Ein Mitverschulden des Straßenbahnfahrers wird unvermeidlich sein. Es ist langjährige Spruchpraxis, dass eine Vorrangverletzung, wie vor Allem das Nichtbeachten des Verkehrszeichens "Vorrang geben" schwerer wiegt, wie allfällige Verletzungen der StVO durch den bevorrangten Unfallgegner. Das geht sogar so weit, dass Nachrang sogar gegenüber eines entgegen der Fahrtrichtung einer Einbahnstraße (im Querverkehr) fahrenden besteht.
Aus meiner Verwandtschaft kann ich Euch einen rechtlich vergleichbaren Fall - zum Glück nur mit Sachschaden - schildern:
Zweispurige Straße, mit einer einmündenden Querstraße, mit Vz "Vorrang geben". (Für Ortskundige: Felberstraße-Tannengasse). Auf der bevorrangten Straße steht stadtauswärts eine Kolonne, im Bereich der Querstraße haben die Lenker der angehaltenen Fahrzeuge korrekterweise den Kreuzungsbereich freigehalten. Die aus der benachrangten Querstraße kommende PKW-Lenkerin möchte links abbiegen und stadteinwärts fahren. Sie fährt also durch die Lücke der angehaltenen Kolonne, schaut nach rechts, ob jemand kommt und biegt dann links ab. Es kommt zu einer Kollision mit einem stadtauswärts fahrenden PKW, dessen Lenker (auf dem stadteinwärts-Fahrstreifen) vorschriftswidrig die angehaltene Kolonne überholte (weil er sich weiter vorne auf einem Abbiegestreifen einordnen wollte). Ohne dessen Fehlverhalten wäre es nie zu dem Unfall gekommen. Trotzdem ergab das zivilrechtliche Verfahren, dass dieser Lenker nur ein Drittel Verschulden hat, das "Nichtbeachten des Vorrang geben" zu zwei Drittel Schuld führte. Begründung: Nachrang hat man gegenüber jeglichen Querverkehr, unabhängig davon, ob dieser sich korrekt verhält. Dessen Fehlverhalten führt lediglich zu einer Teil-Mitschuld.
Auch wenn das schon einige Jahre zurückliegt, meines Wissens hat sich in der Spruchpraxis hier nichts geändert.