Autor Thema: [PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse  (Gelesen 3744 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

13er

  • Verkehrsstadtrat
  • **
  • Beiträge: 27735
[PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse
« am: 30. September 2012, 22:44:59 »
Find ich sehr spannend. Im Facebook wird nämlich reflexartig bei Anfragen/Beschwerden über "andere" Linien betont, dass man damit nichts zu tun habe und man sich doch an den anderen Betrieb wenden möge. Schon bisher habe ich darin einen Widerspruch dazu gesehen, dass ich die Jahreskarte ja auch bei den Wiener Linien kaufe, also sind die auch für andere Betriebe verantwortlich, die ihre Linien betreuen. der OGH gibt mir recht :)

Zitat
Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse

30.09.2012 | 18:28 |  PHILIPP AICHINGER (Die Presse)

Wer eine Zeitkarte erwirbt, schließe bereits damit einen Beförderungsvertrag ab, sagt der OGH. Das macht Fahrgästen das Klagen einfacher.


Wien. Nicht immer, wenn man in Wien öffentlich unterwegs ist, ist man auch mit den Wiener Linien unterwegs. So wird etwa die Buslinie 94A, die Fahrgäste von Kagran nach Stadlau chauffiert, selbstständig von „Dr. Richard“ geführt. Den Fahrgästen, die über eine Netzkarte für den Tarifverbund verfügen, ist freilich meist egal, wer sie gerade an ihr Ziel bringt. Problematisch wird es aber, wenn es zu einem Unglück kommt und sich für Fahrgäste die Frage stellt, wen man in Haftung nehmen kann.

So geschehen im Fall einer Frau, die beim Einsteigen in den 94A bei der Station Siebenbürgerstraße auf einer Eisplatte zum Sturz kam. Auf der Haltestellentafel war zwar ersichtlich, dass der Bus von Dr. Richard betrieben wurde. Die Frau allerdings hatte nicht vor, im Bus eine Karte bei Dr. Richard zu erwerben. Sie besaß nämlich bereits eine Monatskarte, die sie allerdings in einer Vorverkaufsstelle der Wiener Linien gekauft hatte. Die Wiener Linien freilich wollten für den Unfall nicht aufkommen und wandten ein, sie hätten mit der Linie 94A nichts zu tun. Sie erklärten, dass im Verkehrsverbund Ost-Region die verschiedensten Anbieter tätig seien, etwa auch die ÖBB oder die Wiener Lokalbahnen. Die Wiener Linien betonten, wenn man bei ihnen einen Fahrschein kaufe, garantierten sie bloß, dass dieser auch von den anderen Anbietern akzeptiert werde. Der Verkauf bedeute aber noch lange nicht, dass gleich ein Beförderungsvertrag abgeschlossen werde. Dafür müsse die Frau schon noch in das Verkehrsmittel einsteigen. Und für das gefahrlose Ein- und Aussteigen sei auch nur immer das Unternehmen verantwortlich, das die konkrete Linie betreibe, meinten die Wiener Linien.
 
Erste Instanzen wiesen Klage ab

Die Frau, die rund 13.000 Euro Schadenersatz forderte, zog vor Gericht. Das Handelsgericht Wien wies die Klage aber ab. Nur weil Dr. Richard die gleichen Tarifbestimmungen wie die Wiener Linien verwende, könne man daraus nicht schließen, dass ein Beförderungsvertrag mit den Wiener Linien zustande gekommen wäre. Auch der Kauf einer Monatskarte löse noch nicht einen derartigen Vertrag aus, egal, bei wem die Fahrscheine erworben wurden. Ohne Vertrag aber gibt es auch keine Haftung. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte die abweisende Entscheidung und argumentierte ähnlich: Es erklärte, dass der Vertrag erst durch Einsteigen in das Verkehrsmittel zustande komme. Und wenn man eine Karte im Vorverkauf erwerbe, sei ja noch unklar, wann und wo man tatsächlich eine Linie nutze. Mangels Bestimmtheit könne der Kauf des Tickets daher keinesfalls schon einen Beförderungsvertrag mit den Wiener Linien auslösen.

Die verletzte Frau zog aber noch vor den Obersten Gerichtshof (OGH). Und dieser drehte das Urteil um. So hielt der OGH ausdrücklich fest, dass sehr wohl ein Beförderungsvertrag mit den Wiener Linien bestand. Diesen schließe man nämlich bei Zeitkarten (wie Monatskarte, Jahreskarte) bereits durch den Kauf ab. Wenn man später in den Bus einsteige, nehme man nur mehr das Recht in Anspruch, das einem beim Kauf der Karte bereits eingeräumt wurde. Da die Frau die Monatskarte bei einer Vorverkaufsstelle der Wiener Linien gekauft habe, sei mit diesem Unternehmen der Vertrag zustande gekommen, meinten die Höchstrichter (2 Ob 206/11z). Die ersten beiden Instanzen hätten daher zu Unrecht verneint, dass die Frau die Wiener Linien klagen kann.

Verschuldensfrage noch offen

Dafür wartet auf die unteren Instanzen nun neue Arbeit: Sie müssen jetzt klären, ob die Ansprüche der Frau inhaltlich zu Recht bestehen – also ob die Haltestelle tatsächlich nicht ausreichend gestreut war. Auch muss darauf geachtet werden, inwieweit die Frau ein Mitverschulden trifft. Die Wiener Linien aber wiederum könnten im Falle einer Verurteilung versuchen, bei Dr. Richard Regress für die Unkosten zu nehmen.

Quelle: http://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/1295885/Monatskarte_Wiener-Linien-haften-fuer-andere-Busse?from=suche.intern.portal
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

haidi

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 14515
Re: [PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse
« Antwort #1 am: 30. September 2012, 23:23:12 »
MgMV (mein gesunder Menschenverstand) ist etwas verwundert über dieses Urteil, für mich ist es in sich widersprüchlich.
Wenn ich die Monatskarte am Schalter der BAdner Bahn kaufe, ist die für alle Unfälle verantwortlich, die ich bei den Wiener Linien, der ÖBB oder anderen Verkehrsunternehmen erleide?

Aber zur Widersprüchlichkeit:
Ich kaufe ja eine Monatskarte des VOR, schließe mit ihm einen Beförderungsvertrag für den betreffenden Zeitpunkt und die ensprechenden Zonen ab und fahre mit seinen Erfüllungsgehilfen. Mein Vertragspartner ist ja eigentlich der VOR.

Und wenn ich die Monatskarte in der Trafik kaufe, ist dann der Trafikant veranwortlich?


Hannes
Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.

13er

  • Verkehrsstadtrat
  • **
  • Beiträge: 27735
Re: [PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse
« Antwort #2 am: 30. September 2012, 23:29:52 »
Wenn ich die Monatskarte am Schalter der BAdner Bahn kaufe, ist die für alle Unfälle verantwortlich, die ich bei den Wiener Linien, der ÖBB oder anderen Verkehrsunternehmen erleide?
Müsste konsequenterweise eigentlich so sein, ja. Die Badner Bahn könnte dann den ihnen entstandenen Aufwand wiederum von anderen einklagen.

Wie gesagt: Ich kaufe die Jahreskarte bei den Wiener Linien - warum muss ich mich als Fahrgast darum kümmern, wer wirklich für die Linie zuständig ist? Das sollen sie sich untereinander ausmachen.

In anderen Bereichen ist das doch auch überall so. Wenn ich mit dem Verbund einen Stromvertrag habe, geht mich das auch nicht wirklich was an, dass der Strom eigentlich von der Wien Energie kommt. Wenn irgendwas nicht hinhaut, wende ich mich an den Verbund. Wenn man bei Drei Handyprobleme hat, werden die auch nicht sagen "ja, Sie sind grad in einem Gebiet, wo wir die A1-Leitung mitbenützen, wenden Sie sich an die".
Mit uns kommst du sicher... zu spät.

Linie 41

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 11667
    • In vollen Zügen
Re: [PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse
« Antwort #3 am: 30. September 2012, 23:40:44 »
Mein gesunder Menschenverstand sagt mir eher überhaupt etwas ganz anderes: Wenn's mich auf die Fresse haut, bin ich selber schuld.
Ich verstehe das Konzept dahinter nicht und bin generell dagegen.

hema

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 16397
Re: [PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse
« Antwort #4 am: 01. Oktober 2012, 00:27:45 »
Mein gesunder Menschenverstand sagt mir eher überhaupt etwas ganz anderes: Wenn's mich auf die Fresse haut, bin ich selber schuld.
Bingo!  ;D


Und mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass es gesetzlich genau geregelt ist, wer für die Entfernung von Eis und Schnee in Haltestellen verantwortlich ist! Und das ist (eigentlich) in den seltesten Fällen das Verkehrsunternehmen, nämlich nur bei Haltestellen auf ihrem Eigengrund und auf anrainenden Gehsteigen! Somit ist der zitierte Prozess ziemlich merkwürdig.  ::)
Niemand ist gezwungen meine Meinung zu teilen!

95B

  • Verkehrsstadtrat
  • **
  • Beiträge: 36129
  • Anti-Klumpert-Beauftragter
Re: [PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse
« Antwort #5 am: 01. Oktober 2012, 07:58:42 »
Mein gesunder Menschenverstand sagt mir eher überhaupt etwas ganz anderes: Wenn's mich auf die Fresse haut, bin ich selber schuld.
Sehe ich nicht so. Das Eis war vielleicht nicht ersichtlich, etwa unter einer dünnen Schneeschicht verborgen.

Und mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass es gesetzlich genau geregelt ist, wer für die Entfernung von Eis und Schnee in Haltestellen verantwortlich ist!
D'accord. Nur wird die Nicht-Einhaltung dieser Bestimmungen leider in Wien – wie viele andere Dinge – nicht entsprechend geahndet. Die Schneeräumtrupps der WL kümmern sich ja auch um Haltestellenbereiche, für die sie gar nicht zuständig wären (was ja auch in Ordnung ist, schließlich sollen die Fahrgäste möglichst gefahrlos zusteigen können... aber da gehört dann gleichzeitig eine Anzeige gemacht).
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!
... brrrr, Klumpert!
Entklumpertung des Referats West am 02.02.2024 um 19.45 Uhr planmäßig abgeschlossen!

darkweasel

  • Obermeister
  • *
  • Beiträge: 3707
  • Kompliziertdenker
Re: [PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse
« Antwort #6 am: 01. Oktober 2012, 08:01:54 »
Also auch ich finde dieses Urteil sehr merkwürdig. Wenn ich mir bei einem WL-Fahrkartenautomaten einen Einzelfahrschein kaufe, diesen an einem ÖBB-Entwerter entwerte, und dann von einer S-Bahn in die Badner Bahn umsteige, und dann beim Aussteigen auf der Überlandstrecke ausrutsche, wer haftet denn dann bitte?! Die WL? Die ÖBB PV AG? Oder nicht doch die WLB, wie es logisch wäre? Eigentlich kaufe ich mir ja einen VOR-Fahrschein und keinen WL- oder DR- oder ÖBB- oder WLB-Fahrschein.

Konsequenterweise heißt dieses Urteil, dass die WLB womöglich für Unfälle in einem Postbus irgendwo im hintersten Weinviertel haften, wenn ich dort (a) meinen Fahrschein gekauft habe und/oder (b) ich dort meine Reise angetreten habe (den Fahrschein also entwertet habe).

In anderen Bereichen ist das doch auch überall so. Wenn ich mit dem Verbund einen Stromvertrag habe, geht mich das auch nicht wirklich was an, dass der Strom eigentlich von der Wien Energie kommt. Wenn irgendwas nicht hinhaut, wende ich mich an den Verbund. Wenn man bei Drei Handyprobleme hat, werden die auch nicht sagen "ja, Sie sind grad in einem Gebiet, wo wir die A1-Leitung mitbenützen, wenden Sie sich an die".
Nur steht auf jedem Fahrzeug drauf, wer es betreibt, was bei Handy- oder Stromnetzen nicht wirklich der Fall ist. Einreden lasse ich es mir vielleicht in Fällen wie dem 5B, wo den WL die Konzession gehört, aber nicht beim 94A.

haidi

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 14515
Re: [PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse
« Antwort #7 am: 01. Oktober 2012, 08:19:47 »
In anderen Bereichen ist das doch auch überall so. Wenn ich mit dem Verbund einen Stromvertrag habe, geht mich das auch nicht wirklich was an, dass der Strom eigentlich von der Wien Energie kommt. Wenn irgendwas nicht hinhaut, wende ich mich an den Verbund. Wenn man bei Drei Handyprobleme hat, werden die auch nicht sagen "ja, Sie sind grad in einem Gebiet, wo wir die A1-Leitung mitbenützen, wenden Sie sich an die".

DA hast du vollkommen Recht - ich schließe mit dem VOR einen Beförderungsvertrag ab und der haftet für seine Erfüllungsgehilfen ebenso wie in deinem Fall der Verbund für den Erfüllungsgehilfen Wien Strom haftet. Egal wo ich meine Fahrkarte kaufe (Wiener Linien, ÖBB oder Trafik), die Einnahmen bekommt der VOR, der sie dann an die einzelnen Verkehrsunternehmen nach einem bestimmten SChlüssel aufteilt.

Ausnahme könnten die "Haustarife" in Wien bieten, also Seniorenkarte und 8-TAges-Karte sein, die ja nur in Wien angeboten werden. Wie schaut es da aus?
Ich kaufe die Karte am Bahnhof in Neunkirchen und fahre nach Wien
Fall 1: Ich lasse sie vom Schaffner zwicken, fahre bis Wien  Landstraße und stürze beim Aussteigen auf Grund eines Mangels am Fahrzeug.
Fall 2: Ich lasse sie vom Schaffner zwicken, fahre bis Wien  Landstraße und stürze beim Umsteigen auf der Haltestelleninsel der Linie O
FAll 3: Ich verwende sie an einem anderen Tag und stürze auf einer Haltestelleninsel irgendwo in Wien wegen mangelnder Schneeräumung.

Hannes
Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.

moszkva tér

  • Referatsleiter
  • *
  • Beiträge: 8283
Re: [PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse
« Antwort #8 am: 01. Oktober 2012, 08:27:30 »
Die Diskussion erinnert mich auch an den Flugverkehr. In diversen Foren kommen auch ständig Meldungen wie:
"Schei** Aua, ich habe letztens 40 Minuten auf meinen Koffer warten müssen".
Die Forengemeinde schießt sich dann auf den TE ein und schimpft ihn einen Hund, es ist ja der Flughafen, der bei der Bodenabfertigung geschlampt hätte.
Die Aua kann sich auch abputzen, denn schließlich fliegt die Aua nichts mehr selber, sondern lässt inzwischen alles Tyrolean machen.
und so gehts dahin.

Was anderes, wie sich die Wiener Linien abputzen: Mein Alter Ego hat sich auf Facebook einmal beschwert, warum am Praterstern die FGI-Displays für die Linien O und 5 herumstehen, aber nicht für den 80A (damals gab es noch keinen 5B). Antwort: Der 80A wird nicht von den Wiener Linien betrieben. Ja, aber die Wiener Linien beauftragen den Betrieb des 80A. Egal, nicht dasselbe  ::)

Tatsächlich ist das Problem, dass es eben keine übergeordnete Schlichtungsstelle für Beschwerden gibt. Es wäre doch ein super Kundendienst, wenn ich weiß, dass ich mich genau dorthin wenden kann, und dann regelt das diese Stelle (z.B. VOR) für mich. Aber von Pontius zu Pilatus geschickt werden, heißt: Wir haben keine Probleme mit Beschwerden - es erreichen uns ja eh keine.  :down:

Na gut, dann nehme ich halt doch wieder das Auto, werden sich dann viele denken.

haidi

  • Geschäftsführer
  • *
  • Beiträge: 14515
Re: [PM] Monatskarte: Wiener Linien haften für andere Busse
« Antwort #9 am: 01. Oktober 2012, 08:31:22 »
Mein gesunder Menschenverstand sagt mir eher überhaupt etwas ganz anderes: Wenn's mich auf die Fresse haut, bin ich selber schuld.

Du vielleicht, aber behinderte und alte Menschen haben oft Probleme, sich trotz des Wissen, dass Schnee liegt oder Glatteis ist, aufrecht zu halten. Und jetzt komm mir nicht damit, dass sie dann zu Hause bleiben sollen.
Und auch ich - und nicht nur ich - bin schon gestürzt obwohl ich gewusst habe, dass Glatteis ist und ich mich entsprechend verhalten habe, aber manchmal zieht es einem einfach die Füße weg.

Hannes
Microsoft is not the answer. It's the question and the answer is NO.