Leutl'n, hat sich mal jemand von denen, die sieben Jahre ab Beschluss für 4 km innerstädtische Neubaustrecke für eine lange Zeit halten, die Mühe gemacht, Innsbruck zum Vergleich heranzuziehen? Wäre eigentlich das Naheliegendste, oder?
Hier werden nämlich, wenn die ungefähr 3 km Neubaustrecke umfassende Bauetappe 1 des "Straßenbahn- und Regionalbahnkonzepts", die seit 2010 läuft, in ziemlich genau einem Jahr fertig ist, seit dem Gemeinderatsbeschluss ebenfalls sieben Jahre vergangen sein. Ein Jahr lang war die Planung unnötigerweise eingefroren (2007), deshalb haben wir von Baubeschluss bis Inbetriebnahme von 3 km Neubaustrecke 6 Jahre. Warum? Weil sie, genau wie die Neubaustrecke in Graz, durch dichtest besiedeltes innerstädtisches Gebiet verläuft. Das ist um ein Vielfaches aufwändiger als Neubaustrecken in Außenbezirken oder überland (Linz!). Da müssen Versorgungsleitungen aller Art verlegt werden, Grundstücke mit teils hunderten Besitzern (pro Grundstück!) müssen abgelöst oder enteignet werden, teilweise muss aufwändigst schallgedämmt werden, die gesamte Planung muss die Zustimmung aller in irgendeiner Weise Betroffenen finden, Ersatzparkflächen müssen gefunden werden (leider), gar nicht zu reden von all den notwendigen behördlichen Genehmigungen, der aufwändigen Baustellenkoordination (die Stadt muss ja auch während der Bauzeit irgendwie weiter funktionieren), etc. etc.,
Allein der Bau von Brunecker Straße bis Universitätsbrücke in Innsbruck hat zwei Jahre benötigt, der Rest der Bauetappe 1 braucht jetzt noch ein weiteres Jahr. Ab dann wird's in Richtung Westen schneller gehen, die nächsten 4 Kilometer entlang der Kranebitter Allee und durch Hötting-West wird man in einem Jahr runterreißen, wie auch die danach folgenden Etappen außerhalb der Innenstadt viel schneller umgesetzt werden können. Vom Zentrum durch Pradl und die Reichenau sind wir allerdings wieder in innerstädtischem Gebiet, wo die Umsetzung länger dauert.
Bis zur Umsetzung der ersten Etappe des Innsbrucker 400-Millionen-Euro-Projekts hatte man mit dem Neubau von innerstädtischen Tramstrecken in größerem Umfang (also jenseits von ein paar hundert Metern) in Österreich keine aktuellen Erfahrungswerte. Man musste alte Erfahrungswerte heranziehen und erste Zeitschätzungen darauf aufbauen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war so etwas deutlich schneller umsetzbar und war weniger kompliziert als heute - es gab weniger Vorschriften, weniger unterirdische Infrastruktur, weniger Autoverkehr, weniger ProtestbürgerInnen, billigere Arbeitskräfte, etc. usw. usf.
Die Grazer Zeit- und Kostenschätzung ist realistisch, denn sie baut auf den aktuellen Innsbrucker Erfahrungswerten auf, die bis zum Vorliegen weiterer Erfahrungswerte wohl alleine maßgeblich bleiben werden. Die Zeiten, in denen man mit Horden von Bauarbeitern innerhalb von zwei Jahren ein ganzes Tramnetz aus dem Boden stampfte, sind leider vorbei...