Im "trend" von Juni 2023 findet sich als Coverstory "Top 500 - Österreichs größte Unternehmen". Auf Platz 208 "Wiener Linien GmbH&Co KG" mit einem Nettoumsatz von 600,04 Millionen € 2022. Im kleingedruckten steht unter Fußnote 223): "Negatives Ebit in Höhe von 170,88 Millionen € vor allem aufgrund der hohen Investitionen von zuletzt 491,9 Millionen € und der daraus resultierenden Abschreibungen (etwa für den Ausbau U2xU5 bzw. Fahrzeugbeschaffungen)."
nord22
Die Trend TOp-500- Journalisten hatten noch nie eine Ahnung von Jahresabschlüssen, damit haben sie schon seinerzeit für einige gute Anekdoten für meine Lehrveranstaltung Bilanzanalyse auf der WU gesorgt.
Richtig ist:
Der Aufwand für den U-Bahn-Bau wird eigentlich doppelt erfasst, das liegt an den komplett inkompatiblen Systemen der Rechnungslegung von öffentlichen Haushalten und Unternehmen:
1) Republik und Land Wien haben Kameralistik, die erfassen im Budget alle AUSGABEN. Wenn Republik und Wien gemeinsam im Jahr 2022 was für den Bau von U2/U5 ausgeben (Geld überweisen) dann ist das bei beiden eine Belastung im Budget 2022.
Wenn die U2/U5 dann fertig ist, wird sie den Wiener Linien übertragen. Die Wiener Linien haben als GmbH & Co KG keine Kameralistik, sondern doppelte Buchhaltung. Die aktivieren die U2/U5 bei Fertigstellung als Sachanlage in der Bilanz (Buchung Sachanlage an Eigenkapital). Die Stadt Wien leistet also als Eigentümer der Wiener Linien eine Sacheinlage leistet, so wie wenn jemand seinen privaten PKW als Sacheinlage in seine neu gegründete GmbH einlegt und ab diesen Zeitpunkt dann als Firmenwagen nützt.)
In der doppelten Buchhaltung werden keine AUSGABEN erfasst, sondern AUFWENDUNGEN. Die Wiener Linien schreiben die U2/U5 daher über die geschätzte Nutzungsdauer ab, und somit belasten die Anschaffungskosten, die während des Baus schon das Budget von Republik und Stadt belastet haben, während der Nutzung dann den Jahresabschluss der Wiener Linien.
Wenn im Trend daher steht, dass das Ergebnis der Wiener Linien aufgrund hoher Investitionen negativ ist, dann ist das insoferne Blödsinn, als das Ergebnis 2022 nicht durch die Investitionen des Jahres 2022 belastet wird, sondern durch frühere Investitionen (inkl U-Bahn-Bau), die in 2022 noch genutzt wurden. Der Bau von U2/U5 belastet das Ergebnis 2022 sicherlich nicht.
Kein Wunder, dass für die dringend erforderliche Infrastrukturerneuerung (Gleisanlagen) im Bereich Straßenbahn das Geld fehlt.
nord22
Der U-Bahn-Bau führt vielleicht dazu, dass bei de Stadt Wien Geld fehlt, aber nicht bei den Wiener Linien. Wie oben beschrieben bezahlen den U-Bahn-Bau ja Republik und Stadt Wien, die Buchung der Abschreibung im Jahresabschluss der Wiener Linien ist ein sogenannter unbarer Aufwand, der belastet zwar das Ergebnis, kostet aber kein Geld.