rekonstruiert und ist nicht original, sehr wohl jedoch der Schlenker, den die Trasse dort einst machte.

Ein paar Bilder zum Bahnhof Englhof lege ich bei. Sie wurden anlässlich des Lückenschlusses im Rahmen einer Ausstellung in Gmunden gezeigt.

Das letzte Bild zeigt die Stallungen des Bahnhofs, in denen im August 2018 im Rahmen der Lokalbahntagung ein kleiner Empfang gegeben wurde.
Damals hatte ich Gelegenheit, einen Tag vor der Eröffnung die neue Straßenbahnstrecke zu befahren.

Eine Reportage zu diesem Ereignis gibt es hier (http://www.bahnforum.info/index.php?ind=reviews&op=entry_view&iden=1767).

Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 19. Juli 2021, 20:47:01
Zu enger Bildausschnitt? Zu viel Vordergrund und zu wenig Hintergrund? Nach der Enge der letzten Aufnahmen geht das Szenario nun wieder auf – Gründerzeit-Sommerfrischenpracht par excellence herrscht hier auf der Esplanade westlich des Franz-Josef-Platzes. Hier sind wir schon auf der klassischen Straßenbahntrasse in Seitenlage – die Zweirichtungswägen mit Türen auf nur einer Seite sind noch in guter Erinnerung. Wagen 131 rollt hier in Richtung Bezirkshauptmannschaft am sonnig-heißen 22. Juni 2021.

Der schwüle Tag kippte abends ins Gegenteil – kein Vergleich mit der Tragödie, die sich in den letzten Tagen in Deutschland und danach auch mancherorts in Österreich abspielte; doch so ein Hagelgewitter wie an jenem Abend, wo innerhalb von 5 Minuten das Dach des Nachbarhauses in kleine Stücke zerhackt in die Häuserschlucht bröselte, das habe ich auch noch nicht erlebt: https://youtu.be/sdEK1uxNZcY Am nächsten Tag war dann SEV nach Attnang-Puchheim angesagt – die Bahnstrecke war bei Aurachkirchen unterbrochen, und alle Beteiligten taten ihr Bestes, die Verbindungen an die Westbahn mit erträglicher Verspätung herzustellen.
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 20. Juli 2021, 20:12:31
Die Passage der Kuferzeile war schon zu Zeiten filigraner wirkender Straßenbahnen ein Ereignis ob der Enge der Durchfahrt – die zeitgemäß großen Garnituren der Traunseetram verstärken diesen Effekt noch. Am stadtauswärtigen Ende, bevor es so richtig steil wird, wartet dann das bekannte Arkadenhaus, wo Stern&Hafferl zu Hause ist – ein würdiges Gebäude für ein ganz herausragendes Unternehmen in der Szene der Betreiber von Verkehrsmitteln. Und mit dem Wagen 128 vor dem Arkadenhaus, gerade aus der Kuferzeile kommend, ist das Motiv am späten Mittag des 22. Juni 2021 komplett :D
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Tramwaycafe am 21. Juli 2021, 17:35:55
Ein wenig schneller als geplant geht diese Serie mit den letztlich 26 Aufnahmen nun zu Ende – neben Kuferzeile und Esplanade war die Trasse durch die Alois-Kaltenbrunner-Straße mit ihren 10% Steigung wohl die Attraktion der alten städtischen Straßenbahnstrecke schlechthin. Und nach wie vor ist dieses Stück Traunseetram sehr beeindruckend, zumal mit den ruhig über die Steilstrecke dahingleitenden Tramlinks, die dieses Stückerl sowohl bergauf wie auch bergab in einer sehr gelassen wirkenden Art und Weise bewältigen. Die erste Aufnahme stammt vom 6. Oktober 2020, sie wurde knapp unter der Haltestelle Tennisplatz mit ihrer (links befahrenen) Ausweiche aufgenommen, und zeigt Wagen 129 auf dem langen Weg nach Vorchdorf. Die zweite Aufnahme ist wiederum vom 22. Juni 2021: Harte Mittagssonne am zweitlängsten Tag des Jahres, harte Schatten, intensive Kontraste – und dazu ein etwas knapperer Bildausschnitt ohne Peitschenleuchten im Vordergrund, der Wagen 131 auf einem Zwischenkurs nach Engelhof zeigt, am unteren Ende der Steiltrasse nicht weit vom Arkadenhaus.

Ich möchte mich bei euch für das Folgen dieses Threads bedanken – im ersten Beitrag habe ich die Beweggründe dieses ausführlichen und langen Berichts dargelegt, und warum der 6. Oktober 2020 und der 22. Juni 2021 zu den intensivsten Tagen des vergangenen Jahres für mich gehörten. Wenn man die dunklen Wolken am Horizont der Inzidenz betrachtet, wird es wohl weiterhin nicht nachhaltig sonnig am Pandemiehimmel. Hoffen wir das Beste. Und hoffen wir das Beste auch für die Traunseetram – dass sie ihre auch nach dem großen Umbau nicht enden wollende Dynamik behalten möge und damit Vorbild sei für noch viele weitere so beeindruckende regionale Schienenverkehrslösungen!
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Bus am 21. Juli 2021, 19:49:20
Danke für die nette Reportage  :up:
Titel: Re: Zwei Tage in Gmunden – eine emotionale Reise 2020/2021
Beitrag von: Sonderwagen am 09. April 2022, 12:30:55
Bin erst jetzt nach meinem Gmunden-Besuch auf die interessante Reportage gestoßen und möchte mich hiermit dafür bedanken!  :up:

Hoffen wir das Beste. Und hoffen wir das Beste auch für die Traunseetram – dass sie ihre auch nach dem großen Umbau nicht enden wollende Dynamik behalten möge und damit Vorbild sei für noch viele weitere so beeindruckende regionale Schienenverkehrslösungen!
Ich befürchte leider, dass die Dynamik sehr enden wollend ist wenn ich an die Situation in der Innenstadt denke. Ich richtig schockiert wie groß der Leerstand zwischen dem Franz-Josef-Platz und der Traunbrücke geworden ist wobei da die Pandemie sicherlich ordentlich dazu beigetragen hat. Wenn man als Referenz Google-Street-View von 2019 hernimmt kann man sagen, dass es 80% der abgebildeten Geschäfte nicht mehr gibt.

Da hat man jetzt eine tolle Bahn die durch eine schön gestaltete aber so gut wie tote Einkaufsstraße fährt.  :(