Ich bin mit meinen Eltern 1955 als 4-jähriges Kind nach Wien gezogen. Wir wohnten in der Stromstraße (20. Bez.) in einer Eisenbahnerwohnung mit Klo am Gang, einer Waschküche, die 6 Parteien teilen mussten. Regelmäßig verschmutzten die vorbeifahrenden Dampfloks die Wäsche!
Geheizt wurde die kleine 3 - Zimmerwohnung (Küche, Schlafzimmer, Kabinett) mit nur einem Ofen, Holz bekam man in Form von alten Eisenbahnschwellen, die der Vater mühsam zerkleinerte, gratis, die Kohle konnte man als "Regiekohle" billiger beziehen. Immerhin gab es in der Küche einen Gasherd! Alle Parteien hatten einen Vorratskeller, der in den Damm der nahe vorbeiführenden Nordwestbahn hineingegraben war. Immerhin hatte man einen Schrebergarten in unmittelbarer Nähe zur Verfügung! Kirschen, Erdbeeren, Ribiseln, Stachelbeeren ("Ogrosln"), Rhabarber, Kohl, Spinat, Salat bereicherten den Speiseplan. In unmittelbarer Nähe gab es zwei Milchgeschäfte, eine Meinlfiliale (dort wurde nicht eingekauft, weil sie zu teuer war!), einen Fleischer, eine Greißlerei, eine Apotheke. Dank der damit verbundenen kurzen Wege war ein Auto nicht notwendig. Etwas weiter hatten wir zum "Konsum" - dort kaufte die Mutter gerne ein, weil es Rabattmarken gab. Statt Drogerieketten gab es kleine Parfumerieläden.
Immerhin gab es im Bezirk 7 Kinos! (Marchfeld, Wallenstein, Friedensbrücke, Vindobona, Hellwag, Triumph, Winarsky)
Bis etwa Anfang der 60er-Jahre, bevor Gemeindebauten entstanden, waren diverse Lagerplätze von Baufirmen von grauen Holzplanken eingezäunt. Ein Beisl nannte sich daher sogar "Plankenwirt". In dieser Umgebung prägten noch ein paar Jahre Bombenruinen bzw. die Grundmauern von durch Bomben zerstörter Häuser die Stadtgegend. Die Straßen und Gassen waren allesamt gepflastert, in den Hausfluren der alten Zinskasernen herrschte ein eigenartiger abgestandener Mief (eine Art feuchter Modergeruch), die Beleuchtung der Fluren bestand aus matten 25 W- Birnen.
Nördlich der Stromstraße gab es noch ausgedehnte Schreber- und Gemüsegärten. Die Gassen und Straßen waren bombiert und von Wassergräben begleitet.
Die modernste Straßenbahntype waren die Z-TW, ansonsten dominierten Wagentypen mit offenen Türen.
Ich kann mich auch noch an Gassen ohne jedes Auto an den Straßenrändern erinnern.
In der Volksschule saßen wir noch in Schulbänken mit Tintenfasslöchern. Nach dem Erlernen des Schreibens wurde von Bleistift auf Feder, die in das Tintenglas eingetaucht werden musste, umgestellt. (1958!). Welch ein Luxus war dann die erste - natürlich billige - Füllfeder! Sowieso groß war die Freude über eine Federschachtel mit zwei Bleistiften, Spitzer, Radiergummi und ein paar Buntstiften. Der Erwerb von Ölkreide in den Grundfarben galt ebenfalls schon als Luxus.
Jetzt eine bibliophile Rarität ist das damals verwendete Religionsbuch (noch in Frakturschrift!). Immer noch in Erinnerung habe ich die bunten "Fegefeuerbilder"! Zur Erstkommunion (1959) musste man nüchtern in die Kirche kommen! Dann gab es im Pfarrheim der hässlichen Allerheiligenkirche einen grauslichen Kakao mit Milchhaut....
Und 1959 starb mein Schulkollege, der hinter mir saß, an Kinderlähmung. Gab es einen Scharlachfall, hatte das einen schulfreien Tag zur Folge, weil "ausgespritzt" werden musste.
Man vergleiche nun diesen Alltag mit dem schönen Werbefilm von 1951!