Fahrplanänderung
Die geplante Öffi-Offensive für die Seestadt kommt erst, wenn die vierspurige Stadtstraße steht – so führende Köpfe der Wiener SPÖ. Soll damit der Druck auf das Protestcamp erhöht werden?
Schon wieder Ärger um die Stadtstraße. Diesmal geht es um den Öffi-Ausbau im Vorzeigeprojekt Seestadt Aspern: Solange die Stadtstraßen-Baustelle weiter blockiert wird, steht auch die geplante Verlängerung der Straßenbahn still. Was steckt dahinter?
Im Dezember hatte Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) noch einen umfassenden Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in der Seestadt angekündigt, nun wird dieses Versprechen aber an eine Bedingung geknüpft. Vom ursprünglichen Plan, die Straßenbahnlinie 25 etappenweise zu verlängern, ist man inzwischen abgerückt. Der Bim-Ausbau soll erst beginnen, wenn das Projekt der umstrittenen Stadtstraße vollkommen abgeschlossen ist. Auch Donaustadt-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) hat sich diesem Fahrplan angeschlossen.
Bisher fehlt den Bewohnerinnen und Bewohner der Seestadt eine direkte Bim-Anbindung. Linie 25 endet aktuell an der Haltestelle Aspern Oberdorfstraße – immerhin rund drei Kilometer Fußweg von der Station Aspern-Nord entfernt. Die nächste Bim-Haltestelle bleibt damit die Hausfeldstraße außerhalb der Siedlung (Linie 26), eine weitere Straßenbahnlinie 27 zwischen Strebersdorf und Seestadt soll erst im Herbst 2025 eröffnen.
Der Momentum-Thinktank wittert hier parteipolitische Machtspiele: Das Aussetzen des Öffi-Aufbaus soll demnach Druck erzeugen, um das Ende der Stadtstraßen-Proteste zu forcieren. Die Anwohner des Bezirks würden bewusst gegen die Umweltschützer ausgespielt.
Die Bezirksvorstehung des 22. wiederum will von solchen Anschuldigungen nichts wissen: „Das ist ein Missverständnis“, beteuert Nevrivy auf FALTER.morgen-Anfrage schriftlich. Der weitere Ausbau der Seestadt hänge schlicht vom Bau der Stadtstraße ab – und damit auch die Verlängerung der Bim-Linie 25. Ein Sprecher von Stadträtin Sima führt aus: Der Eingriff eines Bim-Ausbaus würde den Verkehr innerhalb der Seestadt zeitweise massiv einschränken. Deshalb müsse mit der Stadtstraße vorab eine Umleitung geschaffen werden, um die Siedlung zu entlasten. Die Öffi-Offensive im Nordosten und der Bau der Stadtstraße seien damit keine Gegensätze, sondern „zwei Seiten einer Medaille“.
Zudem sei die städtebauliche Entwicklung entsprechend der Umweltverträglichkeitsprüfung an den Ausbau einer angemessenen Straßeninfrastruktur geknüpft. Die Linie 25 solle den Nordwesten der Seestadt erschließen und eine Anbindung zu dortigen Wohnungen, Arbeitsplätzen und Einkaufsmöglichkeiten bieten. Solange dieser Teil der Seestadt aber nicht ausreichend entwickelt ist, bliebe das „Fahrgastpotenzial“ für eine solche Straßenbahnverbindung zu gering.
Bleibt es dabei, ist erst zwischen 2026 und 2030 mit einem entsprechenden Öffi-Ausbau in der Seestadt zu rechnen. Nach einem Scheitern der Gespräche mit den Aktivistinnen und Aktivisten des Protestcamps drängt Stadträtin Sima indes auf einen „friedlichen Abzug“, die Besetzer rechnen im Moment jederzeit mit einer Räumung
(Falter Morgenmail, 1.2.2022)