Das ist natürlich nichts gegen die paradiesischen Zustände, die es etwa in Deutschland gibt – ich glaub, User "abc" müsste die besser kennen als ich. Dort wechseln sich die Parteien in schöner Regelmäßigkeit ab, sind trotzdem (?) zu einem "marktkonformen" Einheitsbrei verschmolzen. Rund 1,2 Millionen Sozialwohnungen gab es in Deutschland, Tendenz sinkend. Wieviele Gemeindewohnungen gibt es noch schnell allein in Wien?
Dass es Gemeindewohnungen gibt, ist absolut vernünftig. Dass aufgehört wurde, sie zu bauen, und
wie (und vor allem wo) sie nun neu entstehen, ist das Problem. Und seit wann orientiert man sich am schlechteren?
Und wie sieht das mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in deutschen Städten aus? Sind dort Intervalle und Netzdichte, wie man sie in Wien kennt, üblich, gar weit verbreitet?
Um welche deutsche Stadt geht es? Es gibt mehr als eine... in Bezug zur Stadtgröße kann sich das Angebot in Dresden, Leipzig und Hannover durchaus mit dem Wiener messen. In Berlin ist es ein zweischneidiges Schwert: im Zentrum eher schlechter, am Stadtrand und im Umland sehr viel besser als in Wien (allein wegen des 20-min-Grundtakts der S-Bahn, der auch für fast alle Buslinien gilt - auch jene durch Einfamilienhausgebiete, die in Wien alle 30 min verkehren würden). Späße wie in Floridsdorf, dass es aus Großsiedlungen (Dr.-Franz-Koch-Hof) weder ins nächste Stadtteilzentrum noch zur U-Bahn direkte Straßenbahn- oder Buslinien gibt, gibt es in Berlin auch nicht.
Die in Wien viel und zu recht gelobte Intervall- und Netzdichte ist grob zwischen Vorortelinie und Donau vorhanden und tatsächlich ziemlich gut. Jenseits von Hütteldorf, in Teilen des 23. Bezirks und vor allem in Transdanubien sieht es dann allerdings schon viel schlechter aus, ganz dunkel wird es im Umland (das liegt natürlich nicht mehr im Verantwortungsbereich der Wiener SPÖ, dessen bin ich mir bewusst). So ganz schwarz-weiß ist die Welt eben doch nicht.
Um zur Anbindung des Nordbahnviertels zurückzukommen: interessanterweise gibt es in Berlin aktuell ein ähnliches Stadtentwicklungsprojekt - ehemaliges Bahngelände entlang einer stark befahrenen S-Bahn-Trasse wird bebaut. Was in Wien das Nordbahnhofgelände ist, ist in Berlin die Gleislinse zwischen Adlershof und Schöneweide. Dort wird gerade, noch vor Bebauung des umliegenden Gebietes, eine Straßenbahnstrecke gebaut, die vom ersten Tag an (ab Ende 2021) im 24-Stunden-Betrieb bedient wird. Niemand käme auf die Idee, sie auf halbem Wege zum nächsten Knotenpunkt enden zu lassen, weil man ja S-Bahn fahren kann oder angeblich alle nur in die andere Richtung wollen. Ist das wirklich ein schlechteres Vorgehen als beim O-Wagen und beim 12er, die erst nach der Bebauung eines Großteils des Gebiets kommen und dabei so amputiert werden, dass die jeweils nächsten Knotenpunkte (Handelskai und Vorgartenstraße) nicht erreicht werden? Verkehren werden die Züge auf der neuen Strecke in Berlin täglich (tagsüber) im 5/5/10- bzw. 5-min-Takt (je nach Abschnitt) - was ist nochmal am O-Wagen am Wochenende geplant? Und später beim 12er?
Die Frage ist ja auch, was von der vielgelobten Wiener Netzdichte mittelfristig übrig bleibt, wenn sich die Baugebiete schneller entwickeln als das Liniennetz. Und das scheint derzeit leider der Fall zu sein. Die Fehlentscheidungen, die man aktuell trifft, wirken sich über Jahre und Jahrzehnte aus.
Zugleich hat man in den letzten Jahren auch in Berlin verstanden, dass man es in den Nullerjahren mit Kürzungen und Einsparungen übertrieben hat und seit ca. 2014 zahlreiche Bus- und Straßenbahnlinien (wieder) verdichtet, weitere Verbesserungen sind in Planung. Die Verkehrssenatorin hat gar das Ziel ausgerufen, mittelfristig alle (!) Buslinien im 10-min-Takt zu betreiben. Wenn diese und andere Ankündigungen in Berlin auch nur zur Hälfte wahr werden und Wien gleichzeitig so weitermacht wie die letzten Jahre (mangelhafte Erschließung von Neubaugebieten, systematisches Verfallenlassen des Straßenbahnnetzes etc.), bin ich mir nicht sicher, ob man in 10, 15 Jahren noch so selbstgefällig aus Wien auf den Berliner ÖPNV herabblicken kann...
Aber ich sag ja nix; solange jemand nicht den überwiegenden Teil seiner Aktivität im Forum für negative Politpropaganda verwendet, wie dies beim verflossenen User R. der Fall war, muss man schon fast zufrieden sein. Nichtsdestotrotz ist es fein, dass plattes politisches Agitieren, und das noch dazu in Vorwahlzeiten, nicht ohne Widerspruch bleibt!
Ja, da fühlen sich gleich einige auf den Schlips getreten, wenn man die heilige Partei kritisiert. Das lustige ist: Ich habe an keiner Stelle behauptet, dass es eine andere Partei besser könnte (nur einmal, dass die Neos die einzigen sind, die Ansätze eines Gesamtkonzepts haben). Es geht mir konkret um die Bräsigkeit, das Desinteresse und die Scheuklappen, die die seit 75 Jahren durchgehend regierende Partei an den Tag legt. Und natürlich kritisiere ich dann vor allem diese Partei, und nicht irgendeine andere. (Denn welchen Sinn hätte es, die zu kritisieren, die kritisierten Zustände nicht herbeigeführt haben?) Bei einer Diskussion zu Themen in NÖ oder Tirol würde ich wahrscheinlich recht ähnliche Dinge über die ÖVP schreiben. Und für das, was im Bund z.B. unter Türkis-Blau schiefgelaufen ist, würde ich die SP selbstverständlich auch nicht verantwortlich machen. Die Aussage "Die SPÖ ist schuld an der BVT-Affäre, weil sie auch keine besseren Konzepte hat!" würdet ihr doch mindestens auch für lächerlich halten, oder?